Trittbrettfahrer täuschen Kunden
Der Rohrreiniger RohrMax ist bekannt – das nutzen andere Firmen systematisch aus. So tricksen sie online und offline.
Veröffentlicht am 5. Dezember 2018 - 14:32 Uhr,
aktualisiert am 5. Dezember 2018 - 10:01 Uhr
Später Abend, 22 Uhr, das Restaurant ist voll besetzt. Doch plötzlich liegt ein seltsamer Duft in der Luft. «Es stinkt», beschweren sich Servicekräfte bei Yvonne Strässle, fächern sich Luft zu. Die Duftspur führt die Mitarbeiterin des Zürcher Seebads Enge schnell zur Abwasserpumpe. Der Schacht ist schon mit Abwasser gefüllt, langsam strömt es über den Deckel.
Das Problem kann nicht warten, die Abwasserpumpe ist ausgefallen. Strässle googelt auf ihrem Smartphone «Rohrmax», findet unter dem ersten Treffer eine Nummer und empfiehlt dem Pikett-Monteur, mit dem grossen Wagen zu kommen. «Das hat mir der Servicetechniker der Abwasserpumpen-Firma geraten», erinnert sie sich. Trotzdem kommen die Monteure eine Stunde später mit einem kleinen Wagen. Dass sie das Problem mit diesem nicht lösen können, erkennen sie nach 40 Minuten. Und verlangen dafür rund 700 Franken. Strässle zahlte an Ort und Stelle, da dies vor dem Einsatz so vereinbart wurde.
Tage später ruft sie RohrMax noch einmal wegen der Rechnung an. Dieses Mal landet sie bei der richtigen Firma und erfährt, dass diese gar keinen Einsatz im Seebad hatte.
«Ähnlich wie Strässle geht es vielen Kunden», weiss Michael Schneider, der kaufmännische Geschäftsführer von RohrMax. Seit mehreren Monaten dokumentiert er Beschwerdefälle, in denen es zu Verwechslungen kam. Dabei stellte er fest, dass die meisten Betroffenen über Google bei den Tricksern landen. Wenns schnell gehen muss, tippen sie Stichworte wie «Rohrmax» oder «Rohrmax Zürich» ins Smartphone und wählen den ersten Treffer. Hinter diesem verbirgt sich jedoch nicht immer die richtige Website – obwohl der Google-Titel der Anzeige dies vermuten lässt:
Wenn «Anzeige» vor dem Link steht, haben Firmen oder Einzelpersonen dafür bezahlt, dass ihr Link an erster Stelle der Google-Suche erscheint. Die Anzeige können sie mit einzelnen Stichworten, sogenannten Keywords, versehen – auch geschützte Markennamen sind legal. Schaut der User nicht genau hin, kommt es schnell zu einer Verwechslung.
Laut Schneider erschienen unter dem Stichwort «Rohrmax» folgende Websites als bezahlte Anzeigen:
- Rohrhilfe24.ch
- Rohrexpert24.ch
- Rohrtech24.ch
- Rohrtech24h.ch
- Rohr-tech.ch
- Haustechnik24h.ch
- Haustechnik-rundumdieuhr.ch
Meist blieben die Seiten nur kurze Zeit online. Danach verwendeten sie ein ähnliches Design, wechselten aber die Domain . Es ist nicht eindeutig, ob hinter dem Trick ein Betreiber steckt oder ob es mehrere sind. Einige der Seiten führen dieselbe Telefonnummer und eine Kontaktadresse in Holland auf. Andere sind auf den Namen «Sanitär-Service GmbH» eingetragen und in Herisau stationiert.
Hinzu kommt, dass sich viele Websites optisch an RohrMax orientieren:
In diesem Fall missbrauchen die Betreiber den geschützten Markennamen sogar als Titel der Website. Dagegen konnte der Anwalt der Firma inzwischen vorgehen: RohrMax darf künftig weder im Titel der Website noch in demjenigen der Google-Anzeige auftauchen. «Trotzdem bleiben die Websites täuschend», findet Michael Schneider. «Damit prellen Trittbrettfahrer nicht nur Kunden, sondern schädigen auch unseren Ruf .» Einige spielen zum Beispiel mit dem Firmennamen, indem sie sich «Rohrreinigung Maxi Hilfe» nennen. «Meines Erachtens besteht Verwechslungsgefahr, wenn in Google-Anzeigen von Mitbewerbern Begriffe wie Rohrmax oder Maxi aufgeführt werden», kritisiert Rechtsanwalt Thomas Kohli. «Diese wird noch erhöht, wenn die verlinkten Websites ähnlich gestaltet sind.»
Auch gegenüber Kunden gaben sich die Firmen in mehreren Fällen explizit als «Rohrmax» aus oder behaupteten, in deren Auftrag zu arbeiten, wie Dokumentationen des Anwalts zeigen. Die Arbeiten wurden entweder mangelhaft oder gar nicht erledigt. Die horrenden Beträge mussten Kunden an Ort und Stelle bezahlen.
- Prüfen Sie die Website genau
Werfen Sie einen Blick ins Impressum: Wo hat die Firma ihren Sitz? Ist eine Telefonnummer angegeben?
- Empfehlungen einholen
Fragen Sie in Ihrem Umfeld nach Empfehlungen.
- Referenzen suchen
Auch Google kann Aufschluss über den Ruf einer Firma geben.
- Offerte verlangen
Verlangen Sie eine Offerte , wenn es sich nicht um einen Notfall handelt. Ansonsten fragen Sie am Telefon nach den ungefähren Kosten.
- Schriftliche Belege verlangen
Mündliche Vereinbarungen sind zwar durchaus üblich, verlangen Sie aber unbedingt schriftliche Aufstellungen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Sind die Kostenpunkte auf dem Beleg detailliert angegeben? Unterschreiben Sie Rapporte nur dann, wenn Sie von der Richtigkeit überzeugt sind.
- Verlangen Sie eine Rechnung
Bezahlen Sie nicht im Voraus. Seriöse Anbieter stellen Ihnen einen Einzahlungsschein aus.
Google hat das Trittbrettfahren einfach gemacht: Auch andere Unternehmen profitieren in bezahlten Anzeigen von den Namen ihrer Konkurrenzen. Im Jahr 2014 klagte Fleurop vor dem deutschen Bundesgerichtshof gegen den Lieferanten «Blumenbutler». Dieser hatte eine Anzeige unter dem Suchwort «Fleurop» geschaltet. Im konkreten Fall entschied das Gericht zugunsten von Fleurop, da durch die Anzeige der Eindruck entstand, es handle sich um ein Partnerunternehmen des Blumenlieferanten. Dennoch hielt das Gericht fest, dass die Verwendung fremder Markennamen als Keywords grundsätzlich erlaubt ist. Auch der Europäische Gerichtshof hat sich für die grundsätzliche Zulässigkeit von Keywords ausgesprochen. «Dies allerdings nur, solange nicht aufgrund der Aufmachung der Werbeanzeige fälschlicherweise der Eindruck entsteht, dass es eine Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber gibt», so Rechtsanwalt Thomas Kohli.
Dasselbe gilt bis auf Weiteres auch in der Schweiz. 2012 setzte sich das Obergericht des Kantons Thurgau erstmals mit einem solchen Fall auseinander und beschloss, dass die Buchung der Marke «ifolor» für Werbezwecke legitim sei.
Versetzt die Höhe der Handwerkerrechnung den Auftraggeber in Schockstarre, liegt das meist daran, dass die Preisabsprache im Vertrag zu nachlässig angegangen wurde. Im Merkblatt «Überschreiten des Kostenvoranschlags» erfahren Beobachter-Mitglieder, welche Art der Preisabsprache sich im persönlichen Fall am besten eignet, damit es später kein böses Erwachen gibt.