Es sind Geschichten, die aufrütteln – weil sie Missstände benennen. Wenn Betroffene dank unseren Recherchen zu ihrem Recht kommen, erfüllt das unsere Redaktion mit Freude – und auch etwas Stolz. Denn: Gerechtigkeit ist den Journalistinnen und Journalisten unserer Redaktion wichtig.

Es gehört zur DNA des Beobachters, Menschen abseits des Rampenlichts zuzuhören.

Journalismus hat als vierte Gewalt die Aufgabe, den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Gleichzeitig gehört es zur DNA des Beobachters, den Menschen abseits des Rampenlichts zuzuhören. Und ihnen eine Stimme zu geben.

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Hier gibt es eine Auswahl unserer Erfolge von 2024.

1. Heimkinder in Europa: Entschädigung nach Schweizer Vorbild

Eine Statue mit Menschenfiguren vor einer Reihe von Flaggen vor dem Gebäude des Europarates in Strassburg.

Menschenrechte-Denkmal (Mariano González Beltrán) vor dem Gebäude des Europarats in Strassburg

Quelle: IMAGO/Richard Wareham

Die 46 Mitgliedsländer des Europarats werden derzeit angehalten, das an Kindern in Heimen und anderen Institutionen begangene Unrecht aufzuarbeiten und ihnen eine Entschädigung auszuzahlen.

 

Eine treibende Kraft hinter dem Schweizer Gesetz war der Beobachter.

Vorreiter dieser Resolution des Europarats – und damit Vorbild – ist die Schweiz mit dem Gesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981. Eine treibende Kraft dahinter war unter anderen Akteuren auch der Beobachter.

Der Beobachter war vor zehn Jahren Teil der Trägerschaft dieser «Wiedergutmachungsinitiative». Das Parlament entschied sich aufgrund des Drucks der Initiative für einen Gegenvorschlag. Dieser wurde angenommen. Seither können Betroffene beim Bund einen Solidaritätsbeitrag von 25’000 Franken einfordern.

2. Krankenkassen: Mit dem Prämienticker gegen steigende Kosten

Collage mit Abbildungen eines Auges, gestapelte Münzen, Menschen, Medikamente und einer Uhr.

Gesundheitskosten und Systemfehler im Blick: Prämienticker in Echtzeit

Quelle: Freepik, iStockphoto, Getty Images - Illustration: Andrea Klaiber

Im Herbst 2024 hat der Beobachter den Prämienticker mit der gleichnamigen Internetseite lanciert. Grund: Die Kosten im Gesundheitswesen steigen und steigen. Mit dem Prämienticker will der Beobachter dazu beitragen, diese Entwicklung zu bremsen und Fehler im System aufzudecken.

Der Prämienticker zeigt in Echtzeit, wie viel Geld die Krankenkassen seit Beginn des Jahres an Ärztinnen, Spitäler und andere Erbringer von medizinischen Leistungen ausgezahlt haben.

Unsere Leserinnen haben uns viele Hinweise gegeben.

Besonders konstruktiv: Unsere Leserinnen und Leser unterstützen den Beobachter bei den Recherchen. Mehr als 120 Personen haben uns bislang ihre Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen mitgeteilt.

Daraus resultieren Recherchen wie die über Augenärzte, die Seniorinnen und Senioren als eigentliche Melkkühe behandeln. Über Spitäler, Ärztinnen und Ärzte, die falsche Rechnungen in Milliardenhöhe ausstellen und Saläre beziehen, die weit über dem Durchschnitt der Löhne der Prämienzahlenden liegen.

3. Bergsturz von Bondo: Gericht untersucht Verantwortung neu

Die grauen Geröllmassen eines grossen Bergsturzes liegen am Hang eines Berges und gehen bis ins Tal.

Wanderweg nicht abgesperrt: mehrere Tote beim Bergsturz von Bondo

Quelle: Andrea Badrutt

Der Beobachter bewegt auch die Justiz. Als 2017 ein Wanderweg nicht vorsorglich gesperrt wurde, starben acht Menschen unter den Felsmassen im südbündnerischen Bergell.

Lange haperte es bei der juristischen Aufarbeitung. Erst im Sommer 2024 – sieben Jahre nach dem Bergsturz – entschied die Bündner Staatsanwaltschaft, Anklage gegen fünf Entscheidungsträger zu erheben. Grundlage dafür war ein unabhängiges Gutachten, das die Angehörigen der Opfer vor Gericht erkämpft hatten.

Die Beobachter-Journalistin deckte die Alarmzeichen vor dem Unglück auf.

Dieses Gutachten kam auch dank der Arbeit des Beobachters zustande. Er deckte in mehreren Artikeln die Alarmzeichen vor dem Bergsturz auf und liess renommierte Fachleute zu Wort kommen, die die Forderung nach einem solchen Gutachten unterstützten.

Weitere Recherchen, gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip, förderten blinde Flecke bei den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft zutage. Nämlich dass es vor und nach der Katastrophe unter Fachleuten unterschiedliche Einschätzungen zur Gefahr gegeben hatte. Die Gerichtsverhandlung in St. Moritz soll 2025 stattfinden.

4. Jenische: Bundesrat prüft jetzt den Vorwurf des Völkermords

Drei Kinder in Winterpullovern halten einen Welpen in der Hand, sie stehen vor einem Wohnwagen, ein Kind trägt eine Fellmütze.

Die Schweiz wollte ihre Kultur auslöschen: jenische Kinder, Aufnahme zirka 1960

Quelle: Photopress-Archiv/Keystone

Strafrechtsprofessorin Nadja Capus wurde im Interview mit dem Beobachter deutlich: «Das erfüllt den Tatbestand des Völkermords», sagte sie vor zwei Jahren. Und löste mit dieser Aussage viel aus.

Die Organisationen der Fahrenden und Jenischen schickten das Interview Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider. Und forderten, dass der Bund das genozidale Ausmass der Jenischen-Verfolgung anerkennt.

War das kultureller Genozid?

Die Schweiz hat zwischen 1926 und 1973 rund 2000 Kinder mit jenischen Wurzeln ihren Eltern weggenommen. Massgeblich daran beteiligt war das sogenannte «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» der Pro Juventute, das vom Bund unterstützt wurde. Es wollte verhindern, dass die Kinder die Kultur ihrer Eltern und Vorfahren kennenlernen und weitergeben.

War das ein kultureller Völkermord? Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im juristischen Sinne, wie Capus sagt? Diesen Vorwurf klärt der Bund nun ab.

Ein Rechtsgutachten dazu ist bereits seit Wochen fertig und soll demnächst dem Bundesrat vorgelegt werden. Es bildet «die Grundlage und Voraussetzung für die Beurteilung des weiteren Vorgehens».

5. Behördenfehler: Der Beobachter interveniert – und das Geld kommt an

Eine Frau sitzt in einem Liegestuhl unter einem blauen Sonnenschirm am Strand, im Hintergrund das blaue Meer.

Amtsfehler: EL-Bezügerin war gar nicht ausgewandert – bloss in den Ferien.

Quelle: Getty Images

Manchmal sind es vermeintlich kleine Dinge, die durch einen Beobachter-Bericht geradegerückt werden. Wie in diesem Berner Fall: Die Ausgleichskasse des Kantons strich einer 54-jährigen Frau fälschlicherweise die Ergänzungsleistungen.

​​​Das Amt hatte angenommen, die Bernerin sei ausgewandert. Tatsächlich war sie bloss drei Wochen in Spanien in den Ferien gewesen. Als sie sich beschwerte, wurde sie abgewimmelt. Sie könne ja einen neuen Antrag auf Ergänzungsleistungen einreichen, hiess es an der Loge des Amts.

Einige Tage später hatte die Bernerin das Geld schnell auf dem Konto.

Erst als sich der Beobachter einschaltete, ging es plötzlich schnell. Wenige Tage nach der Medienanfrage hatte die Bernerin die Ergänzungsleistungen auf dem Konto. Das Amt hatte die eigene Verfügung kurzerhand für ungültig erklärt – ohne jedoch einen Fehler einzugestehen.

6. Sexueller Missbrauch: Familie muss nicht an Tatort zurück

In der Illustration sitzt ein Mädchen an einem Tisch, und schaut mit ängstlichen Augen über ihre hingelegten Arme auf Fotos auf dem Tisch.

Missbrauchtes Mädchen sollte mit mutmasslichem Täter leben: Die Gemeinde blieb zunächst hart.

Quelle: bunterhund Illustration

Die Einzimmerwohnung, in der die vierköpfige Familie Moradi jetzt lebt, ist winzig. Oft gibt es nicht einmal warmes Wasser. Und trotzdem war es die bessere Option: «Wir mussten zwischen Pest und Cholera wählen», sagt Mutter Marjam. Bis Oktober lebte die Familie in einer Zweizimmerwohnung; dann kam der Schock: Weil diese saniert wird, sollte die geflüchtete Familie ins Asylheim umziehen.

«Die Menschlichkeit des Beobachters gab uns Hoffnung.»

Marjam Moradi (Name geändert), Mutter des Opfers

Das weckte bei Moradis, die eigentlich anders heissen, schlimme Erinnerungen. Denn dort hatten sie schon einmal gelebt. Als ihre Tochter im Asylheim die Aufnahmeklasse besuchte, wurde sie von einem jugendlichen Klassenkollegen sexuell missbraucht.

Das Mädchen war danach schwer traumatisiert. Der mutmassliche Täter, der im gleichen Asylheim lebte, wurde nie ermittelt. Die Mutter wollte unter keinen Umständen zurück an diesen Ort – doch die Gemeinde blieb hart. Man müsse alle Asylsuchenden gleich behandeln.

Erst nachdem der Beobachter und die Opferschutzstelle Castagna mit Verweis auf eine mögliche Retraumatisierung der Tochter intervenierten, lenkte die Gemeinde ein. «Die Menschlichkeit des Beobachters gab uns Hoffnung in einer sehr schwierigen Zeit», sagt Mutter Marjam.

7. Konkurs: Bauernfamilie behält Oberwasser

Ein Mann schiebt ein Landwirtschaftsgerät auf einer grünen Bergwiese, im Hintergrund hohe Berge.

Dank der Hilfsbereitschaft der Beobachter-Leserinnen: Bauernfamilie kann wieder arbeiten.

Quelle: Remo Inderbitzin

Viel Solidarität löste auch die Geschichte vom Unglück einer jungen Bauernfamilie aus. Bei der Übernahme des Hofs in Uri hatte sie alle Maschinen in den Service gebracht. Doch der Mechaniker meldete unerwartet Konkurs an.

Im darauffolgenden Chaos wurden wichtige Maschinen der Bauernfamilie ohne ihr Wissen versteigert oder kamen sonst wie abhanden. Schuld daran war zwar auf dem Papier der Mechaniker – doch dieser war finanziell ruiniert. Schadenersatz zu erwarten, war hoffnungslos.

Dank unseren Lesern kam die junge Familie wieder auf die Beine.

Weil die Familie andere vor einem ähnlichen Schicksal bewahren wollte, wandte sie sich an den Beobachter – und wurde von der Hilfsbereitschaft der Leserschaft überrascht.

Zahlreiche Personen meldeten sich – teils auch direkt bei der Bauernfamilie –, um ihre Unterstützung anzubieten.

Die gefragtesten Themen an der Beobachter-Hotline im 2024:

Dank dieser Hilfe konnte die Familie unter anderem einen dringend benötigten Schneetöff kaufen und ist inzwischen wieder auf die Beine gekommen. Auch die Polizei zeigte sich plötzlich hilfsbereiter: Eine Anzeige gegen den Mechaniker, bei der sie zuvor noch abgewinkt hatte, war jetzt doch möglich.