Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 13. Januar 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein.
So – und jetzt die Themen:
- Schuldenschnitt: Der Bundesrat will eine zweite Chance für Hochverschuldete
- PFAS-Chemikalien: So kämpfen Lobbyisten gegen ein Verbot
- Asylsystem: Gemeinden schlagen Alarm – wie schlimm ist es?
- Und das Zitat der Woche kommt zum zweiten Mal in Folge aus der Mitte-Partei – von der abtretenden Bundesrätin
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Schuldenschnitt: Der Bundesrat will eine zweite Chance für Hochverschuldete
Darum gehts: Hoch verschuldete Menschen sollen nicht mehr länger bis zum Tod daran gebunden sein. Am Mittwoch hat der Bundesrat angekündigt, dass er dafür das Gesetz ändern – und ein neues Verfahren einführen will.
Warum das wichtig ist: Anders als viele andere Länder kennt die Schweiz bis jetzt keinen Schuldenschnitt. Ein Privatkonkurs ist eher eine Art Verschnaufpause. Man wird damit die Schulden nicht los – die Gläubiger erhalten einen sogenannten Verlustschein, der ihnen die Möglichkeit gibt, die ausstehende Schuld später einzufordern. Nun will der Bundesrat einerseits die Möglichkeit schaffen, dass die Parteien stattdessen einen Vergleich schliessen und damit einen Teil der Schulden tilgen können. Ganz neu wäre, dass es für hoffnungslos verschuldete Personen eine Restschuldbefreiung gäbe. Heisst: Wenn der Schuldner drei Jahre lang alle verfügbaren Mittel an die Gläubiger abgibt und nachweist, dass er sich um ein Einkommen bemüht hat, werden nach drei Jahren die restlichen Schulden getilgt.
Das sagt der Beobachter: Endlich. Im Winter 2023 haben wir beim Beobachter acht Vorschläge gemacht, wie die Schweiz fairer würde. Was der Bundesrat da vorschlägt, war einer davon. Wie das Sanierungsverfahren genau funktionieren soll, lesen Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: Wer Schulden hat, soll eine zweite Chance bekommen
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
PFAS-Chemikalien: So kämpfen Lobbyisten gegen ein Verbot
Darum gehts: Das in der EU geplante Verbot der Industriechemikalien PFAS droht unter dem Druck von Lobbyisten massiv abgeschwächt zu werden. Das zeigt eine neue internationale Recherche, die diese Woche veröffentlicht wurde. Die Industrie lobbyiert demnach gezielt auf höchster politischer EU-Ebene, mit riesigen Budgets und mit fragwürdigen Argumenten.
Warum das wichtig ist: Die potenziell krebserregenden PFAS-Chemikalien gelangen in die Umwelt und bauen sich nicht mehr ab. Ganze Landstriche sind damit kontaminiert, die Chemikalien finden sich auch im Blut der meisten Menschen. Weil Tausende solcher Chemikalien nach wie vor breit in Alltagsprodukten wie auch in industriellen Prozessen eingesetzt werden, haben Deutschland, Norwegen, Dänemark, Schweden und die Niederlande vor zwei Jahren ein weitreichendes Verbot der ganzen PFAS-Gruppe vorgeschlagen. Damit die Produzenten nicht mehr wie heute bei jedem einzelnen verbotenen Stoff einfach auf einen ähnlichen – aber ebenso schädlichen – ausweichen. Das hat den wahrscheinlich heftigsten Lobby-Ansturm ausgelöst, den Europa je gesehen hat. Und die Schweiz steckt mittendrin. Einer der umtriebigsten Lobbyisten hat seinen Sitz in der Schweiz – und genauso einer der grössten PFAS-Produzenten.
Das sagt der Beobachter: Es ist erstaunlich, wie Behörden und Politiker der Chemielobby auf den Leim gehen. Entscheidungsträger tun gut daran, ihre Aufgabe, nämlich die Bevölkerung zu schützen, wahrzunehmen, statt sich von der Industrie auf der Nase rumtanzen zu lassen. Am besten studieren sie zuerst einmal gründlich die Fakten, zum Beispiel hier:
⇒ Jetzt lesen: Schweizer Firmen kämpfen für das «ewige Gift»
Asylsystem: Gemeinden schlagen Alarm – wie schlimm ist es?
Darum gehts: Claudia Kratochvil, Direktorin des Schweizerischen Gemeindeverbands, warnte diese Woche öffentlich vor einem drohenden Kollaps des Asylsystems. Die Lage sei derzeit besonders in den Gemeinden angespannt. Eine Umfrage des Gemeindeverbands ergab, dass rund ein Drittel aller Schweizer Gemeinden die Unterbringung von Asylsuchenden als eines ihrer Hauptprobleme betrachtet.
Warum das wichtig ist: Ukrainekrieg, fehlendes Personal und überforderte Gemeinden: Das Schweizer Asylsystem ist seit Jahren permanent belastet. Überraschenderweise sind nicht steigende Asylzahlen für die aktuell schwierige Situation verantwortlich – diese gehen sogar seit einiger Zeit zurück. Das Hauptproblem sind vielmehr die angestauten Pendenzen. Derzeit warten rund 22'000 Asylgesuche auf einen Entscheid. Dies stellt insbesondere die Gemeinden vor grosse Herausforderungen, da sie verpflichtet sind, die Asylsuchenden unterzubringen.
Das sagt der Beobachter: Um die Überlastung des Systems anzugehen, werden regelmässig neue Vorschläge aus Politik und Gesellschaft eingebracht. Der Beobachter hat sich in einer dreiteiligen Serie eingehend mit der Asylthematik befasst. Wir bieten Ihnen einen Überblick, diskutieren mögliche Lösungsansätze und zeigen Perspektiven auf, die Anlass zur Hoffnung geben:
⇒ Jetzt lesen: Alles anders beim Asyl
Das Zitat der Woche
Hoppla. Eigentlich war angekündigt gewesen, dass die Verteidigungsministerin vor den Medien über den Plan informiert, einen obligatorischen Orientierungstag für Frauen einzuführen. Das tat sie dann auch in aller Ruhe. Nachher überrumpelte sie alle Anwesenden mit ihrem Rücktritt. Sie sprach über einige Erfolge: mehr Geld für die Armee etwa oder den Aufbau einer Cyberabwehr. Jetzt sei gut.
«Ich kann doch nicht sagen, dass ich bleiben muss, bis sich die Weltlage entspannt hat, und dann hier noch mit dem Rollator reinfahren.» – Viola Amherd, Bundesrätin
Tatsächlich sei sie ja jetzt schon fast eine Seniorin in diesem Departement. «In den letzten zehn Jahren ist kein Chef so lange geblieben.» Und zum Vorwurf, dass sie jetzt abrupt vor Problemen – etwa der Kampfjet-Beschaffung oder dem Chaos im Nachrichtendienst – wegrenne, meinte sie: «Böse Zungen muss man reden lassen.» Das wird wohl auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister so machen, der, im Rückblick betrachtet, zu einem sehr … günstigen … Zeitpunkt sein Amt als Parteipräsident abgegeben hat.
Apropos Bundesrat: Jetzt dreht sich in Bern natürlich alles um Amherds Nachfolge. Wie gut kennen Sie die Landesregierung? Wir liefern Ihnen erstaunliche Fakten und Wissenswertes zum Bundesrat. Damit trumpfen Sie in den kommenden Diskussionen auf.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Tina Berg, Oliver Fuchs und Alexander Lüthi.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.