Wer erbt was?
Warum ein Testament nicht unbedingt bindend ist – und andere Fakten rund ums Erben.
aktualisiert am 28. Dezember 2022 - 14:54 Uhr durch Karin von Flüe und Cornelia Döbeli
Wenn der Partner, die Mutter oder der Bruder stirbt, ist nicht nur die Trauer gross. Auf die Nächsten des Verstorbenen warten auch Dutzende von Aufgaben, die schnell erledigt sein wollen.
Innert zwei Tagen muss der Todesfall beim Zivilstands- oder Bestattungsamt gemeldet werden. Weiter gilt es, die Bestattung zu organisieren, Leidzirkulare und Todesanzeigen zu verschicken. Und neben Familie und Freunden muss man auch die AHV, die Pensionskasse, Versicherungen, Krankenkasse und einen allfälligen Wohnungsvermieter informieren (siehe Merkblatt «Tod des Mieters - müssen Erben die Wohnung kündigen?», exklusiv für Beobachter-Abonnenten).
Da tut es gut zu wissen: Über das Erbe muss man sich erst einmal keine Gedanken machen. Nur in einem Fall eilt es – dann nämlich, wenn einer der Erben befürchtet, dass wertvolle Gegenstände oder Geld verschwinden könnten.
In diesem Fall fragt man bei der Wohngemeinde des Verstorbenen an, bei welcher Behörde man eine sogenannte Siegelung und ein Sicherungsinventar veranlassen kann. Dann wird der Nachlass – das gesamte Vermögen des Verstorbenen, nicht aber die Schulden – zusammengestellt.
Üblicherweise fragt aber niemand nach, die Erben müssen sich nirgends melden. Eine Ausnahme bilden einige Kantone, etwa Basel-Stadt, wo das Erbschaftsamt aufgrund der kantonalen Gesetzgebung von sich aus eine aktuelle Auflistung des Hab und Guts des Verstorbenen macht.
Ein öffentliches, von einer Behörde erstelltes Inventar können die Erben auch von sich aus beantragen – bis einen Monat nach dem Todesfall. Das ist dann sinnvoll, wenn man unsicher ist, ob man den Nachlass annehmen will.
Ein Grund hierfür wäre, dass sich beim Verstorbenen Schulden angehäuft haben . Denn tritt man ein Erbe an, haftet man von Gesetzes wegen auch für nicht beglichene Rechnungen.
Um das zu verhindern, besteht die Möglichkeit, ein Erbe auszuschlagen (siehe Musterbrief mit einer Ausschlagungserklärung). Mit einem öffentlichen Inventar klären die Behörden die aktuelle finanzielle Lage und suchen mit einem Aufruf im Amtsblatt nach Personen, die Geld vom Verstorbenen zugut haben.
Grundsätzlich ist das Aufteilen des Erbes in der Schweiz aber Privatsache: Wer wann wie viel bekommt, kann die Erbengemeinschaft allein ausmachen. Es gibt zwar gesetzliche Vorgaben – aber an sie braucht man sich nicht zu halten, wenn sich alle einig sind.
Das Gleiche gilt, wenn ein Testament oder ein Erbvertrag vorhanden ist. Solange alle einverstanden sind, können die Erben mit ihren Anteilen tun, was sie wollen.
Ein Testament ist gültig, wenn es öffentlich beurkundet oder handschriftlich verfasst ist und mit Datum und Unterschrift versehen. Die Erben müssen es, sobald sie es finden, einreichen.
Welches Amt zuständig ist, erfährt man meist im Internet oder auf der Wohngemeinde des Verstorbenen. Die zuständige Behörde informiert dann alle im Dokument berücksichtigten Personen, indem sie das Testament offiziell eröffnet.
Ob mit oder ohne Testament: Die Hinterbliebenen müssen nicht aktiv eine Erbengemeinschaft gründen. Diese entsteht automatisch und umfasst alle Personen, die von Gesetzes wegen oder aufgrund des Testaments erbberechtigt sind.
Wenn allerdings niemand aus der Erbengemeinschaft den ersten Schritt macht und seinen Anteil fordert, passiert nichts. Organisiert also keines der Geschwister ein Treffen, bleibt das Vermögen der verstorbenen Schwester unangetastet. Wenn die Witwe mit den Stiefkindern nach dem Tod des Vaters nicht übers Erbe reden will, muss sie nicht aktiv werden.
Geteilt wird erst, wenn es der Erste aus der Erbengemeinschaft verlangt. Das kann Jahre oder Jahrzehnte dauern. Laut Karin von Flüe vom Beobachter-Beratungszentrum kommt das immer wieder vor: «Etwa wenn die Kinder finden, sie benötigten ihren Anteil im Moment nicht, die Mutter solle vorerst weiter von dem Geld leben, spricht nichts gegen eine solche Lösung.»
Geschwister können zugunsten ihres Bruders oder ihrer Schwester auf ihren Anteil am Elternhaus verzichten, weil sie selbst schon ein Haus besitzen. Kunstgegenstände können nach Gefallen statt nach Wert untereinander verteilt werden.
Wie hoch ist der gesetzliche Erbanteil der Kinder oder des (Ehe-)partners? Kann man diesen mit dem Pflichtteil weiter begrenzen? Testen Sie den Erbrechner des Beobachters und finden Sie es anhand Ihrer Lebens- und Familiensituation heraus.
Damit das Erbe aufgeteilt werden kann, müssen sich die Erben allerdings einig sein – und zwar alle. Das klappt in den meisten Fällen gut. Doch: «Sobald Liegenschaften ins Spiel kommen oder Patchworkfamilien involviert sind, wird die Sache komplizierter», sagt Beobachter-Expertin Karin von Flüe. Besonders wenn weder ein Erbvertrag noch ein Testament vorliegt.
In solchen Fällen sei es oft nötig, sich externe Hilfe zu holen. «Im Idealfall sucht man gemeinsam einen Erbrechtsexperten und vereinbart, dessen Einschätzungen zu akzeptieren», so von Flüe.
Es lohnt sich, sich zusammenzuraufen und Uneinigkeiten nicht eskalieren zu lassen: Nicht nur, weil ein Krach nach einem Todesfall besonders an der Energie zehrt, sondern auch finanziell. Denn in der Regel ist eine Erbteilungsklage mit hohen Kosten verbunden .
Ein Erbe teilen zu müssen, kann unter Umständen zu Unstimmigkeiten führen. Doch jede Teilungshandlung braucht Einstimmigkeit. Beobachter-Mitglieder erfahren, wie sie innerhalb der Erbengemeinschaft eine gütliche Lösung finden können und welche Teilungsregeln beim Erben gelten.
- 1Teilungsregeln beim Erben
- 2Verzicht auf den Erbteil zugunsten des verwitweten Elternteils
- 3Schenkungen und Erbvorzüge ausgleichen
- 4Erbteil abtreten oder verkaufen
- 5Testament des Erblassers verletzt Pflichtteile
- 6Neue Pflichtteile mit der Erbrechtsrevision
- 7Mediation bei streitenden Erben
- 8Wert einer geerbten Liegenschaft
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