«Endlich», sagt Walter Emmisberger. Nach jahrelangem Engagement für die Aufarbeitung der fragwürdigen Medikamentenversuche in der Psychiatrie Münsterlingen am Bodensee erhält er als einer der Ersten vom Kanton Thurgau eine Entschädigung. Im Beobachter hatte er 2014 erstmals seine erschütternde Geschichte erzählt. 

Der Kanton teilt Emmisberger nun mit: «Durch die ambulante Krankenakte ist belegt, dass dem Gesuchsteller im fraglichen Zeitraum im Rahmen von Medikamententests mindestens eine noch […] nicht zugelassene pharmazeutische Prüfsubstanz verabreicht wurde.» Damit habe er aufgrund des neuen Gesetzes Anspruch auf den Solidaritätsbeitrag von 25’000 Franken

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Zwei Gesuche bereits bewilligt

Seit Anfang Jahr können Betroffene beim Kanton Thurgau eine solche Entschädigung beantragen. Vor wenigen Tagen teilte die zuständige kantonale Stelle mit, dass inzwischen 16 Gesuche eingegangen seien. Zwei wurden bereits bewilligt – darunter dasjenige von Walter Emmisberger – und eines abgelehnt. Anspruch auf einen Solidaritätsbeitrag haben Personen, die von den umfangreichen Medikamentenversuchen des Psychiaters Roland Kuhn zwischen 1940 und 1980 betroffen sind.  

Walter Emmisberger erfuhr vor über zehn Jahren nur durch Zufall, dass auch an ihm nicht zugelassene Substanzen ausprobiert wurden. Nach seiner Geburt 1956 wurde er seiner Mutter weggenommen und fremdplatziert. In dieser Zeit musste er Gewalt und Missbrauch über sich ergehen lassen. Als er vor über zehn Jahren seine Geschichte aufarbeiten wollte, stiess er in seiner Patientenakte der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen auf Hinweise zu den Prüfsubstanzen. 

2019 bestätigte eine Forschergruppe in einem detaillierten Bericht die umfangreichen, jahrzehntelangen Medikamentenversuche in der Thurgauer Psychiatrie.  

So beantragen Betroffene eine Entschädigung

Staatsarchiv Thurgau: Gesuchformular für Entschädigungsanträge
Staatsarchiv Thurgau: Medikamententests