Kinderspital stellt Long-Covid-Sprechstunde ein
Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die an Long Covid leiden, wird weiter ausgedünnt: Das Kinderspital Zürich beendet sein Angebot.
Veröffentlicht am 15. April 2025 - 17:40 Uhr
Rund 18’000 Kinder und Jugendliche leiden in der Schweiz an Long Covid: Behandlungsraum im neuen Kinderspital in Zürich.
Als die Leitung des Universitäts-Kinderspitals in Zürich, kurz Kispi genannt, am 19. März die zuweisenden Ärztinnen und Ärzte informierte, war der Gegenstand der Mitteilung faktisch längst vollzogen: Das Spital hatte seine Long-Covid-Sprechstunde für Kinder und Jugendliche stillschweigend auslaufen lassen und bot sie bereits nicht mehr an. Die spezialisierte Anlaufstelle existierte seit April 2022, die Patientennachfrage war gross.
Dabei wären solche Einrichtungen weiterhin dringend gefragt, wie das Kispi selber schreibt: «Betroffene Familien bedürfen einer umfassenden Begleitung und würden diese auch verdienen.» Doch man sei zurzeit «nicht in der Lage», eine interprofessionelle Sprechstunde für anhaltende Beschwerden anzubieten. Das steht im Informationsschreiben an die Ärzteschaft, das dem Beobachter vorliegt.
Unterversorgung verschärft sich weiter
Das Bedürfnis bestätigen, aber ein existierendes Angebot einstellen? Das ist für Chantal Britt, Präsidentin der Patientenorganisation Long Covid Schweiz und Mitgründerin des Ablegers Long Covid Kids, unverständlich. Die Schliessung sei ein schwerer Schlag, sagt die letztjährige Gewinnerin des Prix Courage des Beobachters. «Insbesondere die schwerstbetroffenen Kinder und Jugendlichen sind auf das Know-how des Kispi angewiesen.»
Die Sprechstunde am universitären Kinderspital in Zürich galt landesweit als kompetenteste Anlaufstelle in diesem Bereich. Entsprechend wurde die Diagnose einer Long-Covid-Erkrankung durch das Kispi auch von Schulen und Lehrbetrieben, von der Ärzteschaft und der Invalidenversicherung anerkannt.
Glossar
Nun würden Erkrankte und ihre Familien wieder sich selbst überlassen, kritisiert Britt, die Unterversorgung verschärfe sich weiter. «Denn Kinder und Jugendliche können nicht ohne weiteres von bereits überfüllten Sprechstunden für Erwachsene übernommen und über Jahre hinweg begleitet werden.»
BAG fordert besseres Angebot für Betroffene
Long Covid Kids geht aufgrund von Schätzungen, die auf Studien aus Grossbritannien und den USA basieren, davon aus, dass in der Schweiz rund 18’000 Kinder und Jugendliche von Long Covid betroffen sind. Etliche davon zusätzlich von myalgischer Enzephalomyelitis (ME), einer neuroimmunologischen Erkrankung, oder vom Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS). ME/CFS tritt hauptsächlich nach einer Virusinfektion auf. Die Krankheit äussert sich in extremer Erschöpfung und in einer Zustandsverschlechterung schon nach geringer körperlicher oder geistiger Belastung.
Die Problematik rund um Long Covid beschäftigt auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG). In einem Bericht von Ende 2023 hielt das Amt unmissverständlich fest, dass die Kantone in den Bereichen Diagnose, Behandlung, Versorgung und Finanzierung das Angebot für Betroffene verbessern und für die Zukunft sicherstellen müssten. Mit der Schliessung der Sprechstunde am Kispi passiert nun für Kinder und Jugendliche genau das Gegenteil.
Zurück an die niedergelassenen Ärzte
Das Spital begründet die Einstellung des Angebots damit, dass sich die Zuweisungsgründe mit der Zeit verändert hätten – zunehmend weg von einer Covid-Erkrankung, der ursprünglichen Zweckbestimmung. «Zu Beginn standen tatsächlich Covid und mangelnde Erholung im Vordergrund, zum Schluss Schulabsentismus und ein überfordertes System, dies jedoch oft ohne direkten Zusammenhang zu einem Infekt», sagt Lara Gamper, Abteilungsleiterin allgemeine Pädiatrie am Kispi.
Wenn eine ME/CFS-Erkrankung vorliegt, erfordert dies laut Gamper einen interdisziplinären Ansatz in Beurteilung und Behandlung. Niedergelassene Pädiaterinnen und Pädiater würden die erkrankten Kinder und ihre Familien sowie das therapeutische Umfeld viel besser kennen als ein Zentrumsspital. Entsprechend sei die Begleitung bei ihnen besser angesiedelt. «Wichtig sind ein rascher Ausschluss anderer körperlicher oder psychischer Ursachen und damit das Vermeiden zu vieler Abklärungen und verschiedener Sprechstunden.»
Stattdessen psychosomatischen Sprechstunde geplant
Ganz zurückziehen wolle sich das Kispi aber nicht, betont Lara Gamper. Als Nachfolgeangebot plane das Spital in den kommenden Jahren den Aufbau einer psychosomatischen Sprechstunde zur ganzheitlichen Abklärung und Begleitung komplexer Fälle.
- Kinderspital Zürich: Informationsschreiben der Klinikleitung an zuweisende Ärztinnen und Ärzte
- Bundesamt für Gesundheit: Post-Covid-19-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Informationsblatt für Schulleitungen, Lehrpersonen und schulische Fachpersonen
- Bundesrat: Wissenschaftliche Begleitung und Versorgung von Menschen mit Post-Covid-19-Erkrankung
- Patientenorganisation Long Covid Kids Schweiz
1 Kommentar
Wenn ich erneut lese, dass die Ressourcen für solch eine wichtige Anlaufstelle fehlen, kommt mir die Frage hoch, warum dies seit Jahrzehnten immer bei der Erkrankung ME CFS vorgeschoben wird. Denn bei allen anderen Krankheiten ist mir dies noch nie so zu Ohren gekommen! Ich habe das Gefühl, dass man das grosse Leiden der Betroffenen und ihrer Familie nach wie vor nicht wahrhaben, verstehen und sich tatsächlich dafür engagieren möchte. Es gibt Wege, die Erkrankung zumindest zu stabilisieren und den Betroffenen zu helfen, z. B
ihr Umfeld zu erhalten und ein einigermassen würdiges Leben leben zu können mit guten Hilfsmitteln, einer IV Rente, gewissen medikantösen Behandlungen etc. Wenn nun aber keine Kompetenz-Zentren mehr betrieben werden, wer hält dann alles für die Betroffenen zusammen, kämpft für sie und ermöglicht ihnen zumindest das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden?
Liebe Schweiz, liebe kantonale Verantwortliche der Gesundheitsdirektionen, ihr läuft da vollkommen in die falsche Richtung und ich bitte darum, innezuhalten und umzukehren!
Nicole Spillmann Al Kumrawi, Präsidentin mecfs Schweiz