Unzählige Mails gehen hin und her, über Jahre. Zwischen Franziska Hofer, einem Versandhaus und einem Inkassobüro. Und das alles wegen eines Kleidungsstücks im Wert von 44 Franken. Ob es eine Bluse, ein Jupe oder eine Hose gewesen sein soll, ist bis heute unklar. Franziska Hofer weiss nur, dass sie Kleider bestellt und einen Teil zurückgeschickt hat. Und alles Behaltene bezahlt hat.

Doch Jahre später schickt das Versandhaus eine Rechnung. «Wofür?», fragt die gelernte Kauffrau zurück. Vielleicht ist ihr ja doch ein Fehler unterlaufen, denkt sie. Eine Erklärung bekommt sie nicht, dafür eine Mahnung. Sie schreibt dem Versandhaus nochmals, bekommt aber erneut keine schlüssige Auskunft.

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Inkassobüro will den vierfachen Betrag einfordern

Nun betritt das Inkassobüro EOS die Bühne und fordert 44 Franken samt weiteren «Kosten», insgesamt 162 Franken. Auch hier fragt Hofer nach: «Worum geht es überhaupt?» EOS antwortet mit einem «Kontoauszug». Doch auch dort steht nicht, ob Bluse, Jupe oder Hose. Und Rücksendungen oder Zahlungseingänge sind nicht aufgeführt. Hofer bestreitet schriftlich, EOS schickt weitere Mahnungen – so geht das über längere Zeit.

Hofer ist nicht die Einzige, die sich über Inkassobüros ärgert. Allein im Jahr 2022 wandten sich 247 Ratsuchende ans Beratungszentrum des Beobachters: wegen «Verzugsschadens» oder «Bearbeitungsgebühren», wegen falscher oder nicht berechtigter Forderungen.

Franziska Hofer weiss, dass sie recht hat. Das Beobachter-Beratungszentrum bestätigt: Das Versandhaus oder das Inkassobüro müssen nachweisen, dass man etwas schuldet – bis dahin muss man nichts bezahlen. Der Tipp: sich an die Ombudsstelle des Verbands Inkasso Suisse wenden. EOS ist wie fast alle Inkassobüros dort angeschlossen und muss sich an den Verhaltenskodex halten.

Verhaltenskodex nicht eingehalten

Die Ombudsstelle nimmt Hofers Beschwerde entgegen und lässt EOS Stellung nehmen. Zunächst hält das Inkassobüro an seiner Position fest, räumt dann aber einen Fehler ein. Der Fall hätte «abgeschlossen» werden müssen, weil Hofer «schlüssig und nachvollziehbar» dargelegt habe, warum sie nichts zahlen wolle. Weil das nicht passiert sei, seien automatisch Rechnungen rausgegangen. Dafür entschuldigt sich EOS bei Hofer.

Die Ombudsstelle beschreibt auf elf Seiten, wie das Inkassobüro gegen den Verhaltenskodex verstiess: Es sandte Zahlungsaufforderungen, obwohl es keinen Beweis für die Forderung hatte. Es verrechnete Verzugsschaden, ohne erst zweimal zu mahnen. Es hat die Schuldnerin «ungenügend über die konkrete Forderung und deren Zustandekommen informiert». Und: «Es kann den Schuldnern nicht zugemutet werden, einen derartigen Kontoauszug selbst zu entschlüsseln.»

Sich bei Ombudsstelle beschweren

Ende gut, alles gut. Aber bis dahin musste Hofer nach den Vorgaben des Verbands ordentlich in die Tasten greifen: erst schriftlich beim Inkassobüro reklamieren. Wenn das nichts bringt, das Formular von Inkasso Suisse ausfüllen. Dann in der schriftlichen Beschwerde darlegen, was passiert ist, was man bestreitet. Und zu erklären versuchen, welche Verhaltensregeln verletzt wurden. Am besten reicht man auch Schreiben des Inkassobüros ein.

Wenn eine Beschwerde begründet ist, kann die Ombudsstelle das Inkassobüro verwarnen und verlangen, dass es sich in Zukunft an die Vorgaben hält, Geldstrafen bis zu 20'000 Franken aussprechen und dem Verband gar vorschlagen, das Mitglied auszuschliessen.

Bevor die Ombudsstelle den Entscheid im Fall Franziska Hofer verschickte, teilte ihr EOS mit, man ziehe die Forderungen zurück. Dennoch verknurrte der Verband EOS zu einer Geldstrafe von 250 Franken sowie zur Übernahme der Verfahrenskosten von 500 Franken.

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Juristisch relevant ist nur die Betreibung

Viele Konsumentinnen und Konsumenten lassen sich abschrecken vom Aufwand, den eine Beschwerde bedeutet. Das zeigen die Zahlen der Ombudsstelle: Von 61 Beschwerden im Jahr 2021 zogen Betroffene 38 wieder zurück – meist weil sie die Eingabe hätten ergänzen müssen.

Was wäre passiert, wenn Hofer nicht zur Ombudsstelle gegangen wäre? Vermutlich hätte das Inkassobüro weiter schriftlich gedrängt. Und vielleicht irgendwann die Forderung an ein anderes Inkassobüro weitergegeben, das wiederum Mahnungen geschickt hätte. Juristisch sind solche Schreiben komplett irrelevant und haben keine Folgen. Reagieren muss man nicht Unberechtigte Forderung Darf ich mit dem Beobachter drohen? darauf, insbesondere wenn es keine Beweise gibt für die Forderung.

Erst wenn man Post vom Betreibungsamt Checkliste Das ist zu tun bei einer Betreibung bekommt, muss man aktiv werden: Man kann Rechtsvorschlag erheben. Wer genug Nerven hat, kann es darauf ankommen lassen und schauen, ob das Inkassobüro rechtliche Schritte einleitet oder nicht. Spätestens wenn die Sache vor Gericht kommt, muss es Beweise vorlegen. Man muss also nicht unbedingt zur Ombudsstelle.

Zusätzliche Gebühren bei Mahnung: Was muss man zahlen?

Viele Inkassobüros schlagen auf die Grundforderung einen sogenannten Verzugsschaden drauf. Der Verband Inkasso Suisse ist der Meinung, das sei rechtens, und macht gar Vorgaben zur Höhe des Verzugsschadens. Doch aus Sicht des Beobachters können Inkassobüros grundsätzlich keinen Verzugsschaden fordern. Es gibt nur ganz seltene Ausnahmen (siehe Merkblatt zu den Inkassokosten unten).

Wer also Post vom Inkassobüro bekommt, muss nur folgende Positionen bezahlen:

  • Hauptbetrag;
  • Verzugszinsen zu 5 Prozent während der effektiven Verzugszeit;
  • Mahngebühren, falls es dafür eine vertragliche Grundlage gibt, etwa in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Der Rest, insbesondere der sogenannte Verzugsschaden, ist nicht geschuldet. Parallel schickt man dem Inkassobüro den Musterbrief des Beobachters.

Inkasso: Was korrekt ist und was nicht

Inkassobüros müssen laut ihrem Verhaltenskodex

  • zuerst kontrollieren, ob man tatsächlich eine Lieferung oder Leistung erhalten hat und die Forderung fällig ist;
  • zweimal mahnen, bevor sie Verzugsschaden fordern;
  • die Maximalvorgaben des Verbands für Verzugsschaden einhalten;
  • im ersten Brief angeben: den Namen des Gläubigers, die Grundlage der Forderung, die Höhe von Hauptbetrag, Nebenforderungen, Verzugszins, Zinssatz und Verzugs- oder Gläubigerschaden;
  • einer Schuldensanierung Raus aus der Schuldenspirale Der Weg ist steinig, aber machbar zustimmen, wenn die Mehrheit der Gläubiger sie akzeptiert, die über zwei Drittel des Gesamtbetrags zugut haben;
  • die Schuldnerin oder den Schuldner vor unangemessener Belastung schützen;
  • sich um gütliche Einigung bemühen;
  • die Schuldnerin oder den Schuldner informieren, wenn man einer Wirtschaftsauskunftei etwas meldet;
  • den Fall abschliessen, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner gegen eine Betreibung Rechtsvorschlag erhebt und der Gläubiger nicht vor Gericht will – oder wenn die Forderung verjährt ist.


Das dürfen Inkassobüros nicht

  • mit Massnahmen drohen, die sie nicht ergreifen wollen;
  • mit Strafanzeige drohen, wenn es keine Anhaltspunkte für eine Straftat gibt;
  • Schuldnerinnen und Schuldner zu Hause oder am Arbeitsort besuchen und auch nicht damit drohen;
  • mehr als dreimal pro Tag anrufen;
  • Anrufroboter einsetzen.
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Ein Inkasso kann ein langwieriges Verfahren sein, wenn das Büro auf stur schaltet und die Forderungen nebulös sind. Gut beraten ist deshalb, wer seine Rechte kennt. Beim Beobachter erfahren Sie als Mitglied, wie Sie vorgehen, wenn von Ihnen ungerechtfertigte Inkassogebühren verlangt werden, und wie Sie diese mit Hilfe von Musterbriefen bestreiten. Ausserdem erhalten Sie einen Überblick über das Betreibungsverfahren und über die Verjährungsfristen.

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Nicole Müller, Ressortleiterin
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