Das grosse Pisten-Abc
Gehört der Skihelm zur Pflicht? Machen sich Pistenraser strafbar? Und in welchen Fällen kommt die Versicherung auf? Fragen und Antworten von A bis Z zur Sicherheit sowie zum Verhalten auf Schneepisten.
aktualisiert am 8. März 2021 - 13:01 Uhr
Ausserhalb der Piste unterwegs – zahlt die Unfallversicherung?
Ja. Allerdings kann sie ihre Leistungen kürzen. Mit einer Kürzung der Geldleistungen
(zum Beispiel Taggelder) von 50 Prozent müssen etwa Verunfallte rechnen, die trotz Lawinenwarnungen die markierte Piste verlassen. In besonders schweren Konstellationen können die Geldleistungen gar verweigert werden. Die Heilungskosten werden hingegen auch bei Wagnissen (siehe unter
«W») voll übernommen.
Bindung falsch eingestellt – darf die Versicherung die Leistung kürzen?
Kaum. Eine jährliche Bindungskontrolle
ist nicht obligatorisch, die
Beratungsstelle für Unfallverhütung empfiehlt allerdings eine. Die Versicherung kann die Leistung nur kürzen, wenn man sich grob fahrlässig verhalten hat – etwa wenn man die Bindung nicht neu einstellt, obwohl man massiv zu- oder abgenommen hat oder komplett andere Schuhe verwendet.
Gilt beim Carven Rechtsvortritt?
Die Schweiz kennt – anders als etwa Italien – keinen Rechtsvortritt auf der Piste. Hier gelten allein die FIS-Verhaltensregeln (siehe unter «F»): Wer von hinten kommt, muss seine Spur so wählen, dass er niemanden gefährdet. Überholen darf man von rechts wie von links – Hauptsache, man hält genügend Abstand.
Skier vor der Pistenbeiz gestohlen – zahlt die Hausratversicherung?
Ja, wenn man in der Hausratversicherung
den Zusatz
«einfacher Diebstahl auswärts» abgeschlossen hat. Das ist relativ teuer, und oft ist die Deckungssumme limitiert. Die Versicherung muss dann nur maximal für diesen Betrag einspringen, auch wenn der Schaden tatsächlich grösser ist.
Eine Hausratversicherung schützt gegen die Risiken Feuer, Wasser und Diebstahl – mit der Zusatzversicherung «einfacher Diebstahl auswärts» auch ausserhalb der vier Wände. Beobachter-Mitglieder erfahren, welche Zusätze der Hausratversicherung sich im konkreten Fall lohnen können.
Was tun bei einem Skiunfall?
- Unfallstelle sichern: Gekreuzte Skier einstecken und eine Person als Warner postieren.
- Erste Hilfe leisten : Allgemeinzustand der verletzten Person erfassen, für richtige Lagerung, Wundversorgung und Kälteschutz sorgen.
- Rettungsdienst alarmieren: Pistenpatrouille, Rega (Tel. 1414) oder Notruf (Tel. 144).
- Sachverhalt feststellen: Personalien von Beteiligten und Zeugen aufnehmen, Unfallhergang notieren.
Sind die FIS-Regeln verbindlich?
Die zehn Regeln des Internationalen Skiverbands (FIS) halten fest, wie man sich auf der Piste zu verhalten hat. Das sind zwar keine gesetzlichen Bestimmungen. Trotzdem stützen sich die Gerichte immer dann darauf, wenn sie Unfallhergang und Schuldfrage beurteilen müssen. Denn: Wer die FIS-Regeln verletzt, handelt fahrlässig. Wer fahrlässig handelt, kann für Schäden haftpflichtig werden.
Beinbruch, schlechtes Wetter – gibts Geld zurück?
Wann der Preis für ein Skibillett zurückerstattet wird, regeln die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bergbahnen. Häufig ist es bei Unfall oder Krankheit so. Verlangt wird ein Zeugnis – oft von einem ortsansässigen Arzt. Achtung: Geld zurück gibt es nur für die betroffene Person selbst. Auch bei schlechtem Wetter, Lawinengefahr oder Schneemangel bleibt man üblicherweise auf seinem Billett sitzen.
Keine Bergsicht und schmutzig – wie reklamieren?
Wer nicht bekommt, was er gebucht hat, sollte sich sofort beim Empfang beschweren. Wenn der Mangel nicht behoben
wird, kann man einen Preisnachlass fordern. Bei allfälligen Streitigkeiten kann die
Ombudsstelle der Schweizer Hotellerie vermitteln.
Kann man einen rücksichtslosen Pistenraser anzeigen?
Ja. Wer andere mit seinem Fahrverhalten auf der Piste gefährdet, kann sich strafbar machen. Das gilt möglicherweise wie bei einem Raser auf der Strasse als Störung des öffentlichen Verkehrs (Artikel 237 Strafgesetzbuch). Einem Übeltäter droht Gefängnis bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Allerdings: Ein Strafverfahren ist langwierig, und nicht immer reicht die Beweislage
für eine Verurteilung aus. Effizienter ist es, den Raser der nächsten Pistenpatrouille zu melden. Diese kann ihm das Ticket entziehen.
Wildruhezonen beachten!
Wer markierte Wildruhezonen missachtet, dem können die Bergbahnen das Billett entziehen. Wer in eidgenössischen Jagdgebieten ausserhalb von markierten Pisten Ski fährt, dem droht ab 1.1.2020 eine Ordnungsbusse. Daneben können auch noch kantonale oder kommunale Bestimmungen existieren, bei deren Verletzung ebenfalls eine Busse droht.
Gibt es eine Promillegrenze auf der Piste?
Nein. Aber: Wer betrunken Ski fährt, verhält sich fahrlässig. Bei einem Unfall muss man daher mit Leistungskürzungen der Unfallversicherung rechnen. Ausserdem behalten sich viele Skigebiete in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, betrunkenen Fahrern
das Skibillett zu entziehen, wenn sie andere gefährden.
Eine Lawine geht auf die Piste nieder – haftet die Bergbahn?
Sehr wahrscheinlich. Bahnen sind für die Sicherheit ihrer Pisten verantwortlich. Gefährdete Hänge müssen gesichert oder gesperrt werden. Die Bahn haftet nicht, wenn die Lawine ein aussergewöhnliches Naturereignis war, das heisst nicht voraussehbar.
Abseits der Piste: Hafte ich bei einer Lawine?
Erfahren Sie, mit welchen strafrechtlichen Konsequenzen Skisportler rechnen müssen, die abseits der gesicherten Piste ein Schneebrett mit Verletzten auslösen und ob Schadenersatzansprüche von Geschädigten durch die Privathaftpflichtversicherung gedeckt sind?
Soll man eine Skiversicherung abschliessen, wenn man Skier mietet?
Versicherungen gegen Diebstahl und Skibruch sind möglich, aber selten sinnvoll: Gegen Diebstahl muss sich nämlich der Vermieter
absichern, und das Risiko für Skibruch ist bei normaler Fahrweise relativ gering.
Die Ferienwohnung vergebens gebucht – kann man Nachmieter stellen?
Ja. Es gelten die gleichen Regeln wie bei Wohnungsmiete. Der Nachmieter
muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu gleichen Bedingungen zu übernehmen.
Ohne Helm unterwegs – darf die Versicherung die Leistung kürzen?
Nein. In der Schweiz besteht keine Helmtragepflicht. Laut Auskunft der Schweizerischen Unfallversicherung (Suva) werden keine Leistungen gekürzt, nur weil man ohne Helm unterwegs war. Das ändert selbstverständlich nichts daran, dass ein Helm unbedingt zu empfehlen ist. Vorbildlich: Über 90 Prozent aller Schneesportler fahren bereits «oben mit».
Lieber den öffentlichen Verkehr benutzen.
Das schont die Umwelt und die Nerven.
Wie viele Leute sind auf der Piste unterwegs?
In der letzten Wintersaison verzeichneten die Schweizer Bergbahnen 23,4 Millionen Tagesbesuche. Erstmalig seit 2012/13 konnten die Skigebiete somit wieder an Wintersportlern zulegen.
Ist man mit einer Rega-Gönnerschaft für Rettungsflüge versichert?
Nein. Mit der Rega-Gönnerschaft
leistet man eine Spende. Man ist weder Mitglied noch versichert und hat daher auch keinen Anspruch auf Rettungsflüge. Trotzdem profitiert man von gewissen Vorteilen: Die Rega übernimmt jene Kosten, die von niemandem getragen werden, wenn ein Einsatz medizinisch notwendig ist. Zum Beispiel für Rückführungskosten aus dem Ausland, die die Deckungslimiten der Schweizer Versicherungen oft übersteigen.
Skifahren: Tun und lassen, was man will?
Keine Lust mehr – kann man die Skischule absagen?
Ja, allerdings nicht immer entschädigungslos. Massgeblich sind die Stornierungsbedingungen der Skischule. Sie sehen häufig vor, dass man Privatlektionen 24 oder 48 Stunden im Voraus entschädigungslos absagen kann, manchmal aber auch bis zu sieben Tagen im Voraus. Bei Wochenkursen sind die Annullierungsbedingungen strenger.
Oder: S wie Schmerzensgeld (siehe Box unten)
Vom Bergungsschlitten bis zum Heli – wer übernimmt die Transportkosten?
Die notwendigen Kosten für den Transport zum nächstgelegenen Arzt oder Spital
übernimmt die Unfallversicherung. Sogar wenn man sich grob fahrlässig verhalten hat. Verlegungstransporte sind dagegen nur gedeckt, wenn sie medizinisch notwendig sind oder es die familiären Verhältnisse nötig machen. Etwa damit eine Mutter kleiner Kinder in ein Spital in der Nähe ihres Wohnorts verlegt werden kann.
Wie gefährlich sind Ski- und Snowboardfahren?
Gemäss Beratungsstelle für Unfallverhütung verletzen sich jährlich rund 76'000 Ski- und Snowboardfahrer auf Schweizer Pisten. Bei mehr als der Hälfte der Unfälle
sind die Beine betroffen, rund 16 Prozent machen Kopfverletzungen aus. Die meisten Skiunfälle sind selbstverschuldet, nur gerade sieben Prozent sind auf Kollisionen zurückzuführen. Am gefährlichsten ist es übrigens nicht beim ganz grossen Gedränge auf der Piste, sondern bei mittlerem Personenaufkommen.
Bei der Unfallversicherung (UVG) gibt es kein Mindest- oder Höchstalter für Angestellte. Alle Versicherte profitieren, wenn auch die rechtliche Definition eines Unfalls manchmal für Unklarheiten sorgt. Beobachter-Mitglieder erfahren, in welchen Fällen die Unfallversicherung zahlt, welche Leistungen sie beinhaltet und wie etwa Teilzeitangestellte versichert sind, die bei mehreren Arbeitgebern tätig sind.
Skiunfall im Ausland: Ist man genügend abgesichert?
Für notfallmässige Behandlungen im Ausland kommt die obligatorische Schweizer Unfallversicherung auf. Bei Rentnern, Kindern und anderen Personen, die nicht über einen Arbeitgeber für Nichtberufsunfälle versichert sind, ist die Krankenkasse zuständig. Beide Versicherungen zahlen grundsätzlich nur bis zum Doppelten, was eine entsprechende Behandlung in der Schweiz gekostet hätte. Ausnahme: Bei Unfällen in EU-/Efta-Staaten ist man gleich versichert wie Versicherte im betreffenden Land. Am besten klärt man die Unfalldeckung vor einer Reise ab. Insbesondere für Länder mit hohen Gesundheitskosten (etwa USA) kann sich eine Zusatzversicherung lohnen
.
Was heisst das versicherungstechnisch?
Als Wagnis gilt jede Handlung, mit der man sich einer besonders grossen Gefahr aussetzt, ohne Vorsichtsmassnahmen zu berücksichtigen, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass begrenzen würden. Die Folge: Die Unfallversicherung kann ihre Geldleistungen wie etwa ein Taggeld oder eine Invalidenrente um 50 Prozent kürzen oder – in besonders schweren Fällen – ganz verweigern, etwa bei einer schweren Tour im Alleingang
, bei schlechtem Wetter oder hoher Lawinengefahr und trotz Mahnung durch erfahrene Skitourenführer. Die Heilungskosten werden hingegen voll übernommen.
Kann eigentlich jede und jeder auf die Piste?
Grundsätzlich ja. Aber die FIS-Regel Nummer 2 sagt: «Jeder Skifahrer und Snowboarder muss […] seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anpassen.»
Wie berechnet sich das Gefälle der Piste?
Höhendifferenz (Y-Achse) geteilt durch horizontale Distanz (X-Achse) mal 100. Das Gefälle wird in Prozent angegeben. Der «Lange Zug» in Lech Zürs am Arlberg ist eine der steilsten präparierten Piste der Welt.
Gilt auf der Piste eine Ausweispflicht?
Jeder Ski- oder Snowboardfahrer, der Zeuge oder Betroffener eines Unfalls wird, muss die Personalien angeben. So sehen es die FIS-Verhaltensregeln vor. Damit soll die Ermittlung des Unfallhergangs erleichtert werden.
Hat man Anrecht auf ein Schmerzensgeld, wenn man auf der Piste angefahren wird und sich dabei die Schulter prellt?
Nein. Eine geprellte Schulter ist zwar schmerzhaft, gilt aber im juristischen Sinne bloss als geringfügige gesundheitliche Beeinträchtigung. Schmerzensgeld
respektive eine Genugtuung kann bei einer Verletzung gefordert werden, die bleibende Folgen hat, das Leben bedroht, einen längeren Spitalaufenthalt nötig macht oder eine längere Arbeitsunfähigkeit bedeutet.
Falls der Unfallverursacher ein Verschulden hat, kann man aber Schadenersatz für seine finanziellen Einbussen verlangen. Dazu gehören zum Beispiel Arztkosten.
So oder so: Schwindelerregend hohe Schmerzensgelder, wie man sie in den USA kennt, gibt es in der Schweiz nicht. Die Genugtuung muss angemessen sein, soll also weder lächerlich tief sein noch reich machen.
(Katrin Reichmuth)
Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten: www.skus.ch (mit FIS-Regeln, Richtlinien für Snowboarder und Skifahrer sowie rechtlichen Entscheiden im Schneesport)
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