Kein Dank von der Krankenkasse
Eine Pflegerin umsorgt ihren Mann nach einer Operation zu Hause. Die Krankenkasse profitiert von dieser Gratisarbeit.
Veröffentlicht am 10. Juli 2019 - 11:28 Uhr
Die Krankenpflegerin Brigitte Allensbach* hat alles richtig gemacht. Gemäss Gesetz handelte sie trotzdem falsch. Ihr Fehler war, dass sie ihren Mann aus dem Spital Interlaken nach Hause geholt hat. Dass sie ihn nach seiner erfolgreichen Herzoperation zu Hause gratis umsorgte.
Die 56-Jährige hatte zwei Wochen Ferien. Ferien, in denen sie kaum schlief – sie musste ihrem 63-jährigen Mann alle drei Stunden eine neue Antibiotika-Infusion verabreichen. Eine Arbeit, die sonst das Spitalpersonal hätte übernehmen müssen.
«Der Arzt wollte meinen Mann 14 Tage länger im Spital behalten. Aber Infusionen neu anhängen, das kann ich ja auch zu Hause», sagt Brigitte Allensbach. «Dass ich nur wenig schlafen konnte, störte mich nicht. Als die Kinder klein waren, war das auch so.» Sie habe das für ihren Mann sehr gern getan.
Brigitte Allensbach meldete ihren Gratiseinsatz der Krankenkasse ihres Mannes, der KPT. Schliesslich hat sie dieser Spitalkosten von mehreren tausend Franken erspart.
«Ich hätte eine Gutschrift von 500 Franken fair gefunden», sagt Allensbach. Die Kasse kümmerte die Freiwilligenarbeit aber nicht. Nicht einmal einen Dank hat die diplomierte Krankenpflegerin erhalten. Das Gesetz sehe eine Zahlung an pflegende Angehörige nicht vor, schrieb ihr die KPT ohne weitere Umschweife.
Brigitte Allensbach ärgert sich. «Immer heisst es, die Gesundheitskosten seien zu hoch. Doch wenn man etwas dagegen unternimmt, wird man nicht belohnt.» Die KPT wiederum verweist auf rechtliche Grundlagen, die eine Zahlung verunmöglichten. Man fordere schon lange eine Änderung. Das Bundesamt für Gesundheit solle erlauben, wirtschaftliches Verhalten zu belohnen. Heute sind nicht einmal Kulanzzahlungen zugelassen, bestätigt das Bundesamt.
Brigitte Allensbach wusste sich zu helfen. Sie hat ihre Gratisarbeit über den Hausarzt ihres Mannes als Spitex-Aufwand verrechnet. Weil sie bei der Spitex arbeitet, war das mit einem Formular möglich.
Das schadet ihr zwar finanziell, weil ihr Mann den Selbstbehalt auf diese Leistung zahlen muss. Doch immerhin profitiert die KPT nicht mehr uneingeschränkt von Allensbachs Gratis-Ferieneinsatz. Die Kasse muss nun der Spitex Interlaken eine Rechnung über rund 2000 Franken bezahlen.
Die Spitex unterstützt betagte und pflegebedürftige Menschen in den eigenen vier Wänden. Ob eine Pflege zu Hause oder im Heim finanziert wird, entscheidet die Krankenkasse nach verschiedenen Gesichtspunkten. Beobachter-Mitglieder erfahren, worauf es bei der Pflege ankommt.
1 Kommentar
War bei uns ebenso. Unsere Familie pflegte meine demenzkranke Mutter monatelang. Anfänglich bin ich jeden Tag zweimal (2x20 Km 2x täglich 80 Km pro Tag) zu ihr nach Hause gefahren um sie zu versorgen. Die Krankenkasse wollte nicht einmal einen Anteil an die Spesen entrichten. Nach einem Jahr mit viel Verzicht für die Familie fanden wir dann ein Pflegeheim mit rund 3'000 Franken monatlich nur für die Pflegekosten nebst der Taxe für Zimmer etc. Die Krankenkasse hat bezahlt 36'000 Franken im Jahr. Freiwilligenarbeit ist halt nichts wert für die Krankenkasse !