Schweizer sind Rekordhalter bei Hautkrebs
Schweizer Männer leiden öfter an Hautkrebs als alle anderen Europäerinnen und Europäer. Weil es ihnen zu gut geht, sagen Experten.
Veröffentlicht am 20. Juni 2019 - 19:37 Uhr
Jährlich sterben in der Schweiz 130 Frauen und 190 Männer an schwarzem Hautkrebs. Und in den letzten 30 Jahren hat sich die Zahl der Neuerkrankungen mehr als verdoppelt. Die Schweiz hält hier einen Rekord: In keinem anderen europäischen Land erkranken so viele Männer. «Die Gründe dafür sind nicht abschliessend bekannt», sagt Luca Toneatti von der Krebsliga Schweiz. «Wir vermuten aber, dass das UV-intensivere Freizeitverhalten wie häufige Sonnenurlaube oder Solariumbesuche die Melanombildung begünstigt.»
Kurz: Mehr Ferien und Freizeit heisst mehr Sonne heisst mehr Melanome . Und Schweizer machen gern Ferien. 2017 unternahmen 90 Prozent mindestens eine Reise mit einer oder mehreren auswärtigen Übernachtungen. Rund 60 Prozent dieser Reisen fanden zwischen Mai und Oktober statt. Und sie waren je nach Destination sehr strahlungsintensiv: Wasser kann die Wirkung der UV-Strahlen um bis zu 30 Prozent, Schnee sogar um bis zu 90 Prozent verstärken.
Aber auch die gute medizinische Versorgung ist ein Grund für die hohe Zahl festgestellter Erkrankungen. Melanome werden heute frühzeitig erkannt und im Krebsregister gemeldet. Und obwohl die Schweiz die höchste Anzahl Neuerkrankungen aufweist, sind nirgends die Überlebenschancen so gross. Sie liegen bei 90,4 Prozent.
«In letzter Zeit ist durch die Schädigung der Ozonschicht die UV-Strahlung alle zehn Jahre um etwa acht Prozent gestiegen», sagt Reinhard Dummer, Direktor der Dermatologischen Klinik Zürich. Doch diese Zahlen seien mit Vorsicht zu geniessen. Laurent Vuilleumier, Spezialist für UV-Messungen bei Meteo Schweiz, relativiert: «Es gibt verschiedene Faktoren, die sich auf die direkte Sonneneinstrahlung in der Schweiz auswirken.» Bei einer UV-Datenrekonstruktion für die Schweiz wurde eine weit weniger dramatische Veränderung festgestellt. «Wir kamen zum Schluss, dass in der Schweiz zwischen den 1980er und 2000er Jahren die Strahlung um zehn Prozent anstieg», so Vuilleumier.
Schützt Nachcremen vor Sonnenbrand?
Und trotzdem: Das Melanom, auch schwarzer Hautkrebs genannt, ist die vierthäufigste Krebsart in der Schweiz. Jährlich wird gemäss Krebsliga bei rund 2700 Menschen eines gefunden. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Statistiken erklären das nur teilweise: Ein Drittel der Männer gab 2007 an, dass sie ihre Haut kontrollieren liessen. Arbeit im Freien – etwa auf dem Bau – wird nach wie vor grösstenteils von Männern ausgeübt. Und sie sind nachlässiger als Frauen: 40 Prozent cremen sich bewusst nicht ein.
Die Risiken werden von vielen falsch eingeschätzt. Deshalb führen die Krebsliga und die Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) jährlich eine Kampagne gegen Hautkrebs durch. Doch die Neuerkrankungen steigen stetig. Hat die Prävention versagt?
«Häufige Ferien an der Sonne begünstigen die Bildung von Melanomen.»
Luca Toneatti, Krebsliga Schweiz
«Heute wird Hautkrebs grösstenteils bei der Generation diagnostiziert, die sich damals noch mit Melkfett einrieb, um schneller braun zu werden. In dieser Zeit war noch überhaupt kein Bewusstsein für potenzielle Folgen vorhanden», erklärt Luca Toneatti von der Krebsliga die hohe Zahl. Bettina Schlagenhauff von der SGDV sieht die Zahlen gar als Erfolg der Präventionsarbeit: «Die Früherkennung und die rechtzeitige Behandlung
von Hautkrebs haben mit den Kampagnen begonnen.»
Auch das Bundesamt für Gesundheit weiss um das Problem. Die Präventionsarbeit überlässt es jedoch lieber den anderen. «Das BAG hat erst seit dem 1. Juni 2019 einen gesetzlichen Auftrag, die Öffentlichkeit über gesundheitsrelevante Auswirkungen und Risiken von nichtionisierender Strahlung und Schall zu informieren», heisst es auf Anfrage.
Eine tägliche Sonnenschutz-Empfehlung, wie sie etwa in Australien zusammen mit dem Wetterbericht ausgestrahlt wird, hält man ebenfalls nicht für notwendig. «Die UV-Bedingungen in der Schweiz sind nicht mit den Verhältnissen in Australien zu vergleichen.» Meteo Schweiz publiziere aber täglich einen UV-Index.
Die Krebsliga empfiehlt:
- Auf Solariumbesuche verzichten.
- Mittagssonne zwischen 11 und 15 Uhr meiden.
- Durch Kleidung, Hut und Sonnenbrille kann man die UV-Bestrahlung begrenzen.
- Zeigen Sie auffällige Muttermale so früh wie möglich einem Dermatologen.
- Täglich Sonnencreme benutzen – auch bei schlechtem Wetter.