Zürich, ein heisser Samstagnachmittag im Juni 2021. Leute flanieren an der Bahnhofstrasse. Die Innenstadt erstrahlt in Regenbogenfarben. Denn es ist Pride Month – eine Zeit, in der die Vielfalt an Lebens- und Liebesformen Sexuelle Orientierung und Geschlecht Was bedeutet LGBTQIA+? besonders gefeiert wird. Mittendrin: ein 63-jähriger, tiefgläubiger Christ, der zu einer Predigt ansetzt.

Doch Nächstenliebe und Toleranz stehen bei ihm nicht auf dem Programm. Er hat die Homosexualität im Visier. In einer hasserfüllten Tirade bezeichnet er die gleichgeschlechtliche Liebe als Sünde, böse Lust, schändliche Begierde. Bei den Passantinnen und Passanten kommt das nicht gut an. Zwei rufen die Polizei.

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Der Mann flieht, doch die Polizei holt ihn ein und führt ihn ab. Das Gericht verurteilt ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 15'200 Franken. Es stützt sich dabei auf die Anti-Rassismus-Strafnorm Anti-Rassismus-Strafnorm «Es wird nicht bestraft, was man denkt, sondern was man tut» . Seit 2020 verbietet sie auch Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung.

Doch wo beginnt Hetze? Was läuft noch unter Meinungs- oder Religionsfreiheit?

1. Darum geht es bei der Strafnorm gegen Diskriminierung und Aufruf zum Hass

Im Fokus steht die Menschenwürde. Es soll verhindert werden, dass Personengruppen herabgesetzt werden. Gedankengut, das die Betroffenen als ungleich oder minderwertig darstellt, soll sich nicht verbreiten oder verfestigen.

2. Diese Personen schützt das Gesetz vor Diskriminierung

Alle, die einer bestimmten Rasse, Ethnie, Religion angehören oder eine bestimmte sexuelle Orientierung haben und deshalb diskriminiert werden. Strafbar macht sich also etwa, wer lauthals gegen Kosovo-Albaner oder Musliminnen wettert. Auch Angehörige von Sekten sind unter Umständen geschützt. Zumindest wenn ihr Glaube etabliert ist und über eine gewisse Stabilität mit eigenen Traditionen verfügt. Wer etwa die Zeugen Jehovas diskriminiert, macht sich strafbar.

Die öffentliche Hasspredigt des Mannes zielte auf homosexuelle Menschen ab, also auf eine sexuelle Orientierung. Gleichermassen verboten wäre es gewesen, wenn er über hetero- oder bisexuelle Menschen hergezogen wäre.

3. Diese Personen sind nicht vor Diskriminierung geschützt

Wer etwa öffentlich Transmenschen oder Frauen herabsetzt, verstösst nicht gegen die Strafnorm gegen Diskriminierung und Aufruf zum Hass. Denn weder das Geschlecht noch die Geschlechtsidentität Nicht binär Der Bundesrat will kein drittes Geschlecht einführen sind eine sexuelle Orientierung.

Gleiches gilt, wenn jemand pauschal alle Asylanten oder Ausländerinnen verunglimpft. Sie sind keiner bestimmten Rasse oder Ethnie zugehörig. Auch Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen sind nicht geschützt.

Wenn jemand also auf der Strasse predigt: «Frauen sind Hexen – man hat sie früher zu Recht verbrannt!», würde er wohl nicht verhaftet. Das mag seltsam erscheinen. Doch als die Strafnorm eingeführt wurde, ging es hauptsächlich darum, rassistisches Gedankengut zu stoppen.

Im Jahr 2020 kam die sexuelle Orientierung als Brennpunkt dazu. Viele Politikerinnen fordern, dass das Gesetz erneut angepasst wird: Strafbar mache sich auch, wer jemanden aufgrund des Geschlechts diskriminiert .

4. Dieses Verhalten wird bestraft

Verboten ist grundsätzlich alles, was Betroffene als Menschen zweiter Klasse bezeichnet. Wer einer Personengruppe bloss negative Eigenschaften unterstellt  – etwa eine schlechte Arbeitsmoral –, kommt straflos davon.

Dasselbe gilt, wenn sich jemand nicht öffentlich äussert. Denn verboten sind nur Aussagen, die sich an einen grösseren, nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis richten.

Allerdings: Wer sich lautstark am Stammtisch in einem gut besuchten Lokal äussert, tut das bereits öffentlich. Wenn der Mann seine homophobe Predigt nicht an der Bahnhofstrasse von sich gegeben hätte, sondern an seinem Küchentisch in Anwesenheit von zwei Freunden, hätte er sich nicht vor Gericht verantworten müssen – sogar wenn ihn die Freunde angezeigt hätten.

Was, wenn man Hass mitbekommt oder miterlebt?

Wenn jemand diskriminierende Aussagen gegen bestimmte Rassen, Ethnien, Religionen oder sexuelle Orientierungen verbreitet, können Sie das der Polizei melden Polizei Soll ich den Vorfall melden? .

Oft kann es bereits helfen, die Person direkt anzusprechen und darauf hinzuweisen, dass ihre Aussagen diskriminierend und strafrechtlich verboten sind.

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Norina Meyer, Redaktorin
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