Wie müssen sich Arbeitgeber verhalten?
Erwischt man einen Mitarbeiter dabei, wie er Kinderpornos schaut, könnte das weitreichende Konsequenzen haben. Eine Pflicht ihn zu melden gibt es aber nicht.
Veröffentlicht am 28. Januar 2019 - 16:12 Uhr,
aktualisiert am 28. Januar 2019 - 14:23 Uhr
Der Konsum von Kinderpornographie nimmt in der Schweiz zu. Laut «NZZ am Sonntag» hat sich die Zahl der Verdachtsfälle, die das amerikanische Federal Bureau of Investigation FBI dem Bundesamt für Polizei Fedpol meldete, innert fünf Jahren fast verzwanzigfacht. 2018 erhielten die Schweizer Behörden auf diese Weise bereits Hinweise auf 9000 Fälle.
Immer wieder werden kinderpornographische Inhalte auch am Arbeitsplatz konsumiert. Was tut man als Mitarbeitender oder als Vorgesetzte, wenn Kollegen dies während der Arbeitszeit tun? Wozu ist man verpflichtet?
Wer Kinderpornos anschaut , schafft dadurch einen Markt für Kinderpornographie, leistet also einem Sexualdelikt an einem Kind Vorschub. Deshalb stellt das Gesetz nicht nur die Herstellung und den Handel, sondern auch den Besitz von Kinderpornographie unter Strafe. Auch aus arbeitsrechtlicher Sicht kann ein solches Verhalten für den betreffenden Mitarbeiter Folgen haben – von einer Verwarnung bis hin zu einer fristlosen Kündigung. Der Arbeitgeber hat aber in der Schweiz keine gesetzliche Pflicht, illegales Verhalten von Mitarbeitenden der Polizei zu melden. Man kann also nicht dafür belangt werden, wenn man den Behörden nichts sagt.
Der Arbeitgeber hat jedoch eine Fürsorgepflicht gegenüber allen seinen Mitarbeitern. Das heisst, wenn andere Angestellte sich gestört fühlen, könnte das als sexuelle Belästigung gelten. Die Chefin oder der Chef müssten in dem Fall Massnahmen treffen, um die Belästigung zu verhindern.
Je nach Beruf und Kontext ist ein Einschreiten aber dringend nötig. Und zwar primär wegen dem Umfeld, das dadurch betroffen ist. Wenn zum Beispiel eine Lehrerin einen Kollegen dabei erwischt, wie er Kinderpornos anschaut, würde sie ihre Fürsorgepflicht den Schülerinnen und Schülern gegenüber verletzen, wenn sie den Fall nicht dem Vorgesetzten, beziehungsweise der Schulleitung, melden würde. Denn der Kollege arbeitet in einem sensiblen Bereich mit Kindern, die sich auf die Integrität der Lehrpersonen verlassen können müssen und wo Nulltoleranz gilt.
Soweit die rein rechtliche Sicht. Beobachter-Experte Daniel Leiser sagt aber:
«Auch dann, wenn es strafrechtlich nicht relevant ist, darf man bei Kinderpornographie nicht wegschauen.»
Daniel Leiser, Jurist im Beobachter-Beratungszentrum
Der gleichen Meinung ist Patrick Boss von der ZHAW. Der Psychologe bietet eine Weiterbildung für HR-Fachpersonen an, die sich explizit mit «dunklem, kontraproduktivem und destruktivem Verhalten» im Arbeitsumfeld befasst. «Einerseits gibt es die Perspektive des Unternehmens, aus der es natürlich zentral ist, Reputationsschäden zu vermeiden», sagt Boss.
Aber auch für die interne Betriebskultur sei es entscheidend, dass solche Grenzüberschreitungen konsequent verfolgt würden und nicht etwa der Eindruck entstehe, man dulde das Verhalten. Das erfordere von Vorgesetzten auch einiges an Mut, sich richtig zu informieren und allenfalls Hilfe zu holen. Denn solche Situationen seien so selten, die hätten auch erfahrene Arbeitgeber nicht einfach im Griff. «Das Schwierige an der Sache ist, dass gerade Themen wie Kinderpornographie sehr stark ins Privatleben eines Mitarbeiters reichen und es dann die eher unangenehme Pflicht des Vorgesetzten ist, dies direkt anzusprechen», erklärt Boss.
In einem ersten Schritt müsse man zudem die Persönlichkeit der betroffenen Person schützen und könne diese nicht einfach an den Pranger stellen. Ein solcher Skandal hafte sonst für immer an ihr.
Hat die Firma ein Reglement, was Angestellte während ihrer Arbeitszeit im Internet tun dürfen , könne man sich darauf beziehen und eine Verwarnung aussprechen. Psychologe Boss sagt weiter: «Der Vorgesetzte muss dem Fehlbaren unmissverständlich klar machen, dass ein solches Verhalten am Arbeitsplatz nicht geduldet und im Wiederholungsfall eine Kündigung ausgesprochen werde. Damit es nicht bei einer leeren Drohung bleibt, sind wirkungsvolle Kontrollen einzuführen, über welche der Mitarbeiter informiert werden muss. Man sollte jedoch auch darauf hinarbeiten und das Bewusstsein dafür schaffen, dass sich betroffene Personen professionelle Hilfe holen. Und zwar im Interesse beider Seiten.»
Nicht zuletzt gelte es auch, den Interessen von Mitarbeitern, die das Fehlverhalten des Kollegen beobachtet oder gemeldet hätten, gerecht zu werden und diese ernst zu nehmen. Boss empfiehlt, in solchen Situationen offen zu kommunizieren und sie wissen zu lassen, dass etwas geschieht und man die Grenzüberschreitung nicht toleriert.
Das Neuste aus unserem Heft und hilfreiche Ratgeber-Artikel für den Alltag – die wichtigsten Beobachter-Inhalte aus Print und Digital.
Jeden Mittwoch und Sonntag in Ihrer Mailbox.