Unternehmer trickst Registerhaie aus
Adressbuchschwindler gehen immer dreister vor. Aber sie haben nicht mit der Raffinesse eines Bündner IT-Spezialisten gerechnet.
Veröffentlicht am 6. November 2024 - 17:16 Uhr
Wer derzeit eine Firma gründet und sie im Handelsregister einträgt, muss damit rechnen, postwendend mehrere fragwürdige Zahlungsaufforderungen zu erhalten. Solche Schreiben sehen aus wie Rechnungen von einer Amtsstelle – sind es aber nicht.
Oft prangt ein Schweizerkreuz im Briefkopf, oder der Absender verwendet das Wort «Schweiz» im Namen.
Aktuell sind mehrere Zahlungsaufforderungen von unterschiedlichen Anbietern im Umlauf, sie verlangen zwischen 400 und 700 Franken für einen Eintrag in einem Firmenverzeichnis, das weder einen offiziellen Charakter hat noch einen Mehrwert bringt gegenüber dem amtlichen Handelsregister.
«Wenn keine Annahme bzw. Zahlung erfolgt, behalten wir uns vor, Ihre Daten zu löschen.»
Zahlungsaufforderungen an Walter Neukom (Name geändert)
Gleich drei solche Zahlungsaufforderungen erhielt Walter Neukom, der nicht mit seinem richtigen Namen im Beobachter erscheinen will.
Fast wortgleich heisst es in ihnen: «Wenn keine Annahme bzw. Zahlung erfolgt, behalten wir uns vor, Ihre Daten zu löschen.» Zu Recht reagierte er skeptisch – und bezahlte keine einzige dieser Pseudo-Rechnungen. «Diese Registerhaie sind wirklich ruchlos», sagt Neukom.
Seit Jahren ein Ärgernis
Solche Zahlungsaufforderungen sind seit Jahren im Umlauf und sorgen bei Firmen für Ärger und Verunsicherung. Weil diese fragwürdigen Anbieter so aggressiv auftreten, werden sie auch «Registerhaie» oder «Adressbuchschwindler» genannt.
Viele verstossen mit ihren rechnungsähnlichen Schreiben gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Sie spekulieren darauf, dass Firmeninhaber nach der amtlichen Publikation ihrer Gründung (oder bei wichtigen Änderungen) eine Rechnung ungeprüft zahlen.
Auf seiner «Kostenaufstellung und Gebührenübersicht» warnt der Akteur sogar vor Betrügern.
Ein Akteur mit dem Namen SFHR geht besonders dreist vor. Auf seiner «Kostenaufstellung und Gebührenübersicht» warnt er sogar vor Betrügern.
«Warnung: Derzeit sind gefälschte Rechnungen im Umlauf. Diese Rechnungen wirken täuschend echt und weisen eine Ähnlichkeit mit unseren Schreiben auf. In der Regel besteht auch keine Kontaktmöglichkeit.»
Akteure halten sich im Hintergrund
Im Schreiben von SFHR ist zwar eine E-Mail-Adresse angegeben, doch die Fragen des Beobachters bleiben unbeantwortet. SFHR ist keine Firma, sondern offensichtlich ein Fantasiename.
Dahinter steht die in Zug domizilierte Stgr GmbH, die gemäss Handelsregister noch vor wenigen Monaten «SternGrill» hiess, ein Take-away betreibt und den Sitz zuvor im Kanton St. Gallen hatte.
Der Firmeninhaber hatte unter shva.ch bereits ein anderes fragwürdiges Firmenregister, diese Website wurde aber kürzlich vom Provider deaktiviert.
Adresse: «Vorname Nachname, Strasse 1, 0000 Zürich»
Eine ähnliche «Rechnung» verschickt derzeit die SBS Swiss GmbH. Auch sie versucht, ihre Spuren zu verwischen: Die Firma registrierte ihre Website, ohne einen Namen zu hinterlassen.
Inhaber des Domainnamens ist gemäss Switch, der Registrationsstelle für Internet-Domainnamen: Vorname Nachname, Strasse 1, 0000 Zürich. Gegenüber dem Beobachter kündigte Switch nun ein Verfahren zur «Halteridentifikation» an. «Wenn dies nicht innert zehn Tagen beantwortet wird, werden wir die Domain löschen.»
Inzwischen hat der Inhaber dieses Pseudo-Firmenregisters gemäss Handelsregister seine Firma einem Nachfolger übertragen. Auch die SBS Swiss GmbH liess eine Anfrage des Beobachters unbeantwortet.
Dumm gelaufen für diesen Schwindler
Ähnlich fragwürdig agiert ein Akteur, der unter dem Namen HRA-Stelle Schweiz auftritt. Er hält sich komplett im Hintergrund und konnte vom Beobachter auch nicht kontaktiert werden.
Das Einzige, was auf seinen «Rechnungen» zutreffend ist, ist die Bankverbindung. Allerdings ist diesem Adressbuchschwindler bei seinem fragwürdigen Geldeintreiben ein Fehler unterlaufen.
Er verpasste es, die im Brief verwendete Website ji-ch.ch auch tatsächlich zu registrieren.
Seither prangt hier eine Betrugswarnung.
Als ein Bündner IT-Unternehmer vor wenigen Monaten eine solche fragwürdige Zahlungsaufforderung erhielt und feststellte, dass die Website nicht registriert war, übernahm er sie kurzerhand selber. Seither prangt hier eine Betrugswarnung.
Weil er nun diesen Domainnamen besitzt, erhält der Bündner IT-Spezialist seither alle E-Mails von Personen, die sich bei der entsprechenden Mail-Adresse beschweren. «Innerhalb von wenigen Wochen erhielt ich rund 150 Reklamationen», sagt er.
Alle Zuschriften beantwortet er mit einem Standardschreiben und warnt die Empfänger davor, den fraglichen Betrag zu bezahlen.
Sie nehmen es für bare Münze
Erschreckend dabei: Viele halten die Pseudo-Rechnung für echt. Das erkennt der Bündner IT-Unternehmer etwa an den Zuschriften, die nun zu ihm gelangen.
Einige wollen wissen, wer den Auftrag für den Registereintrag erteilt habe. Andere erkundigen sich nach einer neuen IBAN-Nummer, weil die Bankverbindung inzwischen gesperrt sei.
Registerhaie mit hohem Gewinn
Auch wenn das fragwürdige Geschäft mit den Pseudo-Firmenregistern oft nur wenige Monate funktioniert, einträglich ist es allemal.
Ein Ermittler schätzt gegenüber dem Beobachter, dass Registerhaie innerhalb eines halben Jahres gut und gern einen Gewinn von rund 200’000 bis 400’000 Franken einstreichen.
In einem Fall, der Anfang Jahr aus dem Kanton Thurgau publik wurde, bezifferte die Staatsanwaltschaft die Schadensumme auf über 600’000 Franken und sprach von rund 1500 Geschädigten.
- Rechnungen von Einträgen und Mutationen im Handelsregister werden ausschliesslich von den kantonalen Handelsregistern verschickt (Adressen siehe zefix.ch)
- Melden Sie fragwürdige Zahlungsaufforderungen von Registerhaien dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco): fair-business@seco.admin.ch
- Sensibilisieren Sie die interne Buchhaltung/Administration (Flyer Seco Adressbuchschwindel).
Link zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: UWG, Art. 3, Absatz 1, lit. p