Aufsicht zeigt Krankenkassen-Vermittler an
Seit September 2024 ist es verboten, potenzielle Kunden aus heiterem Himmel anzurufen. Das wirkt: Die Finma hat bereits Strafanzeigen eingereicht, zeigt der Beobachter.
Veröffentlicht am 4. Dezember 2024 - 10:35 Uhr
Es ist ein Karussell, das jeden Herbst wieder dreht: Die Prämie von Krankenkasse A steigt, Musterkundin Helena Meier informiert sich, wo sie weniger zahlt, und wechselt zur derzeit günstigsten Versicherung B.
Seit September: Einschränkung von Telefonakquise
Weil es ihr viele Kunden gleichtun, riskiert Krankenkasse A tiefere Erträge und ergreift Gegenmassnahmen – etwa indem sie potenzielle Kundinnen und Kunden direkt anruft.
Doch seit Anfang September 2024 ist es den Kassen verboten, Personen unvermittelt zu kontaktieren, zu denen seit mindestens drei Jahren keine Kundenbeziehung mehr besteht oder eine solche gar nie bestanden hat. Erhält ein Konsument dennoch solche Anrufe, kann er die Firma bei der Aufsichtsbehörde Finma (Finanzmarktaufsicht) melden.
Hält sich eine Firma nicht ans Kaltakquiseverbot, droht eine happige Strafe.
Die Aufsichtsbehörde ist neu auch zuständig für Sanktionen: Bis zu 100’000 Franken Strafe droht Versicherungen und unabhängigen Versicherungsvermittlern, wenn sie sich nicht an das sogenannte Kaltakquiseverbot halten.
«Die angedrohte Strafe nützt nichts, wenn keine Stelle die Verfehlungen überprüft.»
Branchenkenner
Doch Branchenkenner waren im Vorfeld skeptisch. «Die angedrohte Strafe nützt nichts, wenn es keine institutionalisierte Stelle gibt, die Verfehlungen systematisch erfasst und überprüft, so dass sie in Strafverfahren münden», sagte einer von ihnen Ende September zum Beobachter.
Nun aber zeigt sich: Die Finma ist rasch aktiv geworden. Wie Finma-Sprecher Serkan Isik gegenüber dem Beobachter sagt, laufen derzeit über 100 Abklärungen wegen mutmasslichen Fehlverhaltens von Versicherungsvermittlern. Und es wurden 350 Personen untersucht, die unerlaubt als Vermittler tätig waren.
Die Finma hat mehrere Strafanzeigen eingereicht.
Kann die Finma die erhobenen Vorwürfe belegen, ergreift sie unverzüglich Massnahmen: So kann sie einen sofortigen Stopp der missbräuchlichen Tätigkeit verfügen, dem Vermittler die Tätigkeitsbewilligung entziehen oder gar Strafanzeige einreichen.
Aktuell hat die Finma wegen Verstössen gegen die Branchenvereinbarung mehrere Strafanzeigen eingereicht. Wie viele, verrät sie nicht.
Kaltakquise wird oft gemeldet
Bereits früher konnte man der Finma Fehlverhalten von Versicherungen melden. Seit Inkrafttreten der neuen Branchenvereinbarung für Versicherungsvermittler haben die Meldungen aber deutlich zugenommen, wie Isik sagt.
Trotzdem Telefonterror? Das können Sie tun
Ein Drittel der Meldungen gingen ein wegen mutmasslicher Verstösse gegen das Kaltakquiseverbot. «Verschiedene Medien und die Finma haben die Konsumenten sensibilisiert, dass Kaltakquise verboten ist», so Isik.
Verbot via Adresslisten von Sponsoren umgangen
Doch trotz des Verbots: Ganz gefeit vor unerwünschten Anrufen sind Versicherte nicht. Denn verschiedene Versicherungen haben bereits Wege gefunden, um neue Kundinnen zu gewinnen.
So deckte der Beobachter jüngst auf, dass die Visana über einen Sponsoringvertrag mit Swiss Badminton an die Adressen Hunderter Mitglieder von Badminton-Vereinen gelangt ist und viele davon im Herbst telefonisch kontaktiert hat.
Die Versicherung beruft sich auf Ausnahme der «Empfehlung».
Die Versicherung stützt sich dabei auf eine Ausnahme in der Branchenvereinbarung: Gibt Versicherungskunde A die Kontaktdaten von Kollege B der Krankenkasse weiter – meist erhält Kunde A dafür ein Geschenk –, so gilt dies als «Empfehlung» und ist zulässig.
Visana sagt, die Datenweitergabe durch Swiss Badminton sei eine ebensolche Empfehlung.
Das sieht die Finma offenbar anders. «Wir haben Hinweise erhalten, dass versucht wird, das Kaltakquiseverbot über andere Kommunikationskanäle zu umgehen», sagt Isik. Man nehme diese Umgehungsversuche genauer unter die Lupe.
Ob die Finma auch die Sponsoringvereinbarung zwischen der Visana und Swiss Badminton prüft, darf sie nicht sagen.
Visana-Sprecher Joško Pekas sagt auf Anfrage: «Wir haben keine Kenntnis von einer formellen Untersuchung der Finma gegen die Visana und die ihr angehängten Tochterfirmen.»