FDP-Wähler fliegen am häufigsten
FDP-Wähler steigen häufiger ins Flugzeug als die Anhänger aller anderen Parteien, zeigt eine exklusive Umfrage. Es brauche mehr Information, sagt Parteipräsidentin Petra Gössi.
Veröffentlicht am 9. Mai 2019 - 16:55 Uhr,
aktualisiert am 9. Mai 2019 - 13:53 Uhr
Durch die FDP-Basis scheint ein Ruck zu gehen. Diesen Eindruck vermitteln die Ergebnisse der Mitgliederbefragung, die Ende April publik wurde. 77 Prozent der antwortenden Parteimitglieder möchten, dass der CO2-Ausstoss bis ins Jahr 2030 um die Hälfte gesenkt wird. Ähnlich hoch ist die Zustimmung zur Einführung einer Flugticketsteuer.
Das erstaunt, denn die Sympathisanten der FDP sind Vielflieger. Das zeigt eine Auswertung, die exklusiv für den Beobachter erstellt wurde. FDP-Wähler unternehmen pro Jahr durchschnittlich 1,5 Flugreisen. Das ist deutlich mehr als bei den Wählerinnen und Wählern anderer Parteien. Der Schweizer Durchschnitt lag im Jahr 2015 bei 0,9 Flugreisen pro Person. Die Grundlage für die Auswertung entstammt einer repräsentativen Umfrage, die die Forschungsstelle Sotomo 2017 online durchgeführt hat. Befragt wurden fast 2000 Stimmberechtigte im Kanton Zürich.
«Die Auswertung zeigt, dass Fliegen quer durch alle Gesellschaftsschichten sehr populär ist. Kaum jemand ist wirklich flugabstinent», sagt Sotomo-Leiter Michael Hermann. Die politische Einstellung sei aber für das Flugverhalten durchaus relevant. «Wie jemand politisch denkt, hat einen ähnlich starken Einfluss wie etwa das Alter der Reisenden», so Hermann. Hier seien junge Erwachsene die Spitzenreiter.
«Eine isolierte Betrachtung der Flugreisen sagt wenig über die Ökobilanz einer Person aus. Sie bildet nicht ab, wie diese sonst ihr Leben führt», sagt FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi. Letztlich müsse jede Person selbst entscheiden, wie sie ihr Reiseverhalten gestaltet. Die FDP werde sicher kein Verbot von Flugreisen fordern. «Eher braucht es zusätzliche Informationen zu den Folgen und mehr Kostenwahrheit im Flugverkehr, damit sich jede Person besser über die Konsequenz ihres Handelns bewusst wird.
«Klimaschutz betreibt man nicht mit Interviews und Mitgliederbefragungen, sondern mit Taten», stichelt der Präsident der Grünliberalen, Jürg Grossen, gegen die politische Konkurrenz. In Zürich zum Beispiel fordere seine Partei jetzt, dass die Flüge städtischer Angestellter und Behördenmitglieder innerhalb Europas auf ein Minimum reduziert werden.
Die Basis der Grünliberalen schien für solche Beschränkungen zumindest zum Zeitpunkt der Sotomo-Befragung noch nicht empfänglich. Mit 1,2 Flugreisen pro Jahr unterscheiden sich GLP-Wähler kaum von Anhängern der CVP und SVP (beide 1,2) oder der SP (1,1).
GLP-Parteipräsident Grossen möchte dazu nicht viel sagen: «Aufgrund einer Umfrage gebe ich kein Urteil über all unsere Wählerinnen und Wähler ab. Der Flugverkehr ist nur ein Bereich. Auch die Ernährung oder der Energieverbrauch beim Wohnen und der sonstigen Mobilität haben einen grossen Einfluss auf das Klima.» Seine Partei befürworte eine Flugticketabgabe. Passagiere sollen damit als Verursacher von Klimaschäden angemessen bezahlen, der Ertrag soll an die Bevölkerung zurückerstattet werden. Zudem verlange die GLP die Wiedereinführung von Nachtzügen ins europäische Ausland.
Freude über die Umfrageergebnisse herrscht dagegen bei den Grünen. Vizepräsident Gerhard Andrey sagt: «Dass die Grünen von allen Parteien am besten abschneiden, ist toll. Damit wird ein bewusst verbreitetes Märchen endlich korrigiert.» In einem parlamentarischen Vorstoss fordern die Grünen auf Bundesebene einen Warnhinweis auf sämtlicher mit dem Flugverkehr in Verbindung stehenden Werbung, analog zu den Warnhinweisen bei Tabakprodukten .
Der Ursprung des «bewusst verbreiteten Märchens» der flugbegeisterten Grünen dürfte eine Studie sein, die 2014 im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft verfasst wurde. Sie fand im Internet grosse Verbreitung. Ihr Ergebnis: Niemand in Deutschland steigt so häufig ins Flugzeug wie die Anhänger der Grünen.
«Auch die Grünen tragen zur hohen CO2-Belastung durch den Flugverkehr in der Schweiz bei», sagt Andrey selbstkritisch. Die Informationen über die schädlichen Folgen des Flugverkehrs müssten deshalb auch bei den Wählerinnen und Wählern der Grünen verstärkt werden.
In der Schweiz verursachte der internationale Flugverkehr im Jahr 2017 einen CO2-Ausstoss von 5,3 Millionen Tonnen. Das entspricht 13,8 Prozent des gesamten schweizerischen Ausstosses. Weltweit gesehen ist der Anteil des Fliegens tiefer: Bloss etwas mehr als 2 Prozent des vom Menschen verursachten CO2-Ausstosses stammen von Flugzeugen.
2 Kommentare
"Bloss etwas mehr als 2 Prozent des vom Menschen verursachten CO2-Ausstosses stammen von Flugzeugen.". Das bedeutet also, dass wenn SOFORT alle Flüge weltweit um die HÄLFTE reduziert würden, dies satte 1% des vom Menschen verursachten CO2-Ausstosses reduzieren würde. Soviel zum Thema Flugscham.
Es heisst, Flugzeuge würden mehr CO2 produzieren als Autos. In welchem Promillebereich bewegen wir uns also bei Autos?
Und wer produziert die restlichen 98%? Wäre DA nicht vielleicht ein Punkt, an dem MAN (wer genau? Vielleicht einige Politiker?) ansetzen könnten, was MEHR CO2-Reduktion brächte als Flüge und Autos zusammengenommen?
Pro Kilo mögliche Zuladung produziert ein Flz natürlich mehr CO₂ als ein motorisiertes Land- oder Wasserfahrzeug. Insgesamt gibt's aber viel mehr motorisierten Strassenverkehr als Flugverkehr. Für CH gilt drum, dass der CO₂-Anteil vom motorisierten Strassenverkehr bei mehr als ca. 1/4 liegt, beim Flugverkehr bei ca. 7% vom CH-Ausstoss.