Bundesamts-Chef unterstützt die Erdöl-Lobby
Der Chef des Bundesamts für Strassen lässt sich für eine Pro-Autobahn-Kampagne einspannen. Beim Departement von Bundesrat Albert Rösti sieht man kein Problem.
Veröffentlicht am 13. November 2024 - 16:17 Uhr
Im Abstimmungskampf zur Vorlage über den Ausbau der Autobahnen, über die am 24. November abgestimmt wird, mischt auch Avenergy mit. Der Verband der Brenn- und Treibstoffimporteure ist Mitglied des Pro-Komitees, das sich für eine Annahme des 4,9-Milliarden-Franken-Kredits einsetzt.
In den vergangenen Wochen hat Avenergy dazu fleissig auf verschiedenen sozialen Medien ein kurzes Video verbreitet. Darin preist Jürg Röthlisberger, der Direktor des Bundesamts für Strassen (Astra), die Vorteile eines Autobahnausbaus und erklärt, warum dieser notwendig sei.
«Für ein Statement angefragt»
Man habe Röthlisberger am Rande einer Fachtagung für ein Statement angefragt, sagt Avenergy-Geschäftsführer Roland Bilang: «Wir nehmen auf unseren Social-Media-Kanälen immer wieder aktuelle Themen auf.»
Avenergy lässt sich die prominente Unterstützung aus Bundesbern auch etwas kosten: Recherchen des Beobachters zeigen, dass die Lobbyorganisation Röthlisbergers Statement als bezahlte Werbung auf Facebook, Instagram, Tiktok und X verbreitet.
«Ein solches Verhalten eines Bundesamts ist inakzeptabel.»
Lisa Mazzone, Präsidentin Grüne Partei Schweiz
Ein leitender Bundesbeamter in einem Werbespot einer Lobbyorganisation? Bei den Gegnerinnen und Gegnern der Vorlage sorgt das für Empörung: «Es ist ein demokratiepolitischer Skandal, dass der Amtsdirektor mitten im Abstimmungskampf zusammen mit einer (Erdöl-)Lobbyorganisation Kampagne führt», sagt Lisa Mazzone, Präsidentin der Grünen und Mitglied des Nein-Komitees: «Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation ignoriert hier jegliche Grenzen zwischen politischen – und sogar geschäftlich-privaten – Interessen und sachlicher Information. Ein solches Verhalten eines Bundesamts ist inakzeptabel.»
«Inhaltliche Schlagseite»
Auch Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel, sieht das Engagement des Astra-Direktors kritisch: «Der Bund darf zu Abstimmungsvorlagen sachlich und verhältnismässig informieren. Wenn eine solche Information jedoch in einem Videoformat einer pointierten Lobbyorganisation stattfindet, dann hat das eine inhaltliche Schlagseite», sagt er. Röthlisbergers Auftritt sei zumindest «an der Grenze des Erlaubten».
Bei Röthlisbergers Arbeitgeber, dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) von SVP-Bundesrat Albert Rösti, sieht man das anders: Es sei «üblich und wichtig, dass Fachexperten wie Herr Röthlisberger ihr Wissen in den öffentlichen Diskurs einbringen und selber entscheiden, wo und wann sie auftreten», erklärt eine Sprecherin.
Die entspannte Haltung zum heiklen Auftritt von Astra-Chef Röthlisberger lässt sich möglicherweise mit der Vergangenheit von Uvek-Vorsteher Rösti erklären. Vor seiner Wahl in den Bundesrat war er Präsident von Swissoil, der Partnerorganisation von Avenergy, die an derselben Adresse wie Avenergy in Zürich ihr Büro hat.
- Facebook-Werbebibliothek: www.facebook.com/ads/library
- Tiktok-Werbebibliothek: https://library.tiktok.com/ads
- Website des Pro-Komitees: www.zusammen-vorwaertskommen.ch/home
- Website des Nein-Komitees: www.autobahnausbau-nein.ch/blog
- Bundesgesetz über die politischen Rechte: www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1978/688_688_688/de#art_10_a
1 Kommentar
Dass ein Angestellter der Verwaltung sich persönlich zu einer Abstimmung äussern darf, ist im Sinne der Redefreiheit unproblematisch. Tut er dies jedoch in der Rolle seiner Vertwaltungstätigkeit, wird es problematisch. Als Verkehrsexperte hätte er vielleicht noch anfügen können, dass das Gewerbe in ca. 5 Jahren wieder irgendwo im Stau steht und sich der Autoverkehr wieder Ausweichrouten durch die Quartiere sucht. Zum Schluss: Ich verstehe nicht, warum bei dieser Abstimmung gleich über ein halbes Dutzend Autobahn-Ausbauprojekte abgestimmt werden muss. Einzelne Projekte sind ggf. sinnvoll aber drohen an der Gesammtvorlage zu scheitern.