Die Welt der Permanencen – das sind Arztpraxen mit erweiterten Öffnungszeiten – ist in Aufruhr. Sie «bangen um ihre Existenz», «kämpfen ums Überleben» wegen eines angeblichen «Frontalangriffs auf die Hausärzte». Viele Medien übernehmen diese Behauptung unwidersprochen. Dabei ist sie überhaupt nicht belegt. Vielmehr zeugen die Klagen von einem fehlenden Verständnis für Transparenz.

Was ist passiert?

Das Bundesgericht hat entschieden: Permanencen dürfen die Dringlichkeitspauschale von 45 Franken nicht standardmässig jedem Patienten verrechnen. Gleiches gilt für die Notfallpauschale von 60 bis 120 Franken. Diese Zusatzkosten sind nicht allein durch Behandlungen während erweiterter Öffnungszeiten gerechtfertigt.

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Unannehmlichkeit ist nicht gegeben

Die Pauschalen sollen Hausärztinnen und Hausärzte entschädigen, die eine Unannehmlichkeit erleiden – zum Beispiel, wenn sie während des Abendessens zu einer Patientin gerufen werden. Diese sogenannte Inkonvenienz sei in den Permanencen nicht gegeben. Denn die langen Öffnungszeiten gehörten zum frei gewählten Geschäftsmodell. Die fest angestellten Ärztinnen und Ärzte seien ohnehin anwesend.

Viele der vom Urteil betroffenen Arztpraxen liegen an bester Lage, zum Beispiel am Zürcher Hauptbahnhof. Doch die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ) hat die Krankenkassen aufgefordert, das Urteil einfach nicht umzusetzen. Sie würden sonst die Existenz der Praxen gefährden. Das ist befremdlich. In unserem Staat ist das Bundesgericht die oberste richterliche Instanz. Seine Entscheide ignorieren zu wollen, offenbart ein fragwürdiges Rechtsverständnis.

Offenbar stellt kaum jemand die Frage, ob die Permanencen tatsächlich vor dem Aus stehen, wenn die Pauschalen wegfallen. Warum?

Ein lukratives Geschäftsmodell

Für einige Betreiber scheint das Permanence-Modell sehr lukrativ zu sein. Wie dem Beobachter vorliegende Dokumente zeigen, erzielte ein Zürcher Permanence-Leiter im Jahr 2021 ein Einkommen von einer halben Million Franken. Er ist kein Einzelfall. Der Betreiber einer Permanence in der Westschweiz kam 2022 auf 480’000 Franken, im Folgejahr auf 476’000 Franken. Diese Zahlen lassen die alarmistischen Weckrufe der Permanence-Betreiber in einem anderen Licht erscheinen.

Finanziert werden die Einkommen und Umsätze mit den Geldern der Prämienzahlenden. Das eben erschienene UBS-Sorgenbarometer zeigt: Gesundheitsfragen, Krankenkassen und Prämien bereiten der Schweizer Bevölkerung mit Abstand die grössten Sorgen. Mittlerweile können über 2,2 Millionen Menschen in der Schweiz ihre Krankenkassenprämien nicht mehr selbst bezahlen.

Prämienzahlende haben Anspruch auf Transparenz

Krankenkassenprämien sind gesetzlich verordnete Abgaben, die alle zahlen müssen. Daher haben wir ein Recht, zu erfahren, wofür dieses Geld verwendet wird. Dieser Anspruch wird nicht erfüllt, weder in der aktuellen Kontroverse um die Permanencen noch im Gesundheitswesen insgesamt. Das muss sich ändern: Arztpraxen und Spitäler müssen der Öffentlichkeit Einblick in ihre Geschäftsbücher gewähren. Nur so können Prämien- und Steuerzahlende beurteilen, ob ihr Geld sinnvoll eingesetzt wird.

Die Kontrolle obliegt den Krankenkassen. Als Treuhänder der Prämiengelder sind sie freilich in einer unangenehmen Lage. Wenn sie rigoros gegen Ärztinnen und Ärzte oder Spitäler vorgehen, die nicht wirtschaftlich mit Prämiengeldern umgehen, riskieren sie einen Imageschaden als «böse Krankenkassen, die nicht zahlen wollen». Doch das müssen sie aushalten. Mit Blick auf die explodierenden Gesundheitskosten sollten Krankenkassen, Behörden und die Politik nicht reflexartig auf die Forderungen der Ärzteschaft eingehen. Zuerst sollten sie – im Interesse der Prämienzahlenden – mit Nachdruck die vom Gesetzgeber verlangte Transparenz einfordern.

Quellen