Liebe Leserinnen und Leser

Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Das sind diesmal mehr als gewohnt, denn gerade tagt das Parlament zur Frühjahrssession. Wir haben Ihnen darum am Schluss dieses Überblicks eine Handvoll weiterer wichtiger Nachrichten aufgelistet.

Diesmal:

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Anrede

Das Zitat der Woche

«Es ist ein Schock, doch ganz überraschend kommt die Tat angesichts der Stimmungsmache nach dem 7. Oktober leider nicht.» – Jehuda Spielman, jüdischer Gemeindepolitiker von Zürich

Es ist ein Angriff, der die Schweiz erschüttert. Ein 15-Jähriger hat am vergangenen Wochenende einen orthodoxen Juden in Zürich niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Sind Jüdinnen und Juden in der Schweiz noch sicher? Wie kann man sie schützen? Wie konnte sich ein junger Mensch hierzulande derart radikalisieren? Wie gehen wir als Gesellschaft mit einer solchen Tat um? Diese Fragen treiben seit einer Woche viele um. Wie verbreitet Antisemitismus gerade unter Jugendlichen ist, haben wir vom Beobachter schon vor einiger Zeit in einer grösseren Geschichte geschildert. Der Text ist aktueller denn je. Ebenso das Interview mit dem damaligen Präsidenten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes. Und man fragt sich: Warum hat die Gesellschaft die Warnsignale nicht früher wahrgenommen?

Nach dem AHV-Ja: Wie gehts jetzt weiter?

Darum gehts: Mit 58,25 Prozent Ja-Stimmen hat die Stimmbevölkerung die 13. AHV-Rente am Sonntag deutlich angenommen. Spätestens im übernächsten Jahr muss die Rentenerhöhung umgesetzt werden. Offen ist, wie sie genau finanziert werden soll. Die Ideen dazu von Parteien und Verbänden gehen weit auseinander.

Warum das wichtig ist: Gemäss dem Bund wird die Rentenerhöhung etwa vier Milliarden Franken pro Jahr kosten. Das ist etwa so viel, wie der Bund alljährlich für Landwirtschaft und Ernährung ausgibt. Die Initianten wollen dafür die Lohnabgaben erhöhen. Möglich wären auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder neue Steuern (wie zum Beispiel auf Erbschaften oder Finanztransaktionen). Initiant Paul Rechsteiner hat im Beobachter zudem ins Spiel gebracht, frei werdende Mittel aus der Arbeitslosenversicherung dazu anzuzapfen. Der Bundesrat wird dem Parlament wohl noch dieses Jahr einen Vorschlag machen.

Das sagt der Beobachter: Bei höheren Steuern oder höheren Lohnabzügen würden grundsätzlich die Jungen noch stärker als bisher belastet – schon weil sie noch mehr Berufs- und Steuerjahre vor sich haben. Obwohl zeitgleich das Rentenalter 66 wuchtig abgelehnt worden ist, wird die Debatte darüber in den nächsten Jahren darum sicher wiederkommen. Bis dahin sollten wir umgehend Paul Rechsteiners Vorschlag genau prüfen. Und mittelfristig sollten wir über eine nationale Erbschaftssteuer nachdenken, schreibt Matthias Pflume.

⇒ Jetzt den Kommentar lesen: Zeit für eine Erbschaftssteuer

Über «Das war richtig wichtig»

Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.

Inflation geht zurück: Was heisst das?

Darum gehts: Konsumgüter waren diesen Februar in der Schweiz 1,2 Prozent teurer als im Februar vor einem Jahr. Diese Zahl hat das Bundesamt für Statistik am Montag veröffentlicht. Es ist der tiefste Anstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat seit 2021. Schon im Januar ging die Inflation deutlich zurück, nachdem sie im Dezember nochmals angezogen hatte.

Warum das wichtig ist: Die Teuerung bestimmt, wie viel unser Geld wert ist, egal, ob der Lohn oder das Ersparte. Wenn die Inflation anzieht, verlieren wir an Kaufkraft, wenn die Löhne nicht nachziehen. In der Schweiz (und vielen westeuropäischen Ländern) ist das seit längerem so. Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt hat in den letzten 20 Jahren mehr als 6 Prozent an Kaufkraft verloren. Eine sinkende Inflation sorgt dafür, dass dieser Trend zumindest abgebremst wird.

Das sagt der Beobachter: Solange es Inflation gibt, sind Forderungen nach mehr Lohn immer angebracht, weil der bestehende Lohn an Wert verliert. Wichtig ist auch, das Ersparte im Auge zu behalten. Wenn der Jahreszins tiefer ist als die Jahresteuerung, wird das Geld von der Inflation aufgefressen. Einblicke in die Haushaltsbudgets von anderen Leuten hier. 100 Tipps, wie man im Alltag sparen kann, finden Sie hier:

⇒ Den Ratgeber lesen: 100 Tipps zum Geldsparen

Tempo 30: Das Parlament will den Städten dreinreden

Darum gehts: Im Strassenverkehrsgesetz wird neu explizit festgeschrieben, dass auf Hauptstrassen innerorts Tempo 50 gilt. Das hat nach dem Nationalrat diese Woche auch der Ständerat entschieden. Der Bundesrat war dagegen.

Warum das wichtig ist: Der Trend ging eigentlich in die andere Richtung. Viele Gemeinden wollen auf ihren Strassen das Tempo verlangsamen, und zwar nicht nur in den Quartieren. Auch entlang von Hauptverkehrsachsen sollen Sicherheit und Lebensqualität erhöht werden, schliesslich bilden diese Strassen oft das Zentrum von Dörfern und Städten. Schon jetzt war es aber so, dass die Kantone ein Veto hatten, wenn eine Gemeinde auf einem Hauptstrassenabschnitt Tempo 30 einführen wollte. Das Parlament will solchen Vorhaben nun von vornherein und generell einen Riegel vorschieben.

Das sagt der Beobachter: Der viel gelobte Föderalismus scheint dem Parlament für einmal ziemlich egal. Von oben herab wird hier die Autonomie der Gemeinden und Städte eingeschränkt. Zumal es auch auf gewissen Hauptstrassen gute Argumente für Tempo 30 gibt – und die Frage erlaubt bleiben soll: Was ist mehr wert, eine zügige Durchfahrt oder mehr Sicherheit und weniger Lärm? 

Bundesgericht: Sozialhilfebezüger müssen Pensionsgeld nicht aufbrauchen

Darum gehts: Das Bundesgericht hat einem Mann recht gegeben, der sich gegen die Sozialbehörde Rümlingen BL wehrte. Sie hatte ihm 78’000 Franken in Rechnung gestellt, weil er nach ihrer Ansicht auf sein Pensionskassenkapital hätte zurückgreifen müssen, statt Sozialhilfe zu beziehen. Nun müssen viele Gemeinden ihre Praxis ändern.

Warum das wichtig ist: Sozialhilfebeziehende dürften nicht gezwungen werden, ihr Pensionskassengeld vorzeitig zu beziehen, heisst es in dem diese Woche publizierten Urteil. Das Bundesgericht macht aber Einschränkungen. Der Bescheid gilt nur bei kleinem Pensionskassenvermögen, das schnell aufgebraucht wäre. 

Das sagt der Beobachter: «Jetzt müssten die Kantone aktiv werden und in ihren Sozialhilfegesetzen und -verordnungen klar regeln, unter welchen Umständen aus Geldern der zweiten Säule Sozialhilfe zurückgezahlt werden muss», meint Beobachter-Sozialhilfeexpertin Corinne Strebel. Das Urteil ist ein Meilenstein. Der Beobachter stösst sich schon lange an der Praxis und hat 2021 einen Pilotprozess ermöglicht, der die Rechte von Sozialhilfebezügerinnen entscheidend gestärkt hat.

Auch sonst war diese Woche viel los. So hat das Parlament unter anderem diese Entscheide gefällt, die uns wichtig scheinen:

  • Der Ständerat rüttelt am Verbot für neue Atomkraftwerke. Er gibt einen Bericht beim Bundesrat in Auftrag. Der solle nicht nur aufzeigen, ob und wie die bestehenden AKW länger betrieben werden könnten. Er soll auch das Szenario «Neubau» abklären.
  • Waffenbesitzer werden weiterhin nicht in einer nationalen Datenbank erfasst. Der Nationalrat hat eine entsprechende Vorlage diese Woche klar abgelehnt. Aktuell weiss niemand genau, wie viele Waffen sich in der Schweiz in Privatbesitz befinden.
  • Konversionstherapie bleibt erlaubt – für den Moment. Das Parlament will zwar grundsätzlich gegen pseudowissenschaftliche Behandlungen vorgehen, mit denen die sexuelle Orientierung geändert werden soll. Der Nationalrat will aber auf einen Bericht des Bundesrats warten.
  • Die Zweitwohnungsinitiative soll gelockert werden. Neu dürfen bei Sanierungen und Neubauten auch zusätzliche Wohnungen geschaffen werden, und zwar egal, ob als Erst- oder Zweitwohnung. Warum die Initiative bereits jetzt vielerorts fast totes Papier ist, lesen Sie hier.
  • Der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub soll auch gewährt werden, wenn das Kind tot geboren wird oder bei der Geburt stirbt. Jährlich gibt es mehrere Hundert Fälle. Das Parlament will damit auch Vätern eine Möglichkeit geben, mit der traumatischen Situation klarzukommen.
  • Erben müssen die bezogenen Ergänzungsleistungen ihrer Eltern weiterhin teilweise zurückzahlen. Der Nationalrat hat sich dagegen entschieden, diesen umstrittenen Passus im Gesetz zu ändern. Die zuständige Kommission und der Bundesrat waren dafür, die bürgerliche Ratsmehrheit aber nicht. Somit ist der Vorstoss vom Tisch. Was bei der EL gilt, finden Sie hier.

Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Raphael Brunner und Oliver Fuchs.

Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.