Auf Trüffeljagd im Stadtpark
Gauner fälschen sie, Pestizide machen ihr den Garaus, und Billigpilze aus China drängen sie vom Markt: Auch in der Schweiz gibt es Trüffel – an teils überraschenden Orten.
Veröffentlicht am 30. Oktober 2019 - 15:18 Uhr
Das Fellknäuel guckt ungeduldig und mit grossen Äuglein hoch. Dann das Kommando: «Suech s Trüffeli! Suech!» Emma schnüffelt und schnüffelt. Plötzlich scharrt sie. Trüffel gefunden! Und zwar nicht in Piemont oder im abgelegenen Wald, sondern im Park mitten in der Stadt Zürich. Ein paar Meter weiter spielen Jugendliche Fussball, auf der anderen Seite der Mauer ist der Friedhof. «Wir haben auch schon neben dem Globus welche gefunden», sagt Trüffelspezialist Thierry Garzotto, 52.
Für Laien mag es eigenartig klingen, aber die teuersten Speisepilze der Welt findet man tatsächlich überall – solange die Böden kalkhaltig sind und darauf Laubbäume wachsen. Mit Letzteren geht der Edelpilz eine Symbiose ein, deshalb ist er stets in der Nähe der Wurzeln zu finden.
Mit einem kleinen Spaten gräbt Garzotto die dunkle Knolle aus, sie befindet sich nur knapp unter der Oberfläche. Trüffelhündin Emma, eine Lagotto Romagnolo, wartet geduldig auf ihre Belohnung. «Wegen der intensiven Landwirtschaft und der Pflanzenschutzmittel hat der Bestand an Trüffeln auf dem Land in den letzten Jahrzehnten massiv abgenommen», sagt Garzotto. In städtischen Parkanlagen hingegen seien die Böden gesund. Jedes Loch schüttet er vorsichtig wieder zu, denn sonst geht das Myzel kaputt. Das feine, weisse unterirdische Gewebe ist der eigentliche Pilz
, die Trüffel lediglich der Fruchtkörper.
«Wegen der intensiven Landwirtschaft und der Pflanzenschutzmittel hat der Bestand an Trüffeln auf dem Land in den letzten Jahrzehnten massiv abgenommen.»
Thierry Garzotto, Architekt und Trüffelspezialist
Der Architekt hat sich mit der Trüffeljagd ein zweites Standbein aufgebaut. Samstags betreibt er einen kleinen Stand vor der Zürcher Einkaufsstrasse Viadukt. Demnächst bringt er ein Buch mit Rezepten heraus. «Trüffeln sind unglaublich faszinierend», schwärmt er. In der Renaissance habe man nicht mit Geld bestochen, sondern mit Trüffeln. Aber weil sie so teuer sind, sind sie auch attraktiv für Fälscher. «Wenn es um Trüffeln geht, wird oft betrogen», so Garzotto. Sie würden etwa mit Chemikalien gebleicht und mit Schleifpapier behandelt, um wie die Weisse Trüffel aus Piemont auszusehen, die wertvollste Knolle. Oder es werden einem billige chinesische
Trüffeln untergejubelt.
Seit es synthetisches Trüffelaroma gibt, führt jeder Detailhändler ein Trüffelöl, auch in der Gastronomie kommt es vielfach zum Einsatz. «Auf einmal kamen Trüffelprodukte auf den Markt, die man unmöglich mit echter Trüffel in Verbindung bringen kann. Zum Beispiel Trüffelfondue. Das geht aber gar nicht – der Hartkäse würde den Geschmack von echtem Trüffel total übertönen», so Garzotto. Das penetrante Trüffelöl hingegen funktioniere nach dem «Faustschlagprinzip», wie er es nennt. Nur drei Prozent Trüffeln muss enthalten, was als Trüffelprodukt verkauft werden darf. Das führe dazu, dass drei Prozent Chinatrüffeln beigemischt würden, der Rest sei meist Öl mit synthetischem Aroma. Nur wenn die Trüffelprodukte mit dem lateinischen Namen gekennzeichnet sind, etwa «Tuber aestivum», ist garantiert, dass wirklich die entsprechende Trüffel drin ist.
Unterdessen sind beide Taschen an Garzottos Jacke prall gefüllt. Die Bilanz des Spaziergangs: 33 Trüffeln, 660 Gramm und rund 540 Franken Verkaufswert. Erstaunlicherweise ist das aber nur eine durchschnittliche Ausbeute. «Emma hat schon 860 Gramm an einem Tag gefunden!», erzählt Thierry Garzotto. Doch er muss stets auf der Hut sein: Wenn er ihr den Rücken kehrt, kommt es schon mal vor, dass sie sich die Delikatesse einfach selber schnappt.
Trüffeln lassen sich am besten mit einem Hund aufspüren, aber es geht – mit etwas geringeren Erfolgsaussichten – auch ohne: Trüffeln wachsen in der Nähe von Buchen und anderen Laubbäumen. Wenn der Boden bei den Wurzeln aussieht, als hätte es gebrannt, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Fundes. Denn das Myzel entzieht der Umgebung Nährstoffe.
Ein guter Indikator ist auch Efeu, der meist vorhanden ist, wenn sich Trüffeln eingenistet haben. Mit einem kleinen Loch im Boden kann man prüfen, ob das weisse Myzel vorhanden ist. Die Trüffeln sind meist bei den feineren Wurzeln zu finden, also nicht zu nahe beim Baumstamm. Wichtig: das Loch wieder zudecken, damit das Myzel weiter gedeiht.