Zum Schlichter statt zum Richter
Ombudsstellen können keine Urteile fällen, sondern nur vermitteln. Die Recherchen des Beobachters zeigen aber: In den meisten Branchen sind sie ein Erfolgsmodell.
Veröffentlicht am 31. Januar 2011 - 09:04 Uhr
Plötzlich sprach Hanspeter Häni Klartext: «Einzelne Banken treten das Vertrauen ihrer Kunden mit Füssen.» Damit meinte der Bankenombudsmann vor allem die Credit Suisse und die UBS. Dabei drückt Häni sich in der Regel sehr diplomatisch aus – das hat er während seiner siebenjährigen Tätigkeit in der Bankiervereinigung gelernt. Doch seit Beginn der Finanzkrise ist es mit seiner Zurückhaltung vorbei – und so kam es bei der Präsentation des Jahresberichts im Juli 2009 zu solch deutlichen Worten.
Anders als andere hatten die beiden Grossbanken nicht die Grösse, Fehler bei der Beratung in Sachen Lehman-Brothers-Papieren und anderen Sparprodukten zuzugeben und sich bei den Kunden zu entschuldigen. Statt die vom Ombudsmann vorgeschlagenen Entschädigungen zu zahlen, speisten sie ihre geprellten Kunden mit Pauschallösungen ab. «Damit schadeten diese Banken der gesamten Branche», hält der 60-jährige Basler im Gespräch mit dem Beobachter jetzt fest. Kein Wunder, war der Bankenombudsmann verärgert. Die sture Haltung der Grossbanken wirkte sich negativ auf seine Vermittlungstätigkeit aus. Normalerweise akzeptieren die Banken Hänis Vorschläge in neun von zehn Fällen. Im Jahr 2009 sank diese Quote auf 73 Prozent.
Hänis Kritik blieb nicht ungehört. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) schlägt nun vor, die Kompetenzen des Bankenombudsmanns zu erweitern. Statt nur zu vermitteln, soll er neu die Möglichkeit haben, bei Streitigkeiten zu entscheiden. Etwas, was zum Beispiel der Ombudsmann der privaten Banken in Deutschland heute schon darf – allerdings nur bei Streitsummen bis zu 5000 Euro.
Eine solche Kompetenzerweiterung würde das Verfahren aber komplizierter machen. Kann Hanspeter Häni heute frei entscheiden, wie er in einem Beschwerdefall vorgehen möchte, muss sich sein deutscher Kollege nach einer elfseitigen Verfahrensordnung richten. «Es gibt gute Gründe für und gegen die Entscheidkompetenz», meint Häni deshalb. Mehr will er im Moment nicht sagen, weil die Vernehmlassungsfrist noch läuft.
Der Finma-Vorschlag widerspricht eigentlich dem Wesen von Ombudsstellen. Sie sollen keine Urteile fällen, sondern lediglich zwischen den Parteien vermitteln. Gemäss einer Umfrage des Beobachters bei 14 Ombudsstellen, die sich mit Konsumentenfragen befassen, tun sie das schon heute nur, wenn eine oder mehrere Vorbedingungen erfüllt sind.
In einer ersten Phase müssen sich die Parteien selber um eine einvernehmliche Lösung bemühen. Erst wenn der Einigungsversuch gescheitert ist, können sie sich an die zuständige Beschwerdestelle wenden. Sobald jedoch ein Verfahren an einem Gericht hängig ist, behandeln die angefragten Beschwerdestellen den Fall nicht mehr. Einzige Ausnahme: die Schlichtungsstellen des Autogewerbeverbands der Schweiz.
Eine weitere Hürde haben der Ombudsmann der Reisebranche und sein Kollege von den Privatversicherungen eingebaut. Sie lehnen die Vermittlung auch dann ab, wenn ein Anwalt oder eine Rechtsschutzversicherung involviert ist. Muriel Uebelhart vom Konsumentenforum kritisiert diese Praxis: «Das führt zu einer Zweiklassengesellschaft. Eine Ombudsstelle sollte allen offenstehen, mit oder ohne Anwalt.»
Etwas seltsam ist die Regel des Ombudsmanns Krankenversicherung: Ist der Versicherte bei einer Rechtsschutzversicherung versichert und teilt er das dem Ombudsmann dummerweise auch noch mit, verweigert dieser ihm die Unterstützung. Diese Haltung mag mit der Zahl der Anfragen zusammenhängen. Der Krankenversicherungs-Ombudsmann, Rudolf Luginbühl, musste letztes Jahr über 6000 Anfragen bewältigen. Das sind viele, verglichen zum Beispiel mit der Beschwerdestelle des Optikverbands, die rund ein Dutzend Fälle zu behandeln hatte.
Das Verfahren ist meist gratis. Nur drei Ombudsstellen verlangen eine Gebühr. Am teuersten sind die zahnärztlichen Begutachtungskommissionen der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft: Die Kosten betragen je nach Aufwand bis zu 1000 Franken.
Eine spezielle Regel kennt die Ombudscom, die zwischen Telekommunikationsfirmen und ihren Kunden vermittelt. Die Anbieter müssen die Gebühr von bis zu 3000 Franken übernehmen, auch wenn sie im Recht sein sollten. Deshalb scheuen viele Telekommunikationsanbieter die Auseinandersetzung mit der Ombudscom und sind schneller bereit, auf Vorschläge der Kunden einzugehen.
Die Umfrage des Beobachters zeigt: Ombudsstellen sind ein Erfolgsmodell. Wenn eine Beschwerdestelle zum Schluss kommt, das Anliegen eines Betroffenen sei berechtigt, interveniert sie – in den meisten Fällen mit Erfolg: Die Vorschläge der Ombudsstellen werden meistens akzeptiert. Von den 14 angefragten Ombudsfrauen und -männern weisen 10 eine Erfolgsquote von 90 und mehr Prozent aus.
Bei den andern Beschwerdestellen liegt die Quote nur wenig tiefer. Das hat Gründe. Zum Beispiel sind Cornelia Füeg von der Ombudsstelle öffentlicher Verkehr die Hände gebunden, wenn jemand ohne gültigen Fahrausweis unterwegs ist und bereits eine Reduktion des Zuschlags vom Transportunternehmen erhalten hat. «Hier verfolgen die Unternehmen in letzter Zeit eine Nulltoleranzpolitik», sagt Füeg. Das schlage sich in einer Erfolgsquote von nur 80 Prozent nieder.
Rudolf Luginbühl, Ombudsmann Krankenversicherung, begründet die 20 Prozent Misserfolge seiner Interventionen mit einer Eigenheit im Sozialversicherungswesen: Gerichtsverfahren vor der ersten Instanz sind kostenfrei – was Versicherer zum Prozessieren einlädt. «Die Versicherer setzen sich intensiv mit der Gerichtspraxis auseinander und versuchen, sie mit Prozessen zu beeinflussen. Wir können somit Prozesse nicht immer vermeiden, obwohl wir das anstreben», sagt Luginbühl.
Bankenombudsmann Häni ist inzwischen wieder auf Erfolgskurs. Die letzten CS- und UBS-Dossiers hat er abgetragen. Seine Vermittlungsvorschläge werden wieder zu über 90 Prozent akzeptiert. Ende gut, alles gut? «Warten wir die nächste Finanzkrise ab», sagt Hanspeter Häni.
Wo beschwert man sich über Behörden?
Die staatlichen Ombudsstellen sind in der Schweiz noch dünn gesät. An unabhängiger Stelle beschweren kann man sich erst in den Kantonen Zürich, Baselland, Basel-Stadt, Zug und Waadt sowie in den Städten Bern, Rapperswil, St. Gallen, Winterthur und Zürich. Die Adressen finden Sie unter www.ombudsman-ch.ch
Branchenombudsstellen
- Ombudsstelle für das Alter
- Schlichtungsstellen des Autogewerbeverbands der Schweiz
- Schweizerischer Bankenombudsman
- Ombudsstelle E-Commerce
- Ombudsstelle Hörgeräte
- Ombudsstelle der Schweizerischen Hotellerie
- Ombudsman Krankenversicherung
- Ombudsstelle öffentlicher Verkehr
- Schlichtungsstelle Schweizer Optikverband (SOV)
- Regulierungsbehörde im Postmarkt
- Ombudsman Privatversicherungen und Suva
- Ombudsstelle des Schweizer Radio und Fernsehen SRF
- Ombudsman der Schweizer Reisebranche
- Ombudscom - Schlichtungsstelle der Telekombranche