Was tun, wenns beim Mann nicht mehr so läuft?
Plötzlich Probleme beim Pinkeln: Schnell denkt Mann da an Krebs. Meist ist es aber nur eine harmlose, altersbedingte Vergrösserung der Prostata.
aktualisiert am 12. September 2022 - 10:00 Uhr
Lange bleibt das Problem fast unbemerkt. Wenn bei einem Mann der Urinstrahl nicht mehr so stark ist wie noch vor Jahrzehnten, stört das erst mal nicht. Dass er ein- oder zweimal häufiger pro Tag auf die Toilette gehen muss als früher, fällt kaum auf.
Dass der Urin nach dem Wasserlassen etwas nachträufelt, damit kann man umgehen. «Irgendwann ist aber vielleicht der Punkt erreicht, wo Leidensdruck entsteht. Dann ist eine ärztliche Untersuchung ratsam», sagt Malte Rieken vom medizinischen Zentrum für Urologie Alta Uro in Basel.
Ursache der Probleme beim Wasserlassen ist die Prostata. Sie ist in jungen Jahren etwa so gross wie eine Kastanie und liegt direkt unter der Blase (siehe Grafiken unten). Um in die Harnröhre zu gelangen, fliesst der Urin durch sie durch. Ihre Aufgabe ist es eigentlich, die Flüssigkeit für den Samenerguss zu produzieren, der sich dann hier mit den Samen aus dem Hoden mischt.
Doch im Lauf des Lebens wird die Prostata grösser. In der zweiten Lebenshälfte wird sie bei vielen Männern so gross, dass der Durchgang zunehmend eingeengt wird. Die Harnblase muss also gegen einen immer höheren Widerstand arbeiten. Dadurch wird der Harnstrahl schwächer, es tröpfelt nach, man hat das Gefühl, die Blase entleere sich nicht ganz – dadurch entsteht häufiger als früher Harndrang, auch nachts.
Die Prostata drückt auf die Harnröhre
Die Wissenschaft geht davon aus, dass dieses gutartige Prostatasyndrom eine Reaktion ist auf den sich im Alter verändernden Hormonhaushalt. Hinzu kommt eine genetische Veranlagung. Ab 50 Jahren beginnen bei vielen die Symptome, ab 60 ist jeder Zweite betroffen, ab 80 sind es fast alle.
«Die Vergrösserung ist in der Regel gutartig», sagt Malte Rieken. Denn Prostatakrebs mache in den meisten Fällen in frühen Stadien keine Beschwerden beim Wasserlassen. Allerdings sollte man die Prostata urologisch untersuchen lassen, sobald Beschwerden auftreten. Dabei wird der Urin auf eine Infektion untersucht, der Harnstrahl gemessen und die Prostata kurz über den Enddarm abgetastet. Auch eine Ultraschalluntersuchung von Blase, Niere und Prostata gehört zum Standard. So kann bestimmt werden, wie gross die Prostata genau ist, wie viel Restharn sich nach dem Wasserlassen noch in der Blase befindet und ob die Nieren Schädigungen aufweisen. Hinzu kommt eventuell ein PSA-Test – kurz für prostataspezifisches Antigen –, ein Tumormarker.
Wenn die Beschwerden mild sind und kein Krebsverdacht besteht, kann der weitere Verlauf abgewartet werden. Pflanzliche Extrakte aus Kürbiskernen, Roggenpollen, Sägepalmenfrucht oder Brennnessel aus der Apotheke können helfen, die Probleme beim Wasserlassen zu lindern. Anzunehmen ist hier aber, dass die Wirkung teils auf dem Placeboeffekt beruht.
Darüber hinaus ist Blasentraining zu empfehlen: dem Harndrang nicht sofort nachgeben. «Die Stärkung des Beckenbodens und die Massage der Prostata über den Damm können ebenfalls helfen, hier braucht es aber einen Physiotherapeuten mit Zusatzausbildung, und die sind selten zu finden», sagt Ergotherapeutin Monika Conus von der Physiopraxis Wirbelteam in Solothurn.
Wenn die erhoffte Verbesserung ausbleibt, können bei nur leicht vergrösserter Prostata sogenannte Alphablocker verschrieben werden. «Man geht davon aus, dass sie die glatte Muskulatur an Blasenausgang, Harnröhre und Prostata entspannen und so den Urinabgang erleichtern», sagt Malte Rieken. Da sie aber auf das vegetative Nervensystem wirken, können sie Müdigkeit, Schwindel und mengenmässig verminderten Samenerguss bewirken. Bei einzelnen Wirkstoffen kann es zudem zum Blutdruckabfall kommen.
Bei ausgeprägter Prostatavergrösserung können auch 5-Alpha-Reduktase-Hemmer zum Einsatz kommen. Sie hemmen die Wirkung des in den Hoden gebildeten Testosterons . «Dadurch wächst die Prostata nicht weiter, kann sogar um bis zu einen Viertel schrumpfen. Das kann auch die Symptome lindern», sagt Malte Rieken. Eine Wirkung tritt aber erst nach drei bis sechs Monaten ein. Zudem können 5-Alpha-Reduktase-Hemmer relevante Nebenwirkungen wie Angststörungen oder Potenzstörungen haben. Sie werden daher heute zurückhaltender verordnet.
Nur wenn Medikamente die Beschwerden dauerhaft nicht lindern können und der Leidensdruck hoch ist, kommt eine Operation in Betracht. Das bekannteste Verfahren ist die Ausschälung der Prostata (transurethrale Resektion). Dabei wird ein Endoskop durch die Harnröhre geschoben und das einengende Prostatagewebe mit einer stromführenden Schlinge abgetragen. Die Besserung tritt sofort ein.
Allerdings eignet sich der Eingriff nur für Männer, die keine Kinder mehr zeugen wollen. Denn fortan wird in den meisten Fällen die Samenflüssigkeit beim Orgasmus in die Blase gedrückt.
Als weitere Standardtechniken etabliert sind Laserverfahren wie die Ausschälung oder die Verdampfung des Gewebes. Hinzu kommen alternative Techniken, die das Ziel haben, den natürlichen Samenerguss zu erhalten. «Es gibt heute viele Optionen», so Malte Rieken. «Deshalb sollte das Verfahren an die individuelle Situation des Patienten angepasst werden.»
- Trinkmenge (1,5 Liter) gleichmässig über den Tag verteilen.
- Harntreibende Getränke wie Kaffee , Tee und Alkohol nur mässig konsumieren, vor allem nicht abends.
- Vor dem Zubettgehen nicht viel trinken.
- Nach dem Wasserlassen einen Moment warten und erneut versuchen, die Blase komplett zu leeren.
- Unter ärztlicher Absprache entwässernde oder die Blasenmuskulatur beeinflussende Medikamente – wie etwa gegen Bluthochdruck – nicht mehr abends einnehmen, ersetzen oder absetzen.
- Beckenboden trainieren (vom Physiotherapeuten zeigen lassen).
- Zu langes Sitzen vermeiden.
- Sich mindestens drei Stunden pro Woche bewegen, Sport treiben und sich ausgewogen ernähren; Tomaten zeigten in Studien einen potenziell schützenden Effekt gegen die Vergrösserung der Prostata, ebenso sekundäre Pflanzenstoffe aus Gemüse wie Sojabohnen, Spinat, Broccoli und Obst.
- Für weniger Stress sorgen, im Alltag mit Entspannungsübungen zur Ruhe kommen.
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