Stop-and-go mit Uber
Uber muss seine Fahrerinnen und Fahrer wie Angestellte behandeln und Sozialabgaben bezahlen. Das hat das Zürcher Sozialversicherungsgericht entschieden. Uber will dagegen Beschwerde beim Bundesgericht einlegen. Das ist gut – für alle Fahrer.
Veröffentlicht am 7. Januar 2022 - 18:22 Uhr
Mit dem Zürcher Urteil stuft ein weiteres kantonales Gericht die Uber-Fahrer als Angestellte ein. 2020 hatte bereits das Waadtländer Obergericht in einer arbeitsrechtlichen Beurteilung so entschieden. Weil Uber damals nicht gegen den Entscheid rekurrierte, blieb es bei einem «Einzelfall» aus dem Kanton Waadt – zumindest aus Sicht von Uber.
Im Zürcher Urteil geht es um den Status der Fahrer im Sozialversicherungsrecht. Auch hier gelten sie nun als Angestellte. Mit dem Urteil eröffnet sich jetzt die Chance, den rechtlichen Status endlich für alle Fahrenden in der Schweiz zu klären. Denn Uber hat gegenüber der NZZ angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Dann müsste das Bundesgericht entscheiden.
Der Zürcher Entscheid ist das Ergebnis jahrelanger Auseinandersetzungen zwischen der SVA Zürich und Uber. «Es ist ein bedeutender Grundsatzentscheid für die Sozialversicherungen. Darauf haben wir lange gewartet», kommentiert die SVA den Entscheid. Allerdings werde sich für Fahrerinnen und Fahrer vorläufig nichts ändern, sollte Uber den Fall ans Bundesgericht weiterziehen.
Die Gewerkschaft Unia würde dies begrüssen. «Es braucht endlich Rechtssicherheit für alle Fahrerinnen und Fahrer», sagt Roman Künzler, Verantwortlicher Logistik und Transport bei der Unia. Neben Sozialabgaben gehe es auch um das Einhalten des Arbeitsrechts und die Beteiligung an den Fahrzeugkosten.
Die Krux mit dem Jahr 2014
Auch aus Sicht der kantonalen Ausgleichskassen wäre ein höchstrichterlicher Entscheid hilfreich: «Wir möchten möglichst standardisiert und berechenbar entscheiden können», sagt Andreas Dummermuth, Präsident der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen. Ein Bundesgerichtsentscheid würde eine noch eindeutigere Klärung bringen. «Auch in anderen Ländern haben höchste Gerichte über die Uber-Frage entschieden», so Dummermuth.
Die vom Zürcher Gericht beurteilten Fälle betreffen allerdings nur das Jahr 2014. Seither hat Uber die Rahmenbedingungen für die Fahrerinnen und Fahrer immer wieder geändert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Uber künftig erneut gegen einen Angestelltenstatus seiner Fahrer argumentieren wird – für die Zeit nach 2014. Rechtliche Auseinandersetzungen können so von vorn beginnen. «Sogar ein Bundesgerichtsentscheid ist darum immer nur ein Indiz für die aktuelle Situation», sagt Andreas Dummermuth.
Unklar ist auch, in welchem Umfang aussehende Abgaben für die vergangenen Jahre eingefordert werden können. Sozialabgaben, aber auch Löhne und Auslagen können gesetzlich nur fünf Jahre zurück eingefordert werden, Uber ist aber schon seit 2013 in der Schweiz tätig. Die Ausgleichskassen müssen darum jährlich Forderungen stellen, um keine Verjährungen zu riskieren. Auch wenn die genauen Zahlen unbekannt bleiben.
Sozialabgaben hinterlegen
Gewerkschaften warnen, dass der Konflikt dennoch auf dem Buckel der Fahrerinnen und Fahrer ausgetragen wird. Zum Beispiel wenn sich ein Unternehmen plötzlich aus der Schweiz verabschiedet. Die Unia forderte darum im Beobachter unlängst eine Art Umkehr der Beweislast. Ein Unternehmen sollte Sozialabgaben zwingend hinterlegen müssen, sobald es amtlich als Arbeitgeber eingestuft wird. Wenn ein Gericht später einen rechtskräftigen gegenteiligen Entscheid fällt, müssten die Gelder dem Unternehmen halt zurückerstattet werden. «Jetzt ist die Politik gefordert, eine solche Lösung zu erarbeiten», sagt Roman Künzler von der Unia.
Uber drohte in der Vergangenheit schon, die Schweiz zu verlassen, sollten die Fahrer als Angestellte taxiert werden. Dass dies moderne Geschäftsmodelle verhindern könnte, ist für Andreas Dummermuth schwer nachvollziehbar. «Digital verwaltete, flexible und innovative Geschäftsmodelle sind in der Schweiz sehr gut realisierbar. Das AHV-Recht ist dabei sicherlich kein Hinderungsgrund.»
Uber argumentierte stets, nur den Kontakt zwischen Fahrern und Kunden zu vermitteln. Es bestehe keine Arbeitsverpflichtung und darum auch kein Arbeitsverhältnis mit den Fahrern.
Das Zürcher Sozialversicherungsgericht erkannte zwar Elemente, die auf eine selbständige Tätigkeit hindeuteten, zum Beispiel die Flexibilität bei den Arbeitszeiten und die Möglichkeit, für ein Konkurrenzunternehmen oder als Selbständige Taxifahrer zu arbeiten.
Ausgeprägtes «Subordinationsverhältnis»
Für das Gericht entscheidend sind aber das «ausgeprägte Subordinationsverhältnis» und ein «wirtschaftliches und rechtliches Abhängigkeitsverhältnis» von Uber. Zum Beispiel durch Weisungen, die zwar als «Empfehlungen» verfasst wurden, aber «mittels eines Systems von Überwachung, Bewertung durch Fahrgäste und vertraglichen Sanktionen» durchgesetzt werden können. Auch würden die Fahrgäste ausschliesslich über die Uber-App vermittelt. Fahrer handelten – insbesondere aus Sicht des Publikums – weder in eigenem Namen noch auf eigene Rechnung.
Ob selbständig oder angestellt, ist nicht nur arbeitsrechtlich, sondern auch für die soziale Absicherung der Fahrer und Fahrerinnen bedeutend, zum Beispiel ob Beiträge an die Altersvorsorge bezahlt werden. Die kantonalen Sozialversicherungsanstalten (SVA) taxierten die Uber-Fahrer stets als Unselbständige, was eben auch eine Beitragspflicht nach sich zieht.