Geiz ist Gift für die Freundschaft
Wer immer nur an seinen eigenen Profit denkt, wird zunehmend einsamer. Denn Geiz belastet Freundschaften stark. Was kann das Gegenüber tun?
Veröffentlicht am 26. Juli 2019 - 16:15 Uhr
Leserfrage: «Eine meiner Freundinnen ist richtig geizig. Das ärgert mich immer wieder. Wie sage ich es ihr?»
Geiz ist nicht wirklich geil. Denn wahrhaft geizige Menschen knausern nicht nur mit Geld, sondern auch mit Emotionen und Zuwendung. Sie vereinsamen .
Berühmtes Beispiel: Dagobert Duck. Ein reicher, in die Jahre gekommener Erpel. Geizig, einsam und verbittert. Die Comicfigur ist in Anlehnung an Ebenezer Scrooge entstanden, den alten Geizhals aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Der verdirbt es sich mit allen und wird schliesslich von Geistern heimgesucht, die ihn mit seinem harten Herzen und mit seiner Vergangenheit als verletztem, einsamem Kind konfrontieren. Diese Begegnungen berühren ihn tief und machen ihn zu einem besseren Menschen.
Was ist Geiz? Der Duden definiert ihn als übertriebene Sparsamkeit und den Unwillen, Güter zu teilen. In der Theologie gehören Geiz und Gier zu den sieben Hauptsünden. Geiz bedeutet nicht Bescheidenheit und Genügsamkeit, sondern Habgier und Eigennutz. Knauserig sein heisst: wenig geben, aber viel nehmen.
Wir begegnen dem Geiz in allen möglichen Situationen. Menschen, die kein Trinkgeld geben, immer auf ihren Vorteil bedacht sind und beim gemeinsamen Ausgang ihr Portemonnaie vergessen. Wenn es etwas umsonst gibt, rufen sie als Erste «Hier!». Ihr Drang, zu behalten und zu bekommen, ist grösser als das Mitgefühl für die Verluste anderer.
«Trinkgeld geben sie nicht. Aber wenn es etwas umsonst gibt, rufen sie als Erste ‹Hier!›.»
Christine Harzheim, Psychologin FSP und systemische Familientherapeutin
Dieses Verhalten befremdet und nervt uns. Ihm zugrunde liegt vermutlich das Gefühl, zu kurz gekommen und völlig auf sich allein gestellt zu sein – das erklärt das Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit. Etwas aus der Hand zu geben fühlt sich dann an, wie sich auszuliefern. In Beziehungen wird genau das zum Problem. Menschliches Miteinander verlangt wechselseitiges Geben und Nehmen. Eine funktionierende Freundschaft braucht die Fähigkeit beider, sich zu öffnen, loszulassen und zu vertrauen.
Geiz wird sichtbar im Umgang mit Materiellem, beeinträchtigt aber meist auch den Gefühlsbereich. Oscar Wilde beschreibt solche Leute als diejenigen, die von allem den Preis, aber nicht den Wert kennen.
Tragisch für die Egoisten: Bei der Partnerwahl steht Geiz ganz oben auf der Liste der unattraktiven Eigenschaften. Wir wünschen uns in der Liebe Grosszügigkeit und jemanden, dem unser Wohl genauso am Herzen liegt wie sein eigenes. Jemanden, der im Notfall bereit ist, alles für uns zu geben. Der knauserige Mensch gerät zunehmend ins zwischenmenschliche Abseits und in eine Art inneres Gefängnis.
- Verhärten Sie nicht. Wenn Ihnen etwas an dem Menschen liegt, reichen Sie ihm die Hand. Handeln Sie nicht trotzig und machen Sie nicht die Faust im Sack.
- Klares Feedback hilft Betroffenen zu realisieren, was ihr Verhalten auslöst. Warten Sie damit nicht, bis Sie genügend «Beweise» für die Charakterschwäche gesammelt haben, um dann zum grossen Vortrag «Was ich dir schon immer mal sagen wollte» anzuheben. Das kränkt und führt nicht weiter.
- Beschreiben Sie Ihre Wahrnehmung in einer konkreten Situation (kein «immer», kein «schon seit Jahren»). Keine Unterstellungen und Interpretationen («Dir ist ja völlig egal, wenn andere für dich ‹bluten› müssen»).
- Benennen Sie, was das Verhalten bei Ihnen auslöst (Gefühle, Gedanken).
- Fragen Sie die Person, ob sie es ähnlich oder anders wahrnimmt.
- Formulieren Sie Ihr Bedürfnis konkret («Ich möchte, dass du das nächste Mal zahlst»).
Wenn Sie einige solcher konkreten Rückmeldungen geben, ändert sich vielleicht etwas. Falls nicht, müssen Sie entscheiden: Ist Ihnen dieser Mensch wichtig, auch wenn er sich nicht ändern kann oder will? Wenn ja: Versuchen Sie, einen pragmatischen Umgang zu finden. Rechnen Sie ruhig mit und fordern Sie das, was Ihnen zusteht, sachlich und schnörkellos ein.
Investieren Sie so wenig Emotionen wie möglich in die unangenehmen Situationen und akzeptieren Sie das Defizit. Das gelingt nicht immer. Wenn der Frust überwiegt: Gehen Sie auf Distanz oder beenden Sie den Kontakt.
«Eine Weihnachtsgeschichte»; Charles Dickens; Dearbooks, 2018, 104 Seiten, Fr. 13.90