Serafe, Stau und Migros-Kahlschlag
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Nachrichtenüberblick des Beobachters für die Woche vom 17. Juni 2024.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein.
Die wohl wichtigste Nachricht ganz knapp vorab: Die Nationalbank hat den Leitzins gesenkt. Heute oder morgen werden Sie das im Portemonnaie noch nicht spüren – besonders bei den Mieten noch nicht. Längerfristig beeinflusst dieser Zins aber alles Mögliche: etwa die Hypotheken, die Sparzinsen und den Frankenkurs. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Und nun die Themen:
Diesmal:
- Zu viel Verkehr: 2023 gab es so viele Staustunden wie noch nie
- Radio und Fernsehen: Die SRG kommt unter Druck – und muss sparen
- Angst: Ein Fünftel der Schweiz leidet darunter – aber warum?
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Das Zitat der Woche
Die Migros baut Hunderte Stellen ab. Und ein Ende ist noch nicht absehbar. Nach den 150 Entlassungen bei der Migros Supermarkt AG Ende Mai trifft es jetzt 415 Stellen im Zweig des Unternehmens, der für die Eigenmarken verantwortlich ist.
«Wir sind uns bewusst, dass eine Kündigung ein einschneidendes Erlebnis für die Betroffenen ist. Entsprechend ist unser Sozialplan mehr als eine Pflichterfüllung.» – Petra Feigl-Fässler, HR-Leiterin bei Migros Industrie
So verschwindet die Marke Melectronics zum Beispiel ganz. 17 Filialen werden geschlossen. 20 weitere übernimmt Media-Markt. Am meisten Jobs streicht die Migros in der Produktion von Nahrungsmitteln. Sie will sich aus dem Exportgeschäft mit Schokolade und Kaffee der Migros-Marken zurückziehen. Was ein Arbeitgeber tun muss, wenn er massenhaft Angestellte entlässt, haben wir hier aufgeschrieben:
⇒ Jetzt lesen: Massenentlassung – welche Rechte haben die Angestellten?
Zu viel Verkehr: 2023 gab es so viele Staustunden wie noch nie
Darum gehts: Im vergangenen Jahr stand der Verkehr während 48’807 Stunden still, das sind 22,4 Prozent mehr als 2022. Das ist ein neuer Rekord: 2022 waren es knapp 9000 Staustunden weniger.
Warum das wichtig ist: Der Bericht des Bundesamts für Strassen (Astra) zeigt, dass viel gefahren wird auf dem Nationalstrassennetz: 2023 waren es insgesamt 29,6 Milliarden Kilometer – das sind mehr als 700’000 Erdumrundungen. Gegenüber dem Vorjahr hat die Anzahl gefahrene Kilometer damit um 1,5 Prozent zugenommen. Wie das Astra schreibt, zeige die starke Zunahme an Staustunden in Verbindung mit der nur leichten Zunahme an gefahrenen Kilometern die Belastungsgrenze des Nationalstrassennetzes. Bisherige Massnahmen, um den Verkehr flüssiger zu machen, reichten nicht mehr aus, darum seien punktuelle Ausbauten notwendig.
Das sagt der Beobachter: Im Stau stehen ist nicht nur mühsam; je höher die Verkehrsdichte, desto häufiger sind auch aggressive Verhaltensweisen, wies ein kanadischer Forscher schon vor 25 Jahren nach. Dabei ist der Stress hausgemacht: 29,6 Milliarden Kilometer auf Nationalstrassen – oder 740’000 Erdumrundungen – stammen von Personenwagen. 2021 wollten Parlament und Bundesrat mit dem revidierten CO2-Gesetz erreichen, dass unter anderem weniger Auto gefahren wird und weniger klimaschädliche Treibhausgasemissionen ausgestossen werden. Doch das Vorhaben scheiterte an der Urne. Warum tut sich die Schweiz also so schwer damit, den Verkehr klimatauglicher zu machen – und so auch weniger im Stau zu stehen?
⇒ Jetzt lesen: Wer hat Angst vor dem Klimakiller Auto?
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Serafe-Gebühr: Die SRG kommt unter Druck – und muss sparen
Darum gehts: Der Bundesrat senkt die Serafe-Gebühren. Das gab er am Mittwoch bekannt. In fünf Jahren werden es für Privathaushalte noch 300 Franken sein, 35 Franken weniger als heute. Schon ab 2027 werden ausserdem viel weniger Unternehmen die Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahlen müssen. Mitte-Links kritisiert den Entscheid als Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Journalismus. Den Bürgerlich-Rechten geht der Schritt zu wenig weit. Sie wollen die SRG auch im Angebot zurückbinden, weil sie online private Medien konkurrenziere und zu viel Geld für Sport und Unterhaltung ausgebe.
Warum das wichtig ist: Die Schweiz liegt für einmal sehr im Trend. In Grossbritannien ist die altehrwürdige BBC stark unter Beschuss. In Österreich muss der ORF sparen. Und in Dänemark mussten mehrere Radiosender aus Geldmangel gleich ganz zumachen. Treiber hinter der Schweizer Gebührensenkung ist der Medienminister: Albert Rösti. Vor seiner Wahl war er als SVP-Nationalrat Teil jenes Komitees, das die Gebühr sogar auf 200 Franken senken will. Diese Initiative kommt nächstes Jahr zur Abstimmung.
Das sagt der Beobachter: Man soll in einer Demokratie auch darüber streiten dürfen, was öffentlich-rechtlicher Journalismus leisten soll, ohne dass das gleich eine «Attacke gegen die Schweiz» ist. Und ja, die SRG muss sich durchaus auch Kritik gefallen lassen. Doch sollte anständig und mit offenem Visier gekämpft werden: Längst nicht alle Kritiker der öffentlich-rechtlichen Medien wollen diese reformieren. Sie wollen sie eigentlich zerschlagen.
Angst: Ein Fünftel der Schweiz leidet darunter – aber warum?
Darum gehts: Gemäss der neuesten Ausgabe des «Sanitas Health Forecast» hatte jede dritte Person in der Schweiz schon einmal eine Panikattacke. Und fast jede fünfte Person in der Schweiz hat regelmässig Angst. Vor allem bei den Jüngeren ist die Angst oft ein Begleiter im Alltag. Die häufigsten Gründe für die Angst sind dabei Verlustängste und eine ungewisse Zukunft. Und auch die Resultate der Schweizerischen Gesundheitsbefragung bestätigen die Umfrageergebnisse. Die Schweiz liegt somit bei Angststörungen im weltweiten Vergleich auf den vorderen Plätzen.
Warum das wichtig ist: Angst hat einen klar negativen Einfluss auf unsere Gesundheit – mental wie auch körperlich. Wer lernt, die Angst zu bewältigen, lebt also deutlich gesünder. Alarmierend an den Zahlen ist, dass vor allem bei jungen Menschen zwischen 19 und 29 Jahren die Ängste sehr ausgeprägt sind. Denn auch im Allgemeinen hat die psychische Belastung in dieser Altersgruppe zugenommen.
Das sagt der Beobachter: Die sozialen Medien werden von vielen als Hauptursache für die Verschlechterung der psychischen Gesundheit genannt. Die französische Regierung geht so weit, dass Smartphones und soziale Medien in Einrichtungen wie Krippen und Schulen stark eingeschränkt werden sollen. Doch allein die sozialen Medien dafür verantwortlich zu machen, ist zu kurz gefasst, oder nicht? Unser Redaktor hat bei Schweizer Fachleuten nachgefragt:
⇒ Jetzt lesen: Macht das Handy psychisch krank?
Übrigens: In diesem Nachrichtenüberblick schauen wir bekanntlich aus dem Blickwinkel von Recht und Gerechtigkeit auf die Woche. Darum möchten wir Ihnen folgende Nachricht nicht vorenthalten: Wir haben es geschafft – in der Schweiz herrscht Gleichstellung! Ausbildung, Arbeitsplatz, Familie, Politik – überall haben Frauen jetzt dieselben Rechte. Das finden jedenfalls viele Männer – gerade junge –, die für das neuste Gleichstellungsbarometer befragt wurden.
Wir sind da nicht ganz so optimistisch – genauso wie die meisten Frauen.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Riana Engeli, Oliver Fuchs und Chantal Hebeisen.
Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.
4 Kommentare
NEIN zum Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen: Folge der masslosen Zuwanderung und der zu tiefen Mobilitätskosten
Man kann am 24. November für den Ausbau stimmen. Aber ohne Migrations-Massnahmen und Verteuerung der Mobilität wird die Schweiz bald wieder vor der gleichen Frage stehen. Pflästerli-Politik nennt man das im helvetischen Politjargon. Wollen das die Menschen in diesem Land?
Wo kann man bei SRF sparen?
Sparen kann man bei SRF unter anderem durch Streichung der Formel-1- und Motorsport-Übertragungen, der Reduktion der Kriminal-, Horror- und Gewaltfilme und dem endlosen SVP-Bashing durch die SRF-Satiriker:innen. Was haben diese Sendungen mit dem pädagogischen oder ethischen Anspruch (Bildung, kulturelle Entfaltung, Vielfalt der Ansichten gemäss BV Art.93 Abs.2 BV) zu tun? Wenn man alles, was diesen Kriterien nicht entspricht, als Unterhaltung wertet, kann wirklich alles und jedes als Sendungsauftrag gerechtfertigt werden!
SRG-Finanzen: Ständeratskommission will nicht genauer hinschauen!
Die SRG-Werkstatt wird geschützt von einer grossen Mitte-Links-Mehrheit. Auch wenn sich eine Bevölkerungsmehrheit eine günstigere und politisch ausgewogenere SRG wünscht, kommt sie nicht an der herrschenden Parlamentsmehrheit und bei einem allfälligen Volksentscheid zu einer SRG-Volksinitiative am Ständemehr vorbei.
Das Bundesgericht hält im Urteil (2C_852/2021 2.4.3) vom 10. Dezember 2021 fest, dass die SERAFE-Abgabe eine rundfunkrechtliche Steuer ist. Steuern dürfen nicht von Firmen erhoben werden. Serafe ist nicht befugt. Die Steuerhoheit liegt bei den Kantonen. Serafe über die rechtliche Lage aufklären und mit strafrechtlichen Schritten drohen.