Endometriose: Japanische Studie weckt Hoffnungen
Die Krankheit bereitet Frauen starke Schmerzen und kann zu Unfruchtbarkeit führen. Jetzt haben Forschende neue Erkenntnisse gewonnen.
Veröffentlicht am 26. Juni 2023 - 18:00 Uhr
Jede sechste bis zehnte Frau ist von Endometriose betroffen. Darunter sind vor allem Frauen im gebärfähigen Alter. Die meisten von ihnen ohne es zu wissen. Die Betroffenen berichten von heftigen Schmerzen
, die weit über normale Menstruationsbeschwerden hinausgehen: als stecke ein Messer im Unterleib, das sich immer wieder drehe.
Während die Schmerzen bei einigen Frauen chronisch sind, leiden andere unter zyklusbedingten Unterleibs- und Rückenschmerzen oder spüren die Krankheit vor allem beim Geschlechtsverkehr. In einigen Fällen kann die Endometriose sogar zu Unfruchtbarkeit führen.
Bei der Erkrankung siedeln sich Endometriose-Herde, also verändertes Gewebe der Gebärmutterschleimhaut, ausserhalb der Gebärmutter an (siehe Grafik unten). Zum Beispiel in den Eierstöcken, innerhalb des Beckens, des Bauchraums oder am Darm. Es handelt sich um Zellen, die auf weibliche Hormone reagieren und sich wie Gebärmutterschleimhaut verhalten. Das heisst: Sie wachsen in der ersten Hälfte des Monatszyklus heran und werden am Ende abgestossen – was mit starken Schmerzen verbunden ist.
Nun haben Forschende aus Japan eine mögliche Erklärung gefunden. Der Grund für die hormonempfindlichen Zellen ausserhalb der Gebärmutter soll eine Infektion durch sogenannte Fusobakterien sein. In einer Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift «Science Translational Medicine», untersuchte ein Team der Universität Nagoya 155 Frauen, von denen 79 an Endometriose litten. Bei 64 Prozent dieser Patientinnen fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Fusobakterien in der Gebärmutterschleimhaut. Bei den übrigen 76 Frauen, die nicht an Endometriose litten, waren die spindelförmigen Stäbchenbakterien in weniger als 10 Prozent der Fälle vorhanden. Warum es zu einer Infektion kommt, bleibt aber unbekannt.
Antibiotika als mögliche Therapieform
Zur Behandlung der Endometriose-Herde werden heute hauptsächlich Schmerzmittel oder Hormontherapien eingesetzt, in seltenen Fällen wird auch eine Operation durchgeführt. Ein neuer Ansatz zur Behandlung der Endometriose könnte laut der Studie eine Antibiotikatherapie sein. So untersuchten die Forschenden in einem weiteren Schritt das Gewebe von Mäusen – vor und nachdem sie mit Fusobakterien geimpft wurden. Tatsächlich verschlimmerte sich das Gewebe der Gebärmutterschleimhaut. Bekamen die Mäuse hingegen Antibiotika, schrumpften die Gewebeveränderungen, was die Entstehung von Endometriose verhinderte.
Der Gynäkologe Patrick Imesch vom Universitätsspital Zürich (USZ) bezweifelt gegenüber der «NZZ» jedoch die Wirksamkeit der Antibiotika, wenn die Endometriose bereits chronisch ist. Vielmehr sieht er Chancen in der Behandlung eines Rückfalls der Krankheit oder in der Behandlung gegen Unfruchtbarkeit.
Auch die Forschenden selbst betonen, dass es sich bei den Daten nur um eine Korrelation handle und dass weitere wissenschaftliche Untersuchungen nötig seien.
Bundesrat soll Strategie erarbeiten
Lange von der Forschung vernachlässigt, ist die Endometriose inzwischen auch in der Politik ein Thema. Deutschland hat fünf Millionen Euro an Forschungsgeldern bewilligt, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat im vergangenen Jahr eine nationale Strategie zur Behandlung der Endometriose vorgestellt.
Auch der Ständerat hat mit 30 zu 2 Stimmen ein Postulat angenommen, das eine Strategie zur Früherkennung der Endometriose fordert. Zudem soll der Bundesrat einen Bericht vorlegen, der aufzeigt, wie Endometriose in der Schweiz im Hinblick auf die Sensibilisierung von Gesundheitsfachleuten, Arbeitgebern, Bildungseinrichtungen, Sportverbänden und der Forschung behandelt wird. Das Postulat liegt nun beim Bundesrat.