Betreibungsämter arbeiten nicht gratis, ihre Dienstleistung kostet. Aber was, wenn sie Gewinn machen, teils in Millionenhöhe? Das darf der Staat nicht: Er darf nicht mehr Geld einnehmen, als sein Betrieb kostet. Auf Juristendeutsch heisst das Kostendeckungsprinzip. Deshalb forderte der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod in einer Motion, dass die Betreibungsgebühren gesenkt werden. Der Nationalrat stimmte dem Vorstoss schon im Jahr 2022 zu, nun folgte ihm heute im Grundsatz auch der Ständerat. 

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Aber wie kommt es zu so hohen Gewinnen? Schliesslich müssen sich Betreibungsämter an eine fixe Preisliste gemäss Gebührenverordnung halten (Informationen dazu finden Sie in der Beobachter-Checkliste). Dem musste der Bundesrat auf den Grund gehen – Nantermod hatte ihn 2018 in einem Postulat dazu aufgefordert. Die Kantone gaben sehr unterschiedliche Rückmeldungen. Die einen machten Gewinn, etwa Solothurn über 5 Millionen Franken (2017). Andere machten Verlust, wie Zug mit 304’000 Franken (2017).

Aber der Bundesrat hielt in seiner Antwort fest, dass die Zahlen es kaum erlaubten, die Leistungen der Kantone zu vergleichen. Denn die Betreibungsämter sind sehr unterschiedlich organisiert und berechnen den Aufwand unterschiedlich – so rechnen manche beispielsweise ihre Büromiete mit ein, andere nicht.

Nur bestimmte Gebühren senken

Zu Gewinnen kommt es insbesondere deshalb, weil viele Verfahrensschritte digitalisiert wurden und damit die Ämter effizienter arbeiten. So kann man online ein Betreibungsbegehren stellen oder einen Auszug aus dem Register bestellen. Über die Gebührenverordnung kann der Bundesrat allein entscheiden, das Parlament kann ihm nichts direkt befehlen. Aber er nimmt das Anliegen ernst und bezieht das Parlament mit ein. Im Mai 2024 erklärte er sich bereit, die Gebühren für einzelne Dienstleistungen wie Betreibungsregisterauszüge zu senken. Andere könnten aber auch höher werden. Es sei wichtig, dass die Betreibungsämter «ihre Aufgabe in einer guten Qualität erfüllen können».

«Es muss sich etwas ändern, die Ämter dürfen keinen Gewinn machen.»

Yves de Mestral, Leiter eines Stadtzürcher Betreibungsamtes und Vorstandsmitglied der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz

Das liegt auch Yves de Mestral am Herzen, er leitet ein Betreibungsamt in der Stadt Zürich und ist im Vorstand der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz. Zwar bestätigt er das grundsätzliche Anliegen: «Es muss sich etwas ändern, die Ämter dürfen keinen Gewinn machen.» Doch bei bestimmten Amtshandlungen braucht es Menschen – Beamtinnen und Beamte. Und zwar solche, die ihre Arbeit sorgfältig machen können. Sprich: genügend Zeit dafür haben und entsprechend entlöhnt werden. Und der Lohn wiederum kommt über die Gebühren herein. 

Um Gepfändeten zu helfen, brauchen Beamtinnen Zeit

Genügend Ressourcen der Ämter sind besonders dann entscheidend, wenn jemand gepfändet wird, sagt de Mestral. Dabei muss das Amt festlegen, was der Gepfändete zum Leben dringend braucht – das betreibungsrechtliche Existenzminimum. Verpflegung, Kleider, Miete, Krankenkasse, Gesundheitskosten plus allfällige weitere Zuschläge. Den Rest muss der Gepfändete abgeben. 

Um das Existenzminimum zu berechnen, brauchen die Pfändungsbeamten alle Zahlen und Belege. Die müssen die Schuldner liefern. Doch wer Geldsorgen hat, ist oft ein schlechter Buchhalter und legt Belege nicht pingelig in einem Ordner ab. Hier ist entscheidend, dass die Beamten Unterstützung anbieten. Und das können sie nur, wenn sie genügend Zeit haben. Denn ans Existenzminimum angerechnet wird nur, was man nachweislich bezahlt hat.

Wer also die hohe Zahnarztrechnung nicht einreicht, darf das Geld dafür nicht behalten. Und hat deshalb vielleicht kein Geld mehr, um die Krankenkasse zu bezahlen. Er rutscht immer tiefer in die Schulden und landet im schlimmsten Fall bei der Sozialhilfe.

«Aber wenn es um die Berechnung des Existenzminimums geht, kann ein Beamter die Schuldnerin auffangen – falls er die Kapazität dazu hat.»

Rechtsanwältin Nora Goll, Berner Schuldenberatung

Das bestätigt auch Rechtsanwältin Nora Goll von der Berner Schuldenberatung. Ihr erster Reflex ist zwar: Tiefere Gebühren, ja, das hilft verschuldeten Menschen. Schliesslich müssen sie am Schluss bezahlen. «Aber wenn es um die Berechnung des Existenzminimums geht, kann ein Beamter die Schuldnerin auffangen – falls er die Kapazität dazu hat», sagt sie. Das hilft am Schluss nicht nur den Schuldnern, sondern allen Beteiligten.

So geht es nun weiter: Der Ständerat hat eine leicht geänderte Version der Motion von Philippe Nantermod angenommen – die muss der Nationalrat noch absegnen. Dann macht der Bundesrat einen Entwurf für eine neue Verordnung, gibt sie in die Vernehmlassung und passt sie darauf nochmals an. Dann darf das Parlament nochmals darüber diskutieren. Das alles kann noch dauern – es ist unklar, wie lang.

Quellen