Risiken und Vorteile von Twint
Fast zwei Millionen Schweizerinnen und Schweizer nutzen mittlerweile Twint – doppelt so viele wie noch vor einem Jahr. Doch wie sicher ist das Bezahlen mit dem Handy?
Veröffentlicht am 27. Dezember 2019 - 11:30 Uhr
«Kann ich dir das Geld twinten?» Damit hätte vor zwei Jahren noch niemand etwas anfangen können, mittlerweile ist diese Frage vor allem unter Jungen alltäglich. Die Zahlapp Twint hat in diesem Jahr Fahrt aufgenommen: Seit Anfang 2019 haben sich die Nutzerzahlen laut eigenen Angaben von einer auf 1,9 Millionen fast verdoppelt und die Anzahl der Transaktionen hat sich vervierfacht.
Monatlich werden fünf Millionen Transaktionen über Twint gemacht; 58 Prozent von Nutzern an Verkäufer, 42 Prozent werden «Peer-to-Peer» unter den Nutzerinnen getätigt. Diese «Geld senden und anfordern»-Funktion ist laut Victor Schmid, Medienbeauftragter von Twint, ein Grund für den Erfolg: «Wenn vier Kollegen die Rechnung eines Nachtessens aufteilen wollen, aber nur zwei davon auf Twint sind, werden diese die anderen zwei überzeugen, Twint zu installieren.» Daher kämen täglich immer noch rund 3000 neue User dazu.
Twint hat einen geschätzten Anteil von 70 bis 80 Prozent an allen Smartphone-Zahlungen in der Schweiz. Über alle Zahlungsmittel gesehen, relativiert sich der Erfolg: Eine Comparis-Befragung zeigt, dass nur für 2,3 Prozent der Schweizer Bevölkerung das Smartphone das bevorzugte Zahlungsmittel ist. Doch die Akzeptanz steigt, letztes Jahr waren es noch 1,2 Prozent. 2019 ist erstmals nicht mehr das Bargeld, sondern die Debitkarte das beliebteste Zahlungsmittel der Schweizer. Diese ist sogleich die grösste Konkurrenz des mobilen Bezahlens, da sie ebenfalls kontaktlos und gebührenfrei eingesetzt werden kann.
Vorteile Twint gegenüber Debitkarte
- Geld schicken unter Freunden
- Handy und Portemonnaie in einem
- Online bezahlen ohne Eingeben von persönlichen Zahlungsinformationen
Nachteile Twint gegenüber Debitkarte
- Nur in Schweizer Läden möglich
- Wenn man zum Zahlen einen QR-Code scannen muss, ist eine Mobilfunkverbindung nötig
2018 nutzten 47 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer mobile Zahlmöglichkeiten. Drei Viertel der Befragten befürchten jedoch, dass mobiles Bezahlen weniger sicher ist als herkömmliche Zahlungsmittel, zum Beispiel wenn das Handy gestohlen wird. Victor Schmid sagt dazu: «Twint muss beim Öffnen durch einen Code oder durch Gesichts- oder Fingerabdruckerkennung bestätigt werden und das System arbeitet gemäss den Sicherheitsstandards der Schweizer Banken.» Missbrauchsfälle habe Twint bisher keine zu verzeichnen.
«Betrug ist einfacher geworden.»
Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Bereich
Martin Steiger hingegen schon. Sowohl als Anwalt für Recht im digitalen Bereich als auch als Sprecher der Digitalen Gesellschaft Schweiz hat er vor allem mit zwei Arten von Betrug zu tun: «Entweder hat sich der Nutzer eine Schadsoftware, meist einen sogenannten Trojaner, eingefangen oder er wurde mit Phishing oder von Telefonbetrügern
überredet, Zugangsdaten herauszugeben.» Diese Arten von Betrug seien mit der Digitalisierung einfacher geworden, gleichzeitig wurde das Smartphone immer wertvoller durch den Zugriff auf persönliche Daten und Geld – zwei begehrte Dinge.
Auf den Schutz der Anbieter von mobilem Bezahlen könne sich der Konsument nicht verlassen. «Die Anbieter wälzen die gesamte Verantwortung für die Sicherheit auf die Kunden ab», sagt Steiger. Tatsächlich haftet Twint im Falle eines Betruges nur bis 5'000 Franken und dies auch nur, wenn der Kunde beweisen kann, dass er alle Sorgfaltspflichten erfüllt hat. «Daraus schliesse ich, dass die Anbieter selbst nicht von ihren Sicherheitssystemen überzeugt sind, sonst müssten sie nicht die Verantwortung ablehnen.»
Auch die Daten sind nicht so gut geschützt, wie Twint anpreist: Sie werden von Google Analytics verwendet. Dies kann die Nutzerin in den Einstellungen zwar ausschalten, doch viele wissen das nicht. «Twint findet es eine faire Lösung, den Kunden darüber entscheiden zu lassen, ob seine Daten für Werbung analysiert werden oder nicht», sagt Medienbeauftragter Schmid. «Wer sich um seinen Datenschutz sorgt, verwendet am besten Bargeld», sagt Steiger.
Was Gelddiebstahl betrifft, seien mobile Lösungen jedoch sicherer als physische Kredit- und Debitkarten.
Nur mit dem Smartphone zu zahlen, ist derzeit noch risikobehaftet, da es immer wieder zu Störungen kommt, bei denen man ein alternatives Zahlungsmittel zur Hand haben muss. Am Morgen des «Black Friday» zum Beispiel war die Nutzung von Twint nur sehr eingeschränkt möglich und einige Onlinehändler entfernten Twint kurzfristig gar als Zahlungsoption. Die Abwicklung beim ausführenden Unternehmen Datatrans habe nicht funktioniert.
Da Twint für die Nutzerinnen und Nutzer gratis ist, muss der Händler die Gebühren bezahlen. Diese sind zwar tiefer als bei Kreditkarten, aber höher als jene von Debitkarten. «Der Einsatz von Twint ist vor allem im Online-Shopping interessant, da die Schweizer in diesem Bereich beim Einsatz der Kreditkarte noch immer zurückhaltend sind», sagt Dagmar Jenni, Geschäftsführerin des Detailhandelverbandes Swiss Retail Federation. Trotz dem bisher kleinen Anteil von mobilen Transaktionen ist Jenni überzeugt, dass mobiles Bezahlen in Zukunft wichtig wird: «Wir gehen davon aus, dass das Smartphone beim Einkaufen massiv an Bedeutung gewinnen wird und somit auch bei der Zahlungsabwicklung.»
Der Trend zum bargeldlosen Zahlen setzt sich je nach Branche unterschiedlich schnell durch. Zum Beispiel wird Twint von 800 Hofläden in der Schweiz genutzt, bei denen man mit dem Smartphone zahlen kann. Auf den Höfen können so Kassendiebstähle vermieden werden. Auch 100’000 Parkplätze können mit Twint bezahlt werden, dabei wird im Gegensatz zum Münzeinwurf nur die effektiv genutzte Parkzeit belastet.
In China, den USA und auch nordeuropäischen Ländern gehört das Handy als Zahlungsmittel bereits fest zum Alltag. In China akzeptieren sogar Bettler auf den Strassen Geld übers Handy. Damit die chinesischen Touristen in der Schweiz mit ihrem Smartphone bezahlen können, ist Twint dieses Jahr eine Kooperation mit der chinesischen Kommunikations- und Bezahlapp «WeChat» eingegangen, – laut Touristikern ein grosses Bedürfnis der asiatischen Touristen.
Umgekehrt kann mit Twint bisher nur innerhalb der Schweiz bezahlt werden. Diesen Herbst haben sich sieben unabhängige mobile Zahllösungen europäischer Länder zusammengeschlossen, um die Nutzung über die Landesgrenzen hinaus möglich zu machen. Sie wollen sich zusammen gegen die aufkommende Konkurrenz der Techgiganten wappnen: Apple Pay, Google Pay, Samsung Pay und Alipay sind aus den USA und China auf dem Vormarsch.
- Überlegen Sie sich, was für einen Anbieter Sie wählen. Es gibt durchaus Unterschiede. Dafür lesen Sie am besten die AGB und die Datenschutzerklärung, dann wissen Sie, auf was Sie sich einlassen.
- Kontrollieren Sie Ihre Abrechnungen.
- Halten Sie Ihre Geräte und Apps stets aktualisiert und aktivieren Sie Zwei-Faktor-Authentisierung.
- Verwenden Sie ein Passwort anstatt nur Zahlen, das erschwert Hackern den Zugriff.
- Ein Diebstahl des Gerätes müssen Sie sofort Twint und Ihrer Bank melden.
Diese fünf Tipps stammen von Rechtsanwalt Martin Steiger.
2 Kommentare
Mit einzubeziehen ist dabei auch die Tatsache, dass es NICHT auf ewig Energie geben wird.....!
Ohne Energie - kein "Online-Banking", etc!
Dazu muss unbedingt die Tatsache miteinbezogen werden, dass es - solange es den "Homo sapiens" noch gibt -, es jung und alt gibt, welche unterschiedliche Bedürfnisse und Möglichkeiten, Können haben werden!
Daher ist der Erhalt des Bargeld-Verkehr's wichtig!
Was die wenigsten wissen: nach Chf 5000.- Twinten ist Schluss. Ich benutzte Twint sehr oft. Leider zu oft. Sobald der Geld-Transfer zwischen natürlichen Personen die Limit von 5000.- pro Kalenderjahr(!) erreicht wird, werden alle Zahlungen (ein- und Ausgänge!) blockiert. Warum weiß der Teufel. ...steht zwar so in den Agb, macht aber (für mich) Twint unbrauchbar.