Standpunkt
Von goldenen Nasen und vollfetten Margen
Die grössten Schweizer Detailhändler schaden mit ihrer Preispolitik im Bio-Segment der Umwelt. Da muss etwas passieren.
Veröffentlicht am 11. Oktober 2023 - 12:18 Uhr
Wer umweltbewusst, ansatzweise tierfreundlich und ein bisschen gesünder einkaufen will, kauft Bio. Sofern das Portemonnaie es zulässt.
Ein Bio-Ei kostet bei Migros fast 40 Prozent mehr als konventionelles. Der Preisunterschied zwischen Bio-Kartoffeln und herkömmlichen beträgt bei Coop 75,6 Prozent. Ein Warenkorb mit Bio-Lebensmitteln ist bei Coop doppelt so teuer. Bei Migros, Lidl und Aldi beträgt der Preisaufschlag mindestens anderthalbmal so viel. Das zeigt ein Preisvergleich des Beobachters.
Irgendeiner in der Futterkette verdient sich offensichtlich eine goldene Nase.
Mathias Binswanger, Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz hat sie identifiziert: Migros und Coop. Die beiden grössten Schweizer Detailhändler beherrschen den Markt mit Bio-Produkten zu drei Vierteln und halten damit eine marktbeherrschende und -diktierende Stellung inne.
Binswangers Analyse zeigt zudem auf, wie wenig die Bauern für ihre Erzeugnisse erhalten. Die Detailhändler schlagen bei Bio-Produkten bis zu 700 Prozent auf. Das ist noch dreister als bei den Pharmakonzernen, die laut einer Beobachter-Recherche Margen von bis zu 400 Prozent anstreben.
Insgesamt, schätzt Binswanger, bezahlten wir im letzten Jahr rund 100 Millionen Franken zu viel für Bio-Produkte, würde man Margen ansetzen, die nicht mehr als 20 Prozent über jenen von konventionellen Produkten liegen.
Binswangers Untersuchung bestätigt Preisüberwacher Stefan Meierhans, der sich bereits Anfang Jahr zur Causa Bio gemeldet hatte. Er ging Meldungen zu möglicherweise missbräuchlichen Preisen bei Bio-Lebensmitteln nach. Das Ergebnis: In vier von fünf Fällen verkaufen Coop und Migros Bio-Produkte mit einem deutlich grösseren Aufschlag als vergleichbare konventionelle Produkte.
Der Anreiz, auf Bio umzustellen, fehlt
Von Preistreiberei wollen Coop und Migros nichts wissen: Sie würden keine höheren Margen mit Bio-Produkten erzielen – den Beweis bleiben sie schuldig.
Leidtragende sind neben den Konsumenten auch die Bio-Produzenten. Coop und Migros würden, so Binswanger, ihre Marktmacht gegenüber den Bauern ausspielen. Der Preisdruck auf die Produzenten sei so hoch, dass sie kaum ihre Produktionskosten decken können. Der Anreiz für Bauernbetriebe, auf Bio umzustellen, fehlt somit.
Womit wir beim dritten Leidtragenden sind: der Umwelt. Je länger konventionell produziert wird, desto schlechter für die Natur. Wie der Preisüberwacher fordert auch Binswanger, dass biologisch produzierte Waren nicht mehr als 20 Prozent teurer verkauft werden dürfen.
Zu hohe Preise machen renitent
Ich persönlich drehe den goldenen Nasen eine lange und kaufe Bio nur sporadisch. Eier beziehe ich bei meinem Nachbarn, der Hühner hält. Die Eier sind nicht bio. Dafür war ich schon im Stall und weiss, wie gut es den Tieren geht. Das ist mir wichtiger als das Bio-Label, das ich nicht kontrollieren kann.
Ich wäre bereit, mehr Geld für Bio-Ware auszugeben, aber wenn die Lebensmittel in der Bio-Version zwischen 57 und 100 Prozent teurer sind als normale Ware, werde ich renitent.
So dürfte es nicht nur mir gehen. In den letzten fünf Jahren ist der Umsatzanteil an Bio-Lebensmitteln am Schweizer Lebensmittelmarkt laut «Biobarometer» des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (Fibl) um 22,5 Prozent gewachsen. Mittlerweile liegt er bei 11,2 Prozent und beläuft sich auf 3,278 Milliarden Franken.
Das könnte deutlich mehr sein, wenn die Preise tiefer wären. Die Detailhändler werden – das liegt in der Natur der Sache – keine Einsicht zeigen. Gefordert ist die Politik, denn das heutige Kartellgesetz sieht weder Preis- noch Margenkontrollen vor.
4 Kommentare
Wie wäre es, wenn man die Preise - wo möglich - einfach umkehrt, also Bioprodukte zu Preisen für konventionelle Produkte und umgekehrt verkauft? Die konventionellen Produkte sind schädlich für die Umwelt, die Biodiversität und u.U. für unsere Gesundheit. Sie würden also mit einer Art "Strafsteuer" belegt, deren Etrag man nutzen könnte, um Bio zu fördern und eben günstiger zu machen im Verkauf, aber so, dass die Produzierenden genug verdienen damit. Davon würden die Biobauern und -bäuerinnen profitieren, die Umwelt und die Gesundheit. Und der Anreiz, Pestizide etc. für "billige" Produkte zu nutzen, wäre viel kleiner, weil die meisten Konsument/innen wohl lieber günstige Bio- als teure konventionelle Produkte kaufen würden.
Bei den nächsten Wahlen dürfen keine Politiker:Innnen mehr aufgestellt werden, die Mandate aus der Wirtschaftswelt u.a. erhalten. DAS sind keine Volksvertreter:Innen mehr, sondern Anwälte des eigenen Portemonnaies. Was die Preissituation bei den Bioprodukten betrifft schreit zum Himmel - vor allem wenn man bedenkt, wie sich die Bauernschaft von den 2 grossen GENOSSENSCHAFTERn (der Name gehört ja abgeschafft) erniedrigen lässt. Man müsste ehrlicherweise sagen, sie lassen sich aus irgendeinem Grund an der "Nase herumführen". Warum wohl?
NB: Als ich früher noch auf ausländischen Bauernmärkten (E,I,F, D) Gemüse, Salate u.a. eingekauft und mit denselben Produkten in den (ausländischen) Mercadonas/Marchés verglichen habe, ja, da war ein Preisunterschied festzustellen. Hier in der Schweiz? Marktwirtschaft ist hier ausgehebelt.
Lieber Beobachter: Bleib bitte dran und stelle die Missstände an den Pranger (*Beobachterpranger").
Direktverkauf (Hofläden und Solawi) wären Hilfen. Aber ich versuchte schon, etwa Zwetschgen oder die alte Sorte Boskoop in meiner Region zu bekommen, erfolglos, auch den Bio-Verband fragte ich. Mein Fazit: Ohne funktionierende Alternativen nützt die Kritik an den Marktführern nichts.
Migros, COOP und Co...interessieren sich ausschliesslich um profitable Geschäfte! Mit Garantie aber NICHT um ein gesundes Ökosystem - TIER und MENSCH!
KonsumentenInnen können selber wählen, bei wem sie was konsumieren, wen sie unterstützen wollen!!
Wenn also MIGROS, COOP und Co weiter expandieren können, so liegt das logischerweise auch an den KonsumentenInnen!!
Der Mensch ist, was der Mensch isst und trinkt(WASSER)!
Der Mensch ist das letzte Glied in der Nahrungskette...!!!
Die Gesundheit der Bevölkerung kümmert die Zuständigen/Verantwortlichen NICHT (BAG, BAFU, BLW, BLV und Co)!!!