Der Kanton Luzern ist bis heute streng mit Bettelnden: Wer öffentlich um Geld fragt, braucht eine Bewilligung. Eine solche erhalten etablierte Organisationen wie das Rote Kreuz, Schulen oder Vereine. Nicht aber Menschen, die ums Überleben kämpfen. Dieses absolute Bettelverbot soll nun gelockert werden.

Auslöser ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). 2014 wurde in Genf eine Rumänin, die einer Roma-Gemeinschaft angehörte, zu einer Geldstrafe von 500 Franken verurteilt. Weil die damals 22-Jährige die Busse nicht zahlen konnte, musste sie fünf Tage ins Gefängnis. Dagegen wehrte sie sich bis vor die oberste Instanz – und bekam recht.

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Absolutes Verbot missachtet Menschenrechte

Der EGMR befand die Strafe Anfang 2021 für unverhältnismässig. Sie verletze das Recht auf Achtung des Privatlebens und verstosse damit gegen ein Menschenrecht. Bei der Rumänin handle es sich um eine arbeitslose Analphabetin aus sehr armen Verhältnissen. Als schutzbedürftige Person dürfe sie andere Menschen auch öffentlich um Hilfe bitten – zumal es ums Überleben gehe.

Nach dem EGMR-Urteil passten einige Kantone ihre Gesetzgebung an, darunter Genf, Zug und Schwyz. Auch Basel-Stadt entschied sich für ein partielles Bettelverbot, gegen das aber Beschwerde eingereicht wurde. Im vergangenen Jahr kam das Bundesgericht zum Schluss, dass das Bettelverbot in Basler Parks nicht zulässig sei. Auch dürfen Bussen gegen still bettelnde Menschen nur dann verhängt werden, wenn mildere Massnahmen erfolglos geblieben sind (der Beobachter berichtete).

Das gilt beim Betteln im Kanton Luzern

Daraus zog man im Kanton Luzern seine Lehren. Nun präsentiert die Regierung dem Parlament einen eigenen Vorschlag.

Das ist in Notsituationen erlaubt

  • Betteln im Sitzen
  • Massvolles Ansprechen

Das ist verboten

  • Arbeitsteiliges oder organisiertes Betteln
  • Stören der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung
  • Aggressives, aufdringliches oder einschüchterndes Verhalten
  • Betteln an stark frequentierten Orten oder auf Friedhöfen, Schulanlagen, Spielplätzen, bei Ein- und Ausgängen, ÖV-Haltestellen, Automaten
  • Unlautere Methoden, etwa Vortäuschen einer körperlichen Behinderung

Bei der Vernehmlassung im Frühling kam die Lockerung grundsätzlich gut an. Linke Parteien kritisieren aber schwammige Formulierungen, darunter das «Stören der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung». Auch sei unklar, was aggressives Verhalten sei und welche Orte häufig frequentiert würden. Willkür sei so programmiert.

Regierungsrätin Ylfete Fanaj widerspricht: «Von willkürlichen Bussen kann nicht die Rede sein. Wenn die Polizei eine Meldung erhält oder Fehlverhalten beobachtet, wird eine bettelnde Person in einem ersten Schritt weggewiesen.» Erst nach Missachtung einer polizeilichen Wegweisung wird strafbares Betteln im Ordnungsbussenverfahren geahndet, wobei Bussen bis zu 100 Franken vorgesehen sind.

Ist es sinnvoll, bettelnde Personen zu unterstützen?

Das soziale Netz in der reichen Schweiz fängt längst nicht alle auf. Die Konfrontation mit bettelnden Personen kann verunsichern: Soll man ihnen Geld geben? Sind Sachspenden besser? Was, wenn organisierte Banden hinter der Bettelei stecken?

Dieser Beobachter-Ratgeber beantwortet die wichtigsten Fragen: