Bevormundet wie einst Britney Spears?
13 Jahre lang stand die US-Sängerin Britney Spears unter Vormundschaft ihres Vaters. Sie durfte fast nichts mehr entscheiden. Kann das in der Schweiz auch passieren?
Veröffentlicht am 19. November 2021 - 17:18 Uhr
Ihr Leben selbst steuern – das möchten alle. Doch nicht alle können es. Wer geistig beeinträchtigt oder psychisch krank ist, dem kann die Kontrolle über sein Schicksal entzogen werden. Grundlage dafür ist das Erwachsenenschutzrecht.
Doch die Schweiz setzt hier klare Grenzen. Die Selbstbestimmung der betroffenen Person ist zentral und muss so weit wie möglich respektiert werden. Das führt nicht selten zu Spannungen. Warum kann man psychisch Kranke nicht in eine Klinik einweisen? Oder warum dürfen sie die Klinik schon nach einigen Tagen wieder verlassen? Viele verstehen das nicht.
Die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) muss in jedem Fall genau abklären, ob eine Massnahme nötig ist. Sinn und Zweck ist es, das Wohl der betroffenen Person zu schützen.
Wenn jemand zum Beispiel keine Rechnungen mehr bezahlt: Muss man diese Person bevormunden? Nein. Natürlich muss sie mit den Konsequenzen leben, zum Beispiel mit einer Lohnpfändung . Aber auch hier gilt das Recht auf Selbstbestimmung. Die Kesb darf nur eine Massnahme anordnen, wenn die Person wegen eines sogenannten Schwächezustands geschützt werden muss. Also etwa ihre Rechnungen nicht mehr bezahlt, weil sie wegen einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Erkrankung nicht mehr dazu in der Lage ist.
Bevor die Kesb eine Massnahme anordnen kann, muss sie zudem klären, ob die Unterstützung von Angehörigen oder anderen Personen aus dem Umfeld nicht ausreicht. Nur wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, darf die Kesb eine Massnahme anordnen – sie muss erforderlich, geeignet und massgeschneidert sein.
Die beiden wichtigsten Kesb-Massnahmen im Erwachsenenschutz sind: fürsorgerische Unterbringung in akuten Fällen und die Beistandschaft, die das Wohl der Person längerfristig sichert.
Was darf die Kesb alles?
Die Kesb kann eine Person in einer geeigneten Einrichtung unterbringen, wenn sie an einer psychischen Störung oder geistigen Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist. Auch gegen den Willen der Person. Voraussetzung ist, dass die Behandlung nicht mit einer weniger einschneidenden Massnahme erfolgen kann, etwa mit einer ambulanten Psychotherapie. Die Kesb darf eine fürsorgerische Unterbringung (FU) für maximal sechs Monate aussprechen. Auch Ärztinnen und Ärzte dürfen eine gefährdete Person per FU in eine geeignete Einrichtung einweisen – aber nur für maximal sechs Wochen.
Es gibt vier Formen der Beistandschaft . Die Kesb muss stets diejenige wählen, die den notwendigen Schutz gewährleistet, aber die betroffene Person am wenigsten einschränkt.
Begleitbeistandschaft:
Sie ist immer freiwillig, die betroffene Person muss zustimmen. Weil Britney Spears nicht durch ihren Vater vertreten werden wollte, hätte er gemäss Schweizer Recht nicht zu ihrem Begleitbeistand ernannt werden können.
Der Beistand kann hier die Person nur begleiten, aber nicht für sie Entscheidungen fällen. Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person ist nicht eingeschränkt.
Begleitbeistandschaften sind selten. Denn wer Unterstützung wünscht, kann sich dank Vollmachten
auch von Angehörigen helfen lassen. Oder durch die Gemeinde oder den Treuhanddienst der Pro Senectute. Das reicht in den meisten Fällen aus.
Vertretungsbeistandschaft:
Die Kesb kann sie errichten, wenn jemand bestimmte Dinge nicht selber erledigen kann. Die Beiständin kann auch Geschäfte im Namen der Person abschliessen – ohne deren Zustimmung. Allerdings nur wenn sie von der Kesb für dieses Geschäft ernannt worden ist. Die Kesb kann die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person einschränken, wenn das notwendig ist. Die mit Abstand häufigste Beistandschaft in der Schweiz ist die Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung.
Mitwirkungsbeistandschaft:
Sie wird errichtet, wenn jemand zum eigenen Schutz für bestimmte Handlungen die Zustimmung eines Beistands benötigt. Die Handlungsfähigkeit der Person wird entsprechend eingeschränkt.
Umfassende Beistandschaft:
Sie wird errichtet, wenn jemand dauernd urteilsunfähig und somit nicht handlungsfähig ist. Die umfassende Beistandschaft ist die einschneidendste Massnahme, man gilt als handlungsunfähig. Das entspricht wohl am ehesten dem, was Britney Spears erlebt hat. In der Schweiz hätte man für sie aber eher eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung gewählt.
- Die Kesb legt fest, ob eine Person Hilfe braucht und welche Massnahme notwendig ist. Sie kann also die Art der Beistandschaft verfügen und welche Aufgaben ein Beistand übernehmen muss.
- Der Beistand sorgt dafür, dass er die Aufgaben, die ihm die Kesb zugewiesen hat, im Interesse der hilfsbedürftigen Person ausführt. Eine Vertretungsbeiständin für die Vermögensverwaltung muss für die hilfsbedürftige Person eine Buchhaltung führen und diese der Kesb vorweisen. Die Kesb prüft dann, ob die Beiständin ihre Aufgaben auch wirklich korrekt ausgeführt hat.
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