«In Online-Spiele sind Muster eingebaut, die süchtig machen»
Online-Spiele können ein ähnliches Suchtverhalten auslösen wie Alkohol oder Drogen. Domenic Schnoz vom Zentrum für Spielsucht erklärt, wie das funktioniert.
Veröffentlicht am 4. März 2025 - 15:05 Uhr
Die Gefahr lauert am Bildschirm: Domenic Schnoz, Spielsucht-Experte
Im neusten Suchtpanorama von Sucht Schweiz ist die Abhängigkeit von Computerspielen eines der grossen Themen. Eigentlich müssten Spieleanbieter Kinder und Jugendliche schützen. Mit welchen Tricks verführen sie dazu, für die Spiele Geld auszugeben?
Mir macht vor allem die Vermischung von Gratisspielen und Geldspielen Sorgen. Der Grossteil des Computerspielmarktes wird mittlerweile von sogenannten Free-to-play-Games beherrscht. Diese Spiele sind scheinbar gratis, aber es ist klar, dass auch deren Hersteller Geld verdienen müssen.
Und wie schaffen sie das?
Indem sie ganz gezielt Schwellen in das Spiel einbauen, sogenannte Frustrationsmauern. Man kann eine gewisse Zeit spielen und wird so in das Game hineingezogen. Dann kommt man an einen Punkt, wo man die Wahl hat. Man kann den langweiligen, mit Frust behafteten und mühsamen Weg wählen, oder man kann sich diesen Weg ersparen, indem man für einen kleinen Betrag schneller ans nächste Ziel kommt. Ich gebe Ihnen ein fiktives Beispiel: In einem Spiel benötigen Sie eine bestimmte Anzahl Maiskolben, um einen Fluss überqueren zu können. Sie können die nun mühsam auf dem Feld zusammensammeln – oder Sie können die notwendige Anzahl Maiskolben kaufen und so den Fluss schneller überqueren. Das nennt man Dark Patterns, verborgene Muster, die im Spiel hinterlegt sind und die Spielenden zum Geldausgeben animieren.
«Kinder und Jugendliche sind viel anfälliger dafür, eine Verhaltenssucht zu entwickeln.»
Domenic Schnoz, Suchtexperte
Warum lassen wir uns überhaupt zu solchen Zahlungen verführen?
Das hängt mit dem Dopaminsystem im Gehirn zusammen. Dopamin ist ein Glückshormon, das ausgeschüttet wird bei Handlungen und Dingen, die uns Freude bereiten, also auch wenn wir in einem Onlinespiel weiterkommen. Bei Jugendlichen und Kindern ist das Dopaminsystem wie das ganze Gehirn in der Entwicklung. Sie sind damit viel anfälliger dafür, eine Verhaltenssucht zu entwickeln.
Zur Person
Sind denn die Spiele darauf ausgelegt, dass man süchtig wird?
Viele dieser Free-to-play-Games sind so konzipiert, dass sie am Anfang sehr cool gemacht sind. Man bekommt ganz viele positive Rückmeldungen. Doch je länger Sie das Spiel spielen, desto zähflüssiger wird es. Man wird nicht mehr mit Belohnungen überschüttet, sondern braucht Geduld und muss sich unter Umständen mehrmals pro Tag einloggen. Es gibt verschiedene solche Dark Patterns, die benutzt werden, um Spielende bei der Stange zu halten. Eines davon ist eben, dass man sich ein schnelleres Weiterkommen mit Mikrotransaktionen, also gegen Bezahlung eines kleinen Geldbetrags, kaufen kann.
Und wie könnte man solche suchtfördernden Tricks in Onlinespielen unterbinden?
Ich fände es wichtig, wenn man bei der Altersfreigabe von Spielen den Aspekt der Mikrotransaktionen besser mit einbeziehen würde. Spiele, bei denen man Geld ausgeben kann, sollten eine höhere Altersgrenze haben. Das täte niemandem weh. Ausserdem gab es im Parlament einen Vorstoss, auf solche sogenannten Mikrotransaktionen eine Steuer zu erheben, mit der man zum Beispiel Präventionsarbeit hätte finanzieren können. Das wurde leider abgelehnt. Ich bedaure das sehr. Onlinespiele sind ein Riesengeschäft. Die Hersteller würden ganz sicher nicht untergehen, wenn sie auf diese Mikrotransaktionen eine kleine Steuer zahlen müssten.
- Sucht Schweiz: Suchtpanorama 2025
- Zentrum für Spielsucht: Bericht zur Vermischung von Glücksspiel und Games
- Parlament: Debatte über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele