Viel Geld für nichts
Ein Bergführer trägt ein hohes Risiko – und verdient wenig. Bei den Revisoren der Credit Suisse war es genau umgekehrt.
Veröffentlicht am 24. Januar 2025 - 15:00 Uhr
Der ehemalige Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle beobachtet Politik und Verwaltung kritisch weiter.
Vier Uhr morgens. Der Bergführer wartet in der Mönchsjochhütte auf seinen Gast. Bald werden sie gemeinsam den Mönch besteigen und dafür den vereisten Gipfelgrat überqueren müssen. In den letzten Jahren sind an dieser Passage mehr als zehn Personen in den Tod gestürzt. Der Bergführer erhält für diese Tour 750 Franken.
Der für die Revision verantwortliche Partner der Credit Suisse, Pricewaterhouse Coopers (PWC), erhält 500 Franken – pro Stunde. In seiner Verantwortung stehen keine Menschenleben. Er muss lediglich zusichern, dass die Vermögenswerte der Credit Suisse korrekt sind.
«Sind die Prüfer inkompetent – oder mitschuldig am ganzen CS-Fiasko?»
Zugegeben, keine einfache Aufgabe. Denn der Kunde macht es ihm nicht einfach. Bezahlte Bussgelder von 11 Milliarden Franken innert zehn Jahren, Beihilfe zum Steuerbetrug, schwere Verstösse gegen die Geldwäschereivorschriften. Dazu zwei Skandale im Jahr 2021: 5 Milliarden Franken, die durch den Zahlungsausfall des Investmentfonds Archegos verloren gehen. Und 10 Milliarden Franken, die eingefroren werden, als der Finanzdienstleister Greensill Insolvenz anmeldet.
Ein Prüfer kann nicht alles kontrollieren. Er stützt sich vor allem auf das interne Kontrollsystem (IKS) eines Instituts. Dieses System soll ermöglichen, die grössten Fehler zu korrigieren. Seit 2008 muss eine Revisionsstelle bescheinigen, dass ein IKS vorhanden ist. Dies tut PWC in ihrem Bericht 2021 – trotz aller Probleme, mit denen die CS konfrontiert ist. Vorbehaltlos.
Die USA machen Druck auf das Kartenhaus
Im darauffolgenden Jahr steigt der Druck der US-Aufsichtsbehörde. Die Securities and Exchange Commission (SEC) fängt an, unangenehme Fragen zu stellen. Eine betrifft das IKS der Credit Suisse. Doch die Behörde muss den Druck acht Monate lang aufrechterhalten, bis die Schwächen des IKS anerkannt werden. Am 14. März 2023 dann der Eklat. Der neue PWC-Bericht kommt zum Schluss: Das IKS der CS funktioniert nicht. Das Kartenhaus bricht zusammen.
Die Revisionsaufsichtsbehörde des Bundes soll kontrollieren, ob die CS-Prüfer ihre Arbeit richtig machen. Sie hat es ein bisschen getan. Zwischen 2015 und 2023 wurde aber kein Enforcement-Verfahren gegen KPMG oder PWC in Bezug auf ihre CS-Mandate eingeleitet. Laut der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) wurde die Aufsichtstätigkeit auch nicht an die neue Risikolage bei der CS angepasst.
Die Grenzen der Aufsicht gezeigt
Mark Branson, der die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Anfang 2021 aufgrund fehlender politischer Unterstützung frustriert verlassen hat, stellt gegenüber der PUK fest: Die Fälle Archegos und Greensill hätten die Grenzen der Aufsicht aufgezeigt, da die Kontrollorgane wie Verwaltungsräte und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften keine Gefahr für diese Positionen erkannt hatten.
Haben sie die Gefahr nicht erkannt – oder haben sie sie absichtlich ignoriert? Sind sie inkompetent – oder mitschuldig am ganzen CS-Fiasko?
Meinem Bergführer wird für sein Risiko wenig bezahlt, aber er hat mein Vertrauen. Einen unfähigen oder schlecht ausgerüsteten Gast wird er nicht auf den Mönch führen.
3 Kommentare
Noch ist immer es im Geklüngel der Banken erlaubt, sich dumm zu stellen. Warum das Controling nicht den Amis übertragen, die haben offenbar seit Mitte der 1990ern den besseren Durchblick.
"Die Fälle Archegos und Greensill hätten die Grenzen der Aufsicht aufgezeigt, da die Kontrollorgane wie Verwaltungsräte und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften keine Gefahr für diese Positionen erkannt hatten."
Danke Herr Huissoud für die erhellend Kollumne. Vor allem der Vergleich des Bergführers mir den Bankmanagern ist treffend. Es wäre mal Zeit, dass diese persönlich für ihre Handlungen haften müssten.
Genauso sehe ich das auch! Nicht jedoch die „kleinen Assistentinnen“, welche den Job ausführen, den ihnen der Chef aufgebrummt hat, sondern die Chef‘s, welche diese Entscheidungen treffen auf jeden Fall! Wenn sie sich schon in der Werbung „BANKHANDWERKER“ nennen, sollen sie auch so behandelt werden, nämlich wie ein Handwerker und nicht wie ein Banker! Ich finde dieses Wort „Bankhandwerker“ abscheulich, ja eigentlich sogar erniedrigend beim genauen Betrachten, und zwar wertet es meiner Ansicht nach NICHT die Handwerker auf, sondern die Banker, was ich gegenüber den Handwerkern widerlich empfinde! Dann sollen sie genauso geradestehen!