Was Sie über die Gefahrenkarten der Kantone wissen sollten
Einige Naturgefahren wie Felsstürze oder Lawinen treffen uns überraschend, viele sind in der Schweiz aber auch vorhersehbar. Gefahrenkarten zeigen auf, welche Gebiete besonders gefährdet sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
aktualisiert am 4. Februar 2019 - 16:28 Uhr
Im August 2017 kam es im Bündner Dorf Bondo zum schlimmsten Bergsturz seit Jahrzehnten, Anfang 2019 ging in Appenzell Ausserrhoden eine 300 Meter breite Lawine auf die Schwägalp nieder. Beide Naturereignisse richteten viel Zerstörung an – Bondo forderte sogar Todesopfer –, und warfen die Frage auf, ob man Gebäude und Menschen besser hätte schützen können.
Welche Regionen besonders stark von Naturereignissen wie Lawinen , Hochwasser, Steinschlag, Felsstürzen und rutschenden Hängen betroffen sind, zeigen Gefahrenkarten. Jeder Kanton ist verpflichtet, eine solche Karte zu erstellen. Auf dieser können sich Behörden und Bürger über das Gefahrenpotenzial einzelner Gebiete und Häuser informieren.
Naturkatastrophen treffen zwar oft überraschend ein, mithilfe der Karte können aber bauplanerische Vorkehrungen getroffen werden und die Bevölkerung wird sensibilisiert.
Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zu den kantonalen Gefahrenkarten:
- Ist die ganze Schweiz in Gefahrenkarten abgebildet?
- Muss ich die Gefahrenkarte meines Wohnorts studieren?
- Wie lese ich die Gefahrenkarte?
- Mein Haus steht in einer Gefahrenzone. Was muss ich tun?
- Für welche Schäden kommt die Versicherung auf?
- Wie wird die Bevölkerung in Gefahrensituationen informiert?
- Kann ich mich für den Notfall wappnen?
Fast. Mittlerweile existieren für etwa 95 Prozent der Schweiz Gefahrenkarten. Diese zu erstellen, ist sehr aufwändig. Meist werfen die Behörden zuerst einen Blick auf vergangene Ereignisse:
- Wie oft kam es in den letzten 30, 100 und 300 Jahren zum Beispiel zu Überschwemmungen?
- Wie ausgeprägt waren die Naturereignisse und welche Auswirkungen hatten sie?
In einem nächsten Schritt werden Fachleute wie zum Beispiel Hydrologen oder Geologen konsultiert, um das zukünftige Risiko abzuschätzen. Dazu werden heutzutage häufig Computermodelle verwendet.
Es gibt für Bürgerinnen und Bürger keine Pflicht, sich auf der Gefahrenkarte über ihren Wohnort zu informieren. Das kann allerdings sinnvoll sein. Wenn sich ein Wohngebäude in einer Gefahrenzone befindet, sollten Schutzvorkehrungen getroffen werden. Ausserdem sensibilisiert die Gefahrenkarte: Wer weiss, dass er sich in einer Gefahrenzone für Überschwemmungen befindet, informiert sich frühzeitig, was im Notfall zu tun ist. Da es die Aufgabe der Kantone ist, Gefahrenkarten zu erstellen, ist deren Aufbau und Benutzung nicht einheitlich. Einige Karten sind für Bürger deshalb nur schwer zu interpretieren. Das ändert sich laut Roberto Loat vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) aber bald: «Das Bafu erarbeitet zurzeit mit den Kantonen eine Lösung, um alle Gefahrenkarten über ein Portal in homogener Darstellung zugänglich zu machen.»
Auch für Behörden sind Gefahrenkarten wichtig: Wo sollten keine neuen Gebäude erbaut werden, wo muss man bestehende besser schützen? Für welche Zonen müssen Notfallpläne aufgestellt werden?
Kantonale Gefahrenkarten arbeiten mit einem einheitlichen Farbschema. Daraus kann die Gefährdung für Menschen sowie die Eignung für die Bebauung abgelesen werden:
- Rot = erhebliche Gefährdung
Es kann zur vollständigen Zerstörung eines Gebäudes kommen, Menschen sind gefährdet. Es werden weder neue Bauten errichtet noch bestehende Bauten erweitert.
- Blau = mittlere Gefährdung
Eine Zerstörung der Gebäude ist unwahrscheinlich, es kann aber zu Schäden kommen. Menschen sind ausserhalb der Gebäude gefährdet, innerhalb davon aber kaum. Gebaut wird nur nach gründlicher Abwägung und mit Auflagen.
- Gelb = geringe Gefährdung
Häuser können zwar beschädigt werden, Menschen sind aber kaum gefährdet. Behörden sollten auf mögliche Gefahren hinweisen, Auflagen prüfen und Empfehlungen an Bewohner abgeben.
- Gelb-weiss = Restgefährdung
Bei sensiblen Objekten können die Behörden Auflagen erlassen.
- Weiss = Keine Gefährdung
Ob in einer Gefahrenzone Handlungsbedarf besteht, hängt von der Grösse der Gefahr und von den daraus abgeleiteten Risiken ab. «In der Schweiz werden jährlich rund 170 Millionen Franken Bundesbeiträge in den Schutz vor Lawinen, Sturz, Rutschungen und Überschwemmungen investiert», sagt Roberto Laot.
Die Kosten für die Schutzmassnahmen übernimmt vorab der Staat. Es kann allerdings sein, dass ein Teil der Summe von Einwohnern der Gemeinde oder des Kantons eingefordert wird, wenn sie von der Schutzmassnahme profitieren.
Bürger können keinen Anspruch auf bestimmte Massnahmen erheben. Welche Vorkehrungen getroffen werden, entscheiden die Behörden nach definierten Kriterien. Es ist deshalb wichtig, dass sich Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer über die Gefährdung auf ihrer Parzelle informieren, sich durch Fachleute oder ihrer Versicherung beraten lassen und im Sinne der Eigenverantwortung Objektschutzmassnahmen ergreifen. Mehrere kantonale Gebäudeversicherungen bieten dabei finanzielle Unterstützung an.
Das Gesetz schreibt vor, dass die Gebäude - und die Hausratversicherung Elementarschäden vollumfänglich übernehmen. Dazu gehören Schäden, die durch die Natur entstehen, zum Beispiel durch Stürme, Überschwemmungen, Lawinen und Steinschlag. Doch Vorsicht: Erdbebenschäden sind durch diese Versicherungen nicht gedeckt. Dazu ist eine spezielle Erdbebenversicherung nötig.
Auch nicht gedeckt sind Schäden, die durch schlechten Baugrund, Bodensenkungen, mangelnden Gebäudeunterhalt, Unterlassung von Abwehrmassnahmen und fehlerhafte bauliche Konstruktion entstehen.
Hausrat, Privathaftpflicht, Einbruch: Wer in den eigenen vier Wänden wohnt oder gedenkt, das Haus ausbauen zu lassen, ist mit Versicherungen oftmals überfordert. Beobachter-Mitglieder erhalten mit der Checkliste «Die wichtigsten Versicherungen für Hauseigentümer» einen umfassenden Überblick, welche Schäden in den Versicherungen gedeckt sind.
Nach den grossen Überschwemmungen im Jahr 2005 führte der Bund eine Verbreitungspflicht für Warnungen über die Medien ein, damit Schweizerinnen und Schweizer in unmittelbaren Gefahrensituationen besser informiert werden. Stuft die zuständige Stelle beim Bund eine Gefahr als gross oder sehr gross ein, geht eine Meldung an die Nationale Alarmzentrale (NAZ) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz. Diese koordiniert Warnungen und leitet sie an verbreitungspflichtige Medien weiter. Dazu gehören Radio- und Fernsehsender der SRG sowie konzessionierte private Sender. Die Meldungen sind mit «Warnung des Bundes» gekennzeichnet. Auf dem Naturgefahrenportal des Bundes sind die aktuelle Gefahrensituation und Verhaltensempfehlungen sowie allfällige Warnungen abrufbar.
Der Bund empfiehlt folgende Massnahmen:
- Informieren Sie sich mithilfe der kantonalen Gefahrenkarten über das Gefahrenpotenzial an Ihrem Wohnort.
- Schreiben Sie sich wichtige Notfallnummern auf.
- Nicht immer kann die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln garantiert werden. Legen Sie einen Notvorrat an.
- Halten Sie eine Hausapotheke in der Nähe.
- Prüfen Sie Ihr Gebäude einmal im Jahr: Gibt es allfällige Schäden? Sind Storen, Antennen und Solaranlagen gut befestigt? Vordächer stabil?
- Werden durch Elementarereignisse verursachte Schäden von einer kantonalen Gebäudeversicherung gedeckt? Muss ich mich bei einer privaten Gebäudeversicherung versichern?
Ausserdem listet der Bund spezifische Empfehlungen für die jeweiligen Naturereignisse auf.
Das Naturgefahrenportal des Bundes informiert über die aktuelle Lage und wird fortlaufend von mehreren Gefahrenfachstellen wie MeteoSchweiz oder dem Schweizerischen Erdbebendienst der ETH Zürich aktualisiert. Gefahrenkarten zeigen hingegen, welche Gebiete potenziell durch Naturgefahren bedroht sind.