Swiss knausert bei der Entschädigung für nicht geliefertes Gepäck
Kommt der Koffer nicht an, müssen die Fluggesellschaften für die Unkosten aufkommen. Die Swiss speist Kunden jedoch meist mit einer Pauschale ab.
Veröffentlicht am 28. November 2022 - 16:37 Uhr
Bruno Bötschi flog für fünf Tage nach London, sein Koffer hingegen landete in Ibiza. Erst am Abend des vierten Tages hätte die Swiss nach England nachliefern können. Da brauchte er sein Gepäck schon nicht mehr. Kann ja mal passieren, dachte der Zürcher. Verärgert hat ihn erst, wie es nachher weiterging.
Fünf Tage ohne Gepäck in London, da brauchte der 55-Jährige nicht nur ein paar frische Unterhosen, Deo und eine Zahnbürste. «Ich hatte ein wichtiges Treffen in einem noblen Restaurant», sagt der freischaffende Journalist. Er kaufte sich Hemd, Hose und Schuhe. «Alles so günstig wie möglich.»
Als er nach der Rückkehr in die Schweiz von der Swiss eine Entschädigung verlangte, wollte die Fluggesellschaft ihm jedoch nur einen Pauschalbetrag von 100 Dollar erstatten, knapp 100 Franken. «Meine Auslagen betrugen über 400 Franken», sagt Bötschi.
In der Regel die Hälfte des Preises
Geht Fluggepäck verloren, müssen die Fluggesellschaften die Unkosten übernehmen. Das ist im Montrealer Übereinkommen geregelt. Allerdings sind Entschädigungen auf maximal 1300 Dollar beschränkt.
«Wenn man einen Anzug kaufen muss, erstatten die Airlines in der Regel aber nur die Hälfte, man kann ihn ja auch später noch tragen», sagt Flugrechtsexpertin Julia Gubler vom Beobachter-Beratungszentrum. Nach dieser Rechnung dürfte Bötschi von der Swiss rund 200 Franken erwarten.
Die Fluggesellschaft aber blieb hart: Er könne die Pauschale akzeptieren oder aber einen höheren Betrag in Form eines Gutscheins für Swiss-Flüge auswählen, teilte sie Bötschi mit. Als er sich nicht zufriedengab, beantwortete sie seine Mails nicht mehr.
Reiseversicherung kann einspringen
Was für Möglichkeiten bleiben? Vor Gericht zu gehen wegen 100 Franken Differenz, mache keinen Sinn, sagt Beobachter-Beraterin Gubler. Besser melde man den Fall bei der Reiseversicherung oder der Hausratversicherung, falls man einen Gepäckzusatz abgeschlossen hat.
Alternativ könnte man es auch bei der Rechtsschutzversicherung versuchen. «Eventuell bietet sie einen Auskauf an und zahlt die Differenz, weil sich ein Gerichtsprozess nicht lohnt.»
Mehr Geld für Business-Class-Passagiere
Die Swiss bestreitet, sich nicht an geltendes Recht zu halten. Die Pauschalen seien Richtwerte. So erhalten Business-Class-Passagiere 200 und First-Class-Passagiere 300 Franken erstattet. «Bei Einreichung der entsprechenden Kaufbelege leisten wir unserer Kundschaft je nach Fall allerdings auch weitergehende Rückerstattungen, die über diese publizierten Richtbeträge hinausgehen», schreibt die Fluggesellschaft.
Allerdings steht auf der Swiss-Website eindeutig: «Maximale Rückerstattung Economy: 100 Dollar». Darauf hat sie Bruno Bötschi auch mehrmals verwiesen. Erst als der Beobachter die Fluggesellschaft kontaktierte, lenkte sie ein. «Nach erneuter Prüfung des vorliegenden Einzelfalls erachten wir ein weiteres Entgegenkommen im Sinne unseres Fluggasts als angebracht. Wir möchten unsere Kulanz in diesem Fall deshalb ausweiten und werden mit dem betreffenden Kunden Kontakt aufnehmen.»
Kein Einzelfall
Kurz nach Bruno Bötschi hat sich beim Beobachter auch Roland Cortivo gemeldet. Er flog im Sommer nach Nantes in Frankreich, sein Gepäck kam vier Tage später an. Die Belege für Badehosen, Unterwäsche, Socken und Hemd habe er gleich nach der Heimkehr ordnungsgemäss bei der Swiss eingereicht, sagt der 51-Jährige.
Trotz mehreren Nachfragen habe er jedoch nie etwas von der Airline gehört. «Auf E-Mails haben sie nicht geantwortet, und als ich anrief, hiess es, Fragen zum Gepäck werden nur schriftlich beantwortet.»