Um was geht es bei der Vorlage «Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer»?

Das Bundessteuergesetz soll so geändert werden, dass Eltern von minderjährigen oder in Ausbildung stehenden Kinder mehr Ausgaben von den Steuern abziehen Steuererklärung Das können Sie abziehen können. Die Vorlage will zwei Abzugsmöglichkeiten erhöhen:

  • Drittbetreuungskosten: Wird ein Kind unter 14 Jahren von Dritten betreut, etwa in einer Kita, einem Hort oder bei einer Tagesmutter, könnten Eltern neu 25'000 statt bisher 10'100 Franken abziehen. In den meisten Kantonen kostet ein nicht subventionierter Kitaplatz bei fünf Betreuungstagen pro Woche zwischen 26'400 und 32'400 Franken.
  • Allgemeiner Kinderabzug: Für Kinder unter 18 Jahren (oder für junge Erwachsene, die noch in einer schulischen Ausbildung stecken) können Eltern heute einen allgemeinen Kinderabzug von 6500 Franken machen. Dieser soll auf 10'000 erhöht werden. 

Stimmt das Volk der Vorlage zu, werden beide Abzugsmöglichkeiten neu ins Steuergesetz aufgenommen. Die Änderungen betreffen aber nur die direkte Bundessteuer – beim Löwenanteil der Steuerlast für die Eltern, nämlich bei den kantonalen Steuern, bleibt alles wie gehabt.
 

Was ist das Ziel dieser Vorlage?

Mit der Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs sollen Anreize geschaffen werden, damit vermehrt beide Elternteile Als Mutter Teilzeit arbeiten Ein Ehemann ist keine Altersvorsorge arbeiten gehen. So will der Bund den Fachkräftemangel bekämpfen. Er hofft, 2500 Vollzeitstellen mit inländischem Fachpersonal besetzen zu können, wie er in seiner Botschaft zur Vorlage schrieb. Diese Schätzung basiere allerdings «auf zahlreichen Annahmen und ist daher mit hohen Unsicherheiten behaftet».

Mit dem bestehenden System lohnt es sich für Paare oft nicht, dass beide in einem hohen Pensum arbeiten. Das Zweiteinkommen muss zu einem grossen Teil oder fast vollständig dafür verwendet werden, um das Kind familienextern betreuen zu lassen. Diese Kosten lassen sich nur teilweise von den Steuern abziehen. Durch die Erhöhung der Drittbetreuungsabzüge will der Bundesrat den Mittelstand entlasten und Anreize zu vermehrter Berufstätigkeit schaffen. 

Zusätzlich sollen auch Familien steuerlich entlastet werden, die ihre Kinder zu Hause betreuen: mit dem höheren allgemeinen Kinderabzug. Damit sollen Eltern jene Kosten von den Steuern abziehen können, die für Essen, Wohnen und Kleider pro Jahr für die Kinder anfallen. Gemäss einer älteren Schätzung des Bundesamtes für Statistik sind dies 11'300 Franken pro Jahr und Kind. Für jedes weitere Kind nehmen die Kosten ab. Der Abzug würde aber trotzdem pro Kind 10'000 Franken betragen.
 

«Diese Vorlage dient nicht dem Mittelstand»

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Ein Kommentar von Beobachter-Redaktorin Chantal Hebeisen zur Abstimmung vom 27. September 2020 über höhere Kinderabzüge.
Quelle: Beobachter Bewegtbild
Wieso beinhaltet die Vorlage gleich zwei Steuerabzüge?

Die ursprüngliche Vorlage des Bundesrates sah nur eine Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs von 10'100 auf 25'000 Franken vor. In der Parlamentsdebatte brachte aber der Zürcher CVP-Nationalrat Philipp Kutter einen neuen Aspekt vor: Man dürfe Familien, die die Kinder zu Hause betreuen, nicht benachteiligen und müsse auch den allgemeinen Kinderabzug erhöhen. National- und Ständerat waren sich in der Folge lange nicht einig darüber, ob dieser Einzelantrag mit in das Geschäft aufgenommen werden soll. Denn der höhere allgemeine Kinderabzug würde Kosten von geschätzt 370 Millionen Franken verursachen und profitieren würden vor allem Familien mit sehr hohen Einkommen, wie auch SVP-Bundesrat Ueli Maurer in der Ratsdebatte betonte. Beide Kammern stimmten mehrmals darüber ab. Der Nationalrat war dafür, der Ständerat dagegen. Nachdem eine Einigungskonferenz zustimmte, dass beide Abzugsmöglichkeiten neu ins Gesetz aufgenommen werden sollen, stimmte schliesslich auch der Ständerat zu.
 

Warum stimmen wir nun über die Gesetzesänderung ab?

Die SP hat gegen den Entscheid des National- und Ständerates das Referendum ergriffen. Kurz darauf unterstützte ein liberales Komitee die Linken bei der Unterschriftensammlung: Dieses entstand in den Reihen der Grünliberalen (GLP). Ihm gehören namhafte Politikerinnen und Politiker wie GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (Bern) und Tobias Vögeli, Co-Präsident der Jungen GLP und auch die beiden FDPler, Nationalrätin Christa Markwalder und Ständerat Andrea Caroni an. Die Unterstützung von Markwalder und Caroni ist deshalb erstaunlich, weil die FDP im Nationalrat das Zünglein an der Waage war und im letzten Moment dafür gesorgt hat, dass die höheren allgemeinen Kinderabzüge mit ins Vorlagenpaket geschnürt wurden.
 

Wie hoch sind die Steuerausfälle, die durch die Vorlage entstehen?

Der Bund geht davon aus, dass er bei einer Annahme der Vorlage rund 380 Millionen Franken weniger Steuern einnimmt: Der grösste Teil dieser Steuerausfälle entsteht durch den höheren allgemeinen Kinderabzug, nämlich rund 370 Millionen. Durch die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs kommen rund 10 Millionen weniger in die Bundeskasse. Auch die Kantone würden diese Steuerausfälle spüren: Gemäss Steuergesetz bleiben 21,2 Prozent der Bundessteuern bei den Kantonen, darum würden künftig auch in den Kantonskassen rund 80 Millionen Franken fehlen.
 

Wie viel Steuern kann eine Familie durch den höheren allgemeinen Kinderabzug sparen?

Für fast die Hälfte der Familien bringt diese Vorlage gar nichts: Rund 40 Prozent der Familien und Einelternfamilien zahlen keine direkte Bundessteuer. Bei den 60 Prozent der Familien, die die direkte Bundessteuer bezahlen, sind die Ersparnisse sehr ungleichmässig verteilt, wie die SP Schweiz mit Hilfe einer Statistik der Eidgenössischen Steuerverwaltung aus dem Jahr 2015 ausgerechnet hat: Ein Doppelverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern und einem steuerbaren Einkommen von 120'000 Franken würde durch den höheren allgemeinen Kinderabzug jährlich 171 Franken weniger Steuern bezahlen – bei einer Rechnung von 2685 Franken für die direkte Bundessteuer. Ein Doppelverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern und einem steuerbaren Einkommen von 180'000 Franken würde 478 Franken Steuern sparen (bei einer Steuerrechnung von 9460 Franken) und ab einem Einkommen von 300'000 Franken würden Doppelverdiener-Eltern mit zwei Kindern auf ihre Steuerrechnung von 25'000 Franken 910 Franken weniger bezahlen.
 

Wer muss direkte Bundessteuer bezahlen – und wer nicht?

Die direkte Bundessteuer schuldet man dem Staat erst ab einem gewissen Einkommen: Verheiratete oder Einelternfamilien mit einem Kind bezahlen bis zu einem steuerbaren Einkommen von 53'400 Franken keine direkte Bundessteuer, bei zwei Kindern bis zu einem steuerbaren Einkommen von 63'400. Dies, weil pro Kind 251 Franken von der Steuerrechnung abgezogen und für Beträge unter 25 Franken keine Rechnung verschickt werden. 

Ein Beispiel: Hat ein verheiratetes Paar ein steuerbares Einkommen von 60'000 Franken (der effektive Nettolohn läge hier bei 100'000 bis 115'000 Franken), so muss es gemäss Tarifliste 424 Franken direkte Bundessteuer zahlen. Hat es ein Kind, so bleibt nach Abzug der 251 Franken am Ende eine Steuerrechnung von 173 Franken. Bei zwei Kindern zahlt das Paar keine direkte Bundessteuer.

Wie viel Steuern sparen Familien durch den höheren Drittbetreuungskosten-Abzug?

Eine separate Berechnung für die Steuerersparnisse durch den höheren Abzug bei den Drittbetreuungskosten gibt es nicht. Der Bund macht aber folgendes Rechenbeispiel: Bei einem Ja zu beiden höheren Abzügen spart ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem steuerbaren Einkommen von 150'000 Franken (Steuerrechnung direkte Bundessteuer heute 5560 Franken) 

  • 1087 Franken, wenn der Krippenplatz 11'000 Franken im Jahr kostet
  • 2341 Franken, wenn der Krippenplatz 18'000 Franken im Jahr kostet
  • 3336 Franken, wenn der Krippenplatz 25'000 Franken oder mehr im Jahr kostet.
     
Wie viel kostet ein Kitaplatz, eine Hortbetreuung oder eine Tagesmutter im Schnitt?
  • Stadt Zürich: ein nichtsubventionierter Kitaplatz kostet bei wöchentlich zwei Betreuungstagen 12’480 Franken pro Jahr. Geht das Kind in den Kindergarten, so zahlen Eltern für zwei Betreuungstage pro Woche 6240 Franken im Jahr, der Mittagstisch kostet für ebenfalls zwei Tage die Woche 2640 Franken für 40 Wochen im Jahr (52 Wochen minus 12 Wochen Ferien). Für eine Tagesfamilie zahlen Eltern bei 10 Stunden Betreuung an zwei Tagen die Woche 8450 Franken für 48 Wochen im Jahr (52 Wochen minus 4 Wochen gesetzliche Ferien der Eltern).
  • Kanton Basel-Stadt: Für einen nicht-subventionierten Kitaplatz zahlen Eltern für zwei Betreuungstage pro Woche 10’560 Franken pro Jahr. Den gleichen Betrag müssen sie für eine Betreuung in einer Tagesfamilie an zwei Tagen pro Woche während 10 Stunden leisten.
  • Bern Fischermätteli: Ein nicht-subventionierter Kitaplatz kostet für zwei Tage pro Woche 13’632 Franken im Jahr.
  • Pfäffikon SZ: Für zwei Betreuungstage pro Woche zahlen Eltern von Kindern über 18 Monate 12'480 Franken pro Jahr und 14’400 Franken für Kinder unter 18 Monaten.
  • Stadt St. Gallen: Hier kostet ein Kitaplatz für Säuglinge 10'060 Franken pro Jahr, wenn das Kind zwei Tage die Woche betreut wird. Für Kleinkinder zahlen Eltern für ebenfalls zwei Betreuungstage 8150 Franken im Jahr, für Kindergartenkinder werden für die gleiche Anzahl Tage 5865 Franken im Jahr berechnet.

Bei zwei oder mehr Kindern gibt es in den meisten Betreuungsstätten einen kleinen Geschwister-Rabatt.
 

Wie viele Eltern lassen ihre Kinder familienextern betreuen?

Daten aus dem Kanton Bern aus dem Jahr 2012 zeigten, dass Eltern für 29 Prozent der Kinder effektiv Betreuungskosten abgezogen haben. 71 Prozent der Kinder werden also zu Hause betreut oder die Eltern haben die Betreuungskosten in der Steuererklärung nicht geltend gemacht. Und nur in rund 1,5 Prozent der Fälle haben Eltern den Maximalbetrag 10'100 Franken von den Steuern abgezogen. Innerhalb dieser Gruppe betrugen die effektiven Kosten für die familienexterne Kinderbetreuung im Durchschnitt 16'800 Franken. Dies schreibt die Eidgenössische Steuerverwaltung auf Anfrage. 
 

Wo werden die 380 Millionen Franken künftig fehlen?

Darüber, in welchem Bereich die fehlenden 380 Millionen künftig eingespart werden, liegen noch keine Angaben vor. Die SP mutmasst, das Parlament werde möglicherweise weniger für die Prämienverbilligungen oder die Kitasubventionen ausgeben wollen. Zum Vergleich: Der Bund gab zwischen 2003 und 2019 insgesamt 350 Millionen Franken aus für das Impulsprogramm zur Förderung neuer familienexterner Betreuungsplätze. Im Herbst 2018 stimmte das Parlament dann einer Verlängerung des Impulsprogramms bis 2023 zu. Für diese vier Jahre stehen 124,5 Millionen zur Verfügung. 
 

Wer ist dafür, wer ist dagegen?
  • Die Ja-Parole gefasst haben: CVP, FDP, SVP, EVP, BDP, im Nationalrat wurde die Vorlage mit 132 Ja- zu 62 Nein-Stimmen angenommen (3 Enthaltungen), im Ständerat mit 25 Ja- zu 17 Nein-Stimmen ebenfalls angenommen (3 Enthaltungen). Weil das Gesetz vorsieht, dass der Bundesrat die gleiche Parole fassen muss wie National- und Ständerat, befürwortet auch der Bundesrat – gegen seinen Willen – die Vorlage.
  • Die Nein-Parole gefasst haben: SP, Grüne, GLP, EDU
     
Was sind die Argumente der Befürworter?

Die CVP und die FDP geben sich familienfreundlich. Wer Kinder grossziehe, erbringe für die Gesellschaft eine besondere Leistung, das solle honoriert werden, argumentiert die CVP. Gerade durch die steigenden Krankenkassenprämien würden Eltern finanziell immer stärker belastet. Es brauche ein Ja zur Vorlage, damit Familien kein steuerlicher Nachteil mehr entstünde durch die Berufstätigkeit. Und nicht nur das: Auch Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen, sollten weniger Steuern zahlen müssen. Ähnlich argumentiert die FDP. Sie spricht von einer Entlastung für die Mittelstandsfamilien: «Heute wird der Zweitverdienst ab einem bestimmten Einkommen steuerlich so hart bestraft, dass er sich nicht mehr lohnt», schreibt sie in ihrer Medienmitteilung zur Parole. Mit den beiden Abzügen werde die Progressionsschwelle angehoben und ein Anreiz für Frauen geschaffen, um nach der Schwangerschaft wieder einer Erwerbsarbeit nachzugehen.
 

Was sind die Argumente der Gegner?

Die Gegner bezeichnen die Vorlage als Mogelpackung. Besonders störend finden die SP und das liberale Komitee, dass unter dem Deckmantel der Familienpolitik den reichsten Familien im Land jährlich ein Grossteil der 380 Millionen zugeschanzt würden, während fast die Hälfte leer ausgingen. Die SP hat auf der Basis der Steuerstatistik 2015 und Daten der Eidgenössischen Steuerverwaltung ausgerechnet, dass 245 Millionen auf knapp 215'000 Haushalte verteilt würden. Diese 22 Prozent der Haushalte haben ein steuerbares Einkommen zwischen 100'000 und einer Million Franken. Sie würden also 70 Prozent des Geldes bekommen (Die Berechnung basierte auf der ersten Einschätzung des Bundes, wonach die Vorlage insgesamt 350 Millionen kosten würde). Durch den höheren allgemeinen Kinderabzug würden zudem klassische Rollenbilder weiter zementiert: Die SP spricht von einer «versteckten Herdprämie», die gut ausgebildete Mütter erst recht vom Arbeiten abhalte. Einerseits, weil sich mit jedem weiteren Kind durch den allgemeinen Kinderabzug die Arbeit noch weniger lohnt. Und andererseits, weil ein Doppelverdiener-Ehepaar aufgrund der grösseren Abzüge bei den Berufsauslagen erst ab einer höheren Einkommensstufe von der Vorlage profitieren würde: Eltern zweier Kinder, bei denen nur ein Elternteil arbeitet, werden schon ab einem steuerbaren Einkommen von 100'000 Franken steuerlich entlastet, während ein Doppelverdiener-Paar erst ab 120'000 Franken profitiert. Die SP kritisiert zudem scharf, dass die Vorlage ohne Vorberatung der zuständigen Parlamentskommission und ohne Vernehmlassung in den Kantonen durch das Parlament erweitert wurde.
 

Was passiert bei einem Nein zur Vorlage?

Mitte Juni hat die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder eine parlamentarische Initiative eingereicht, die eine Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs auf 25'000 Franken verlangt, also der ursprünglichen Vorlage des Bundesrates entspricht. Mitunterzeichnet haben die Initiative namhafte FDP-Exponenten und praktisch die ganze GLP-Franktion. Mit dem Vorstoss möchte man rasch einen «Plan B» vorlegen für den Fall, dass das Volk am 27. September nein zur Vorlage sagt. Die SP kündigte an, Markwalders Vorstoss im Sinne eines Kompromisses zu unterstützen.
 

 

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