Alles, was rechts ist
Patrick D. will den Konsumentenschutz von der rechtsbürgerlichen Seite aufrollen. Mit Telefonverkäufern sorgt er jedoch eher für Ärger denn für Kundenzufriedenheit.
aktualisiert am 7. Juli 2017 - 09:55 Uhr
In einem trostlosen Gewerbehaus zwischen Garagen, Tankstellen und Baumarkt wird eine kleine Revolution angezettelt. Hier, im zugerischen Cham, bastelt Patrick D.*, 33, am rechten Konsumentenschutz. Sein Konsumentendienst Schweiz soll zur Stimme der «mündigen Konsumenten» werden. Solchen, die selber wissen, was gut für sie ist. «Ich glaube an den liberalen Markt, der sich weitgehend selbst regelt», sagt D.
Ins Visier nimmt er ziemlich alles, was man heute mit Konsumentenschutz verbindet: die Stiftung für Konsumentenschutz, den «Kassensturz», den «K-Tipp», den Beobachter. Von ihnen fühlt er sich ungerecht behandelt. Und sie sind ihm zu links.
D. inszeniert eine rechte Alternative mit dem Printmagazin «Konsumer» und eigener Rechtsberatung. Für etwas Glamour sorgt Millionärsgattin Irina Beller. Als hilflose Moderatorin stolpert sie sporadisch durch das Magazin «Konsumer TV» auf dem Sender Schweiz 5. Der schöne Biobauer Renzo Blumenthal wirbt derweil im Nadelstreifenanzug für das Projekt: «Der ‹Konsumer› ist wie ich: frisch, dynamisch und ein wahres Schweizer Original.»
Das alles soll nur der Anfang sein. D. will einen nicht genannten SVP-Mäzen an der Angel haben. Doch «Abonnenten» und «Mitglieder», die D. über ein eigenes Callcenter akquiriert, melden sich seit Monaten empört beim Beobachter. Über 70 Beschwerden sind schon eingegangen, besonders viele in den vergangenen Wochen. Der Vorwurf ist happig: «Ich habe nie einem ‹Konsumer›-Abo oder einer Mitgliedschaft zugestimmt», sagt eine Anruferin. «Im Gegenteil: Ich erklärte am Telefon überdeutlich, dass ich das nicht wolle.»
«Ich wurde aufgefordert, drei Fragen zum Thema Konsumentenschutz zu beantworten. Als Dankeschön wurde mir ein Gratis-Probeabo angekündigt», so eine andere Hilfesuchende.
Dann erhielten die Angerufenen eine Bestätigung fürs «Schnupperabo» – und eine Rechnung über 50 Franken. Wer nicht zahlte, fand ein paar Monate später eine erste Mahnung über 95 Franken im Briefkasten – den Preis für ein ordentliches Jahresabo.
Der Beobachter legte D. einen exemplarischen Fall vor und verlangte die Tonbandaufnahme des Verkaufsgesprächs. Das Ergebnis ist eindeutig: Der Verkäufer sprach von einem Schnupperabo ohne weitere Kosten. «Wir legen Ihnen noch einen Einzahlungsschein bei, falls Sie unsere Arbeit unterstützen wollen», ergänzte der Verkäufer lediglich.
«Wir haben bis heute noch keinen einzigen Beratungsauftrag erhalten.»
Babette Sigg, Präsidentin Konsumentenforum
D. räumt inzwischen «Fehler» ein. Er fand sie aber weniger bei sich als bei einem Callcenter-Mitarbeiter, der sich nicht an Vorgaben gehalten habe. «Wir werden rechtliche Schritte gegen ihn prüfen», kündigt er an. Und: Auch andere Betroffene müssten die Rechnung nicht bezahlen, wenn sie sich beim Konsumentendienst meldeten.
In den gleichen Räumlichkeiten wie der Konsumentendienst befindet sich auch das Callcenter. Ende Juni hatte D. seinen grossen Auftritt als Bad Boy der Szene. Im «Blick» verteidigte er Schweizer Alias-Namen für Callcenter-Mitarbeiter mit -ic im Namen. Die Erfolgsquote sei doppelt so hoch.
Spricht D. über sein neues Projekt, funkeln seine Augen. Er demonstriert seine Homepage, schätzt aufmerksame Zuhörer, gibt bereitwillig Auskunft. Bloss: Wo sind die Berater, die Journalisten, die Callcenter-Mitarbeiter? Abgesehen von D.s Ehefrau ist an diesem Nachmittag niemand im Konsumentendienst. «Die Journalisten und ein Berater arbeiten am Morgen, das Callcenter läuft erst gegen Abend», erklärt D. Tagsüber sei man aber auch erreichbar. Die Anfragen würden dann von einem externen Callcenter erfasst und an Berater oder ein Anwaltsbüro weitergeleitet.
Bei kritischen Fragen wird D. ungemütlich bis ausfällig. Es folgen Mails über «Scheiss Lügenartikel» und die Drohung, den «News Abuse» des Beobachters über Medienpartner zu verbreiten. Und er zitiert Donald Trump: «Wenn du mit Scheisse wirfst, werde ich das Zehnfache zurückschmeissen. Und das Gute am Scheissewerfen ist, dass immer etwas hängen bleibt.»
Als Medienpartner erwähnt er die SVP-nahe «Basler Zeitung». Chefredaktor Markus Somm bestätigt, eine Anfrage für eine Partnerschaft erhalten zu haben. Auch eine Beteiligung soll Thema sein. «Es ist aber nichts entschieden», so Somm.
Der Ausschnitt aus einem Verkaufsgespräch zeigt: Der Kunde wird eingeladen, den Konsumentendienst freiwillig finanziell zu unterstützen. Später erhält er Rechnung und Mahnungen für ein Jahresabo.
Mit in D.s neuem Boot sitzt auch das Konsumentenforum (KF), das sich seit Jahrzehnten als bürgerliche Alternative im Konsumentenschutz anbietet, aber kaum mehr auf Resonanz stösst. Das KF soll D.s Kunden in Rechtsfragen beraten. Präsidentin Babette Sigg bestätigt die Zusammenarbeit, zeigt sich aber gleichzeitig irritiert: «Wir haben bis heute noch keinen einzigen Beratungsauftrag erhalten.» Man werde die Kooperation sicher nochmals überprüfen.
D. sorgt nicht zum ersten Mal für Unmut. Auch seine Vorgängerfirmen Swisscall und Datacom akquirierten Kunden für ein eigenes Projekt. Damals ging es um eine «Werbesperre». Für 99 Franken sollte sie unerwünschte Werbeanrufe unterbinden. Damals beschwerten sich Kunden beim Beobachter, weil sie jährliche Aborechnungen erhielten, obwohl sie die Werbesperre bereits für zehn Jahre im Voraus bezahlt hatten. Vor gut einem Jahr verkaufte D. Swisscall und Datacom an einen Schweizer Firmenhändler in Belgrad.
Der Beobachter wollte von D. natürlich wissen, wer der SVP-Mäzen sei, der seinen neuen Konsumentendienst mitfinanziert. Bestimmt würden seine «mündigen Konsumenten» die Antwort schätzen. «Wir nennen noch keinen Namen», sagt er. Und: «Irina Beller hat ohnehin dem ‹Blick› versprochen, dass er ihn als Erstes erfährt.»
* Name der Redaktion bekannt