Anfechten kann sich auszahlen
Wer umzieht und deutlich mehr zahlen soll als der Vormieter, kann den Mietzins anfechten. So funktionierts.
Wochenlang haben Jenny und Fabio Wohnungsinserate durchgeschaut
, Mailinglisten gewälzt, alles besichtigt vom dunklen Loch bis zum Hochglanz-Apartment, sich bei Vermieterinnen und Vermietern eingeschleimt.
Die Mühe hat sich gelohnt: Das junge Paar hat die Zusage für eine 3,5-Zimmer-Altbauwohnung an bester Lage. Der Mietzins von 2885 Franken erscheint ihnen zwar hoch, aber für Zürich leider üblich. Doch als die beiden nach dem Mietvertrag auch das vorgeschriebene Formular aus dem Couvert ziehen, steigt ihr Puls: Der Vormieter musste nur 2380 Franken zahlen. Als Begründung steht nur: «Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit». Gut 500 Franken mehr – ist das nicht jenseits?
Die beiden wenden sich ans Beratungszentrum des Beobachters: «Müssen wir die Mietzinserhöhung einfach hinnehmen?»
Diese Fragen spielen bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses eine wichtige Rolle:
- Bei welchen Objekten kann man den Anfangsmietzins anfechten?
- Vertrag unterschrieben – kann ich dennoch den Zins anfechten?
- Wie gehe ich gegen den erhöhten Mietzins vor?
- Kann sich die Anfechtung nachteilig auswirken?
- Vertrag vom Vormieter übernommen – kann ich den Mietzins anfechten?
- Mietzins angefochten – kann ich sofort weniger Miete zahlen?
- Muss die Vermieterin den vorherigen Mietzins immer auf einem amtlichen Formular angeben?
- Wann muss der Vermieter das amtliche Formular aushändigen?
- Was ist, wenn der Vermieter die 30 Tage nicht einhält?
- Meine Vermieterin begründet die Erhöhung mit der Orts- und Quartierüblichkeit. Was heisst das?
Ausserdem gut zu wissen:
Bei welchen Objekten kann man den Anfangsmietzins anfechten?
Das ist bei allen Wohn- und Geschäftsräumen möglich, die neu vermietet werden. Ausgenommen sind luxuriöse Wohnungen und Einfamilienhäuser mit mindestens sechs Zimmern sowie Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden. Ausserdem ausgeschlossen sind staatlich subventionierte Wohnräume und solche, bei denen der Zins behördlich kontrolliert wird.
Vertrag unterschrieben – kann ich dennoch den Zins anfechten?
Auch wenn die Tinte im Mietvertrag bereits trocken ist, haben Mieterinnen und Mieter das Recht, den Anfangsmietzins anzufechten. Das ist im Gesetz so vorgesehen. Denn angefochten wird nicht der Vertrag an sich, sondern der missbräuchlich hohe Mietzins (siehe Definition unten). Trotzdem: Unterschreiben Sie den Vertrag nur, wenn Sie den Mietzins auch zahlen können. Denn wenn die Anfechtung scheitert, gilt der vereinbarte Mietzins.
Wie gehe ich gegen den erhöhten Mietzins vor?
Sie müssen ihn bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten. Dafür haben Sie 30 Tage Zeit. Die Frist beginnt zu laufen, einen Tag nachdem Sie die Wohnung übernommen haben. Falls Sie die Frist verpassen, gilt der vertragliche Mietzins. Lassen Sie sich unbedingt beraten – zum Beispiel von den Fachleuten des Beobachter-Beratungszentrums.
Beratung für Beobachter-Mitglieder
Berichten, beraten, bewegen: Das macht den Beobachter aus. Wer ein Jahresabo besitzt – Digital- oder Printabo –, erhält Zugang zur kostenlosen Rechtsberatung, die von über 30 Fachexpertinnen und Fachexperten geleistet wird. Ein einmaliges Angebot in der Schweizer Medienlandschaft.
Kann sich die Anfechtung des Anfangsmietzinses nachteilig auswirken?
Es ist für niemanden angenehm, das Mietverhältnis mit einem Besuch bei der Schlichtungsbehörde zu beginnen. Aber es ist das einzige Mittel, um sich gegen einen missbräuchlich hohen Mietzins zu wehren. Später kann man das nur noch, wenn der Mietzins erhöht wird.
Mein Vormieter ist ausserterminlich ausgezogen. Ich habe seinen Vertrag übernommen. Kann ich den Anfangsmietzins anfechten?
Nein. Sie als Nachmieter übernehmen seinen Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen. Anfechten kann man den Preis nur bei Neuvermietungen. Wenn die Vermieterin den Mietzins jedoch erhöht, muss ein neuer Vertrag geschlossen werden.
Das Gesetz nennt keine eindeutigen Zahlen, wann ein Mietzins überrissen oder missbräuchlich ist. Wenn Mieter jedoch wissen, mit welcher Methode die Vermieterin den Ertrag berechnet hat, und wenn der Ertrag übertrieben hoch ist, können sie den Anfangsmietzins anfechten. Erfahren Sie als Beobachter-Mitglied mehr dazu hier.
Ich habe die Anfechtung des Anfangsmietzinses gemacht. Kann ich bis zum Entscheid weniger Miete zahlen?
Nein. Sie riskieren sonst die Kündigung . Während des Verfahrens gilt die vertragliche Miete. Sie können den zu viel gezahlten Teil aber rückwirkend einfordern, falls Sie das Verfahren gewinnen.
Muss die Vermieterin den vorherigen Mietzins immer auf einem amtlichen Formular angeben?
Nein. Die Formularpflicht gilt nur in den Kantonen Basel-Stadt, Genf, Luzern, Zug und Zürich sowie in den Kantonen Neuenburg und Waadt teilweise. Sie soll neue Mieter über den früheren Zins informieren und darauf hinweisen, dass man die Höhe der Miete anfechten kann. Auch in Kantonen ohne Formularpflicht haben Sie das Recht, vom Vermieter zu erfahren, wie viel er vom Vormieter verlangt hat.
Wann muss der Vermieter das amtliche Formular aushändigen?
Bei Abschluss des Vertrags oder bei der Wohnungsübergabe. Spätestens aber 30 Tage nach der Übergabe, wobei die Frist zur Anfechtung laut Bundesgericht erst mit der Zustellung des Formulars beginnt.
Was ist, wenn der Vermieter die 30 Tage nicht einhält?
Dann ist die vertragliche Miete nichtig. Das heisst: Sie können zur Schlichtungsbehörde gehen und danach vor Gericht, mit dem Begehren, dass der Mietzins rückwirkend amtlich festgesetzt wird. Zu viel gezahlte Miete können Sie zurückverlangen.
Meine Vermieterin begründet die Mietzinserhöhung mit der Orts- und Quartierüblichkeit. Was heisst das?
Verboten sind nur missbräuchlich hohe Mietzinse. Nicht missbräuchlich sind sie in der Regel, wenn sie etwa gleich hoch sind wie die anderen im Quartier. Wenn die Vermieterin das Haus vor über 30 Jahren gekauft oder gebaut hat, kann sie sich auf das gestiegene ortsübliche Niveau berufen. Der Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit ist aber schwierig.
Tipp: Wenn Sie nicht wissen, wie lange die Wohnung Ihrer Vermieterin gehört, fragen Sie beim Grundbuchamt nach der letzten Handänderung.
Anfangsmietzins anfechten: Das sind die Voraussetzungen
Damit der Anfangsmietzins überhaupt überprüft wird, müssen Sie mindestens eine dieser Voraussetzungen erfüllen:
- Familiäre oder persönliche Notlage: etwa eine Geburt oder eine Trennung, die Sie gezwungen hat, eine neue Bleibe zu mieten.
- Wohnungsnot: Die ist gegeben, wenn der Leerstand an Wohnungen im Kanton weniger als 1,5 bis 2 Prozent beträgt. Man nimmt sie auch an, wenn im Kanton eine Formularpflicht gilt. Dann muss der Vermieter auf einem Formular angeben, wie viel die Vormieterin gezahlt hat.
- Der Vermieter hat den Mietzins massiv erhöht: und zwar um mindestens 10 Prozent im Vergleich zum früheren Bruttomietzins – inklusive Nebenkosten. Das lässt sich leicht belegen. Entweder es gilt die Formularpflicht. Oder Sie fragen den Vermieter – er muss Ihnen den früheren Zins bekanntgeben.
Beobachter-Mitglieder können mit dem Musterbrief «Anfechtung des Anfangsmietzinses» Beschwerde bei der zuständigen Schlichtungsbehörde einlegen, wenn einer der Anfechtungsgründe erfüllt ist. Einfach ausfüllen, ausdrucken und unter Umständen mehrere Hundert Franken sparen.
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