Gen schuld an Schusseligkeit
Schlüssel verlegt, Name entfallen oder vergessen, was man tun wollte? Wer häufig unter solchen Schusseligkeiten leidet, hat nun eine Erklärung dafür.
Schon wieder ist der Hausschlüssel unauffindbar! Man geht ins Nachbarzimmer und hat plötzlich vergessen, was man dort eigentlich wollte. Beim Telefonieren fällt einem der Name des Gesprächspartners nicht mehr ein. Psychologen der Universität Bonn konnten in einer Studie mit insgesamt 500 Frauen und Männer einen Zusammenhang zwischen dem Gen «DRD2» und solchen alltäglichen Aussetzern nachweisen.
Wer über eine bestimmte Variante dieses Gens verfügt, lässt sich leichter ablenken und erlebt sehr viel häufiger Momente, an denen mangelnde Aufmerksamkeit schuld ist. «Solche kurzzeitigen Aussetzer sind weit verbreitet, doch bei manchen Menschen treten sie besonders häufig auf», sagt Martin Reuter von der Abteilung Differentielle und Biologische Psychologie der Universität Bonn.
Eine familiäre Häufung der Fehleranfälligkeit lasse vermuten, dass bei diesen Aussetzern genetische Einflüsse vorliegen, so die Deutschen Forscher. Das Team rund um Martin Reuter hat im Labor Hinweise gefunden, dass das sogenannte «Dopamin D2 Rezeptor-Gen» (DRD2) an der Vergesslichkeit beteiligt ist.
DRD2 spielt eine wichtige Rolle bei der Signalweiterleitung in die Stirnlappen. Diese Struktur sei mit einem Dirigenten vergleichbar, der das Gehirn als Orchester koordiniert, so einer der Forscher. Das DRD2-Gen entspreche dem Taktstock, weil es an der Dopaminbindung im Gehirn beteiligt sei. Gibt der Taktstock zwischendurch das falsche Tempo vor, kommt das Orchester durcheinander.
Die Psychologen testeten die 500 Frauen und Männer, indem sie ihnen eine Speichelprobe entnahmen und anschliessend untersuchten. Jeder Mensch ist Träger des DRD2-Gens, das in zwei Varianten vorliegt: Die eine Variante verfügt an einer Stelle über die Nukleinbase Cytosin, beim anderen kommt Thymin vor. Nach den Analysen der Forscher verfügt rund ein Viertel der Probanden ausschliesslich über das DRD2-Gen mit der Nukleinbase Cytosin, drei Viertel gehören einem Genotyp mit mindestens einer Thyminbase an.
Die Wissenschaftler wollten nun wissen, ob sich diese unterschiedliche Ausprägung des Gens auch im alltäglichen Verhalten niederschlägt. Mithilfe eines Fragebogens sollten die Testpersonen selbst einschätzen, wie häufig es bei ihnen zu bestimmten Schusseligkeiten kommt: Wie oft werden Namen vergessen, wie häufig wird der Schlüssel verlegt? Ausserdem wurden bestimmte Faktoren zur Impulsivität abgefragt: Wie leicht lassen sich die Testpersonen von ihren eigentlichen Aufgaben ablenken? Wie lange können sie sich konzentrieren?
Die Wissenschaftler prüften, ob die mit den Fragebögen erfassten Schusseligkeits-Symptome einem der beiden Genvarianten von DRD2 zuzuordnen sind. Die Ergebnisse zeigen, dass solche Funktionen wie Aufmerksamkeit und Gedächtnis bei der Thymin-Genvariante geringer ausgeprägt sind als beim Cytosin-Typ. «Der Zusammenhang ist deutlich: Solche Aussetzer lassen sich zum Teil an dieser Genvariante festmachen», sagt Sebastian Markett, einer der damals an der Studie beteiligten Forscher. Die Testpersonen, die der Thymin-DRD2-Variante angehören, seinen gemäss den Berichten häufiger «Opfer» von Vergesslichkeit und Aufmerksamkeitsdefiziten.
Träger des «Schusseligkeits-Gens» mögen sich vielleicht nun damit trösten, dass das Erbgut Schicksal sei und nicht in der eigenen Verantwortung liege. Doch Markett möchte dies nicht gelten lassen: «Gegen Vergesslichkeit lässt sich etwas tun: Man kann sich Merkzettel schreiben oder mehr anstrengen, den Haustürschlüssel nicht irgendwo, sondern an einem bestimmten Platz aufbewahren.» Wer sich solche Strategien für die unterschiedlichen Lebenslagen zurechtlege, könne besser mit seiner Schusseligkeit umgehen.