Wann werden die Alimente angepasst?
Wenn sich im Leben von Geschiedenen etwas ändert, kann das Einfluss auf die Alimente haben. Unter diesen Umständen ist eine Anpassung möglich.
Veröffentlicht am 20. Dezember 2023 - 06:00 Uhr
«Nichts ist so beständig wie der Wandel», sagte schon der antike Philosoph Heraklit. Das gilt auch nach einer Scheidung. Da zieht die Ex-Frau, die Alimente bekommt, eines Tages mit einem neuen Partner zusammen. Oder man verliert die Stelle. Oder die Tochter erhält neu einen anständigen Lehrlingslohn. Man muss aber immer noch zahlen wie zuvor. Die grosse Frage: Kann man die Alimente herabsetzen lassen?
Eins ist klar: Alimente, die im Scheidungsurteil oder in einem Unterhaltsvertrag festgelegt wurden, darf man nicht eigenmächtig ändern. Sonst riskiert man eine Betreibung
. Die Alimente können aber
vom Gericht angepasst werden – wenn eine gütliche Einigung unter den Parteien nicht möglich ist. Voraussetzung dafür ist: Die Verhältnisse müssen sich «wesentlich, dauerhaft und nicht vorhersehbar» geändert haben. Und natürlich darf man die neuen Umstände nicht selber herbeigeführt haben. Wer also seinen gut bezahlten Job einfach kündigt, kann nicht damit rechnen, deswegen weniger Alimente für die Ex-Frau und die Kinder zahlen zu müssen.
Wann ist eine Änderung «wesentlich»?
Ob sich die finanziellen Verhältnisse wesentlich verändert haben, stellen die Gerichte anhand eines Vergleichs fest. Einkommen und Ausgaben der Ehegatten bei der Scheidung werden mit der jetzigen Situation verglichen. «Je nach Gericht reicht eine Veränderung bei den finanziellen Verhältnissen von fünf Prozent», erklärt Corinne Seeholzer, Fachanwältin für Familienrecht in Zug. Andere Gerichte verlangen mindestens zehn Prozent, wieder andere bei guten finanziellen Verhältnissen gar bis zu 20 Prozent.
Das Bundesgericht sagt dazu lediglich, dass es auf den Einzelfall ankommt: Je knapper die finanziellen Verhältnisse waren, als die Alimente festgelegt wurden, desto weniger gross muss die Veränderung sein, damit angepasst werden kann. Es lohnt sich, vorgängig beim zuständigen Gericht nach der geltenden Praxis zu fragen.
Wann ist eine Änderung «nicht vorhersehbar»?
Man muss nachweisen, dass man – als die Alimente festgelegt wurden – die künftige Entwicklung nicht kannte und somit auch nicht berücksichtigt hat. Das ist oft schwierig, weil das Gericht davon ausgeht, dass vorhersehbare Veränderungen berücksichtigt wurden.
Wer zum Beispiel weniger zahlen will, weil sein Kind eine Lehre begonnen hat und nun selbst Geld verdient, hat kaum Chancen. Denn dass ein Kind vermutlich eine Lehre macht, liegt auf der Hand. Die Folge: Das Gericht geht davon aus, dass das bei einer Abstufung der Alimente eingerechnet wurde. Nur wenn dokumentiert ist respektive im Urteil explizit steht, dass kein Lehrlingseinkommen bei den Alimenten berücksichtigt wurde, hat man eine Chance.
Hier hat man gute Chancen auf weniger Alimente
Eine hohe Wahrscheinlichkeit, weniger zahlen zu müssen, gibt es gemäss Anwältin Seeholzer in folgenden Fällen:
- Die alimentenpflichtige Seite bekommt ein weiteres Kind. Grund: Das Einkommen muss nun für eine weitere Person reichen.
- Das Kind zieht um . Zum Beispiel: Das Kind wohnte bisher bei der Mutter, der Vater zahlte Unterhalt, und nun zieht es zu ihm.
- Die alimentenberechtigte Seite zieht mit einem neuen Partner respektive einer neuen Partnerin zusammen. Die Gerichte nehmen dann meist an, dass sich die finanziellen Verhältnisse nach drei bis sechs Monaten des Zusammenlebens dauerhaft verändert haben. Der Mietzinsanteil des oder der Alimentenberechtigten muss danach aber auch tatsächlich tiefer sein. «Wenn wegen des Zusammenlebens nur die alltäglichen Ausgaben tiefer sind, ist das kaum hinreichend für eine wesentliche Veränderung der finanziellen Verhältnisse», sagt Seeholzer.
- Jobverlust. Falls das Ersatzeinkommen – in der Regel das Arbeitslosentaggeld – wesentlich tiefer ist als das bisherige Einkommen. Eine Herabsetzung kann man zudem erst drei bis sechs Monate nach dem Stellenverlust verlangen.
- Höherer Mietzins und allgemeine Teuerung. Wer – wie aktuell – wegen höheren Mietzinses und allgemein höherer Lebenshaltungskosten weniger zahlen will, hat einzig dann eine Chance, wenn das Existenzminimum nicht mehr gedeckt ist. Sonst gilt die Veränderung nicht als wesentlich, weil auch die Ausgaben der Gegenseite gestiegen sind.
- Die alimentenberechtigte Seite verdient mehr. Das ist dann relevant, wenn im Urteil klar festgehalten ist, dass man bei der Mutter zum Beispiel ab Schuleintritt des Kindes von einer 50-Prozent-Tätigkeit und einem Einkommen von 3000 Franken ausgeht und sie später 3500 Franken verdient, also wesentlich mehr. «Wenn jedoch keine konkreten Zahlen festgehalten sind, sondern die Alimente einfach vergleichsweise abgestuft wurden, wird es schwierig, einen wesentlichen Mehrverdienst zu beweisen», so Seeholzer.
Zahlen im Urteil oder in der Konvention helfen
Wichtig ist daher, dass bei der Scheidung genau festgehalten wird, wovon man ausgeht. Denn die Abänderung ist nichts anderes als eine Aktualisierung der damaligen Ausgangslage. In einem Scheidungsurteil sind die Grundlagen aufgeführt. Das heisst: Einkommen, Ausgaben und Annahmen, von denen das Gericht ausgegangen ist.
«Gerichtliche Scheidungsurteile sind deshalb einfacher abzuändern als einvernehmliche Scheidungen, die auf einer Konvention oder einem Vergleich vor Gericht beruhen», sagt Expertin Seeholzer. Bei Letzteren sind die Grundlagen meist unklar: Man hat sich einfach geeinigt, ohne die einzelnen Faktoren genau zu kennen, die für die Höhe des Unterhalts relevant sind. Die Folge: Es fehlt an einer Vergleichsgrösse, an der gemessen werden könnte, ob eine wesentliche Veränderung eingetreten ist. «Das Risiko ist gross, dass das Gericht zum Schluss kommt, dass eine Anpassung der Unterhaltsbeiträge gar nicht möglich ist, da man zum Zeitpunkt der Scheidung die heute eingetroffenen Veränderungen bereits berücksichtigt hat.»
Neues Recht, neue Rechtsprechung
In Abänderungsverfahren stellt sich schliesslich auch immer die Frage, ob nur die damaligen Einkommens- und Ausgabenzahlen aktualisiert werden, oder ob beispielsweise seither ergangene neue Rechtsprechung – etwa der Wechsel zum Schulstufenmodell – oder neues Recht ebenfalls berücksichtigt wird. «Auch das ist von Gericht zu Gericht unterschiedlich», sagt Rechtsanwältin Seeholzer. Was aber überall gleich ist: Wenn nur die Rechtsprechung oder das Recht anders ist, die finanziellen Verhältnisse sich aber nicht wesentlich, dauerhaft und unvorhergesehen verändert haben, reicht das nicht für eine Abänderung.
Gerichtliche Abänderungsverfahren sind also voller Unsicherheiten. Darum ist es klar am besten, wenn man sich einigen kann. Andernfalls lohnt es sich, die Chancen einer Klage von einer Fachperson abklären zu lassen. Sonst riskiert man, Tausende Franken zu verlieren für ein aussichtsloses Verfahren.
Sind Eltern verpflichtet, bis zu einer festen Altersgrenze für den Unterhalt der Kinder zu sorgen? Welche Unterstützung leisten der Bund und die Kantone? Wie sollen sich Lernende an den Haushaltskosten beteiligen? Auf diese und andere Fragen zur Unterhaltspflicht von Eltern geht der Beobachter für seine Mitglieder ein.
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