«Der Vergleich mit anderen ist sehr wirksam»
Billigflüge, SUVs, Energieverschwendung: Viele Menschen tun sich schwer mit umweltbewusstem Verhalten, obwohl sie es besser wüssten. Dabei würde oft ein kleiner Anstoss reichen, sagt der Umweltpsychologe Tobias Brosch.
Veröffentlicht am 30. April 2019 - 11:06 Uhr,
aktualisiert am 30. April 2019 - 14:45 Uhr
Beobachter: Viele denken: Was bringt es, sich selbst umweltbewusst zu verhalten, wenn es die anderen nicht tun? Wenn aber alle so denken würden, würde sich tatsächlich nichts ändern. Wie löst man das auf?
Tobias Brosch: Da sprechen Sie gleich zwei Probleme an: individuelles umweltschonendes Verhalten wird häufig als nicht sehr wirksam wahrgenommen, gleichzeitig möchte man auch nicht als einziger auf etwas verzichten, wenn man denkt, dass die anderen nicht am gleichen Strang ziehen. Beide Wahrnehmungen sind nicht unbedingt korrekt: Der individuelle ökologische Fussabdruck ist schon ziemlich beachtlich, wenn man sich mal anschaut, wieviel CO2 zum Beispiel ein Flug in die Ferien
verbraucht oder ein SUV im Vergleich zu einem etwas weniger überdimensionierten Fahrzeug. Hier kann jeder einzelne schon einen recht grossen Effekt erreichen.
Aber es hilft natürlich auch, wenn man weiss, dass man nicht der einzige ist, dem das Thema wichtig ist. Im Moment sind die Klimademonstrationen sehr präsent in den Medien, man sieht, dass dieses Thema viele Menschen bewegt. Selbst im kleineren Rahmen kann man zeigen, dass das Verhalten anderer, die sogenannten sozialen Normen, ein wichtiger Faktor für mein eigenes Verhalten ist. Wenn man zum Beispiel Haushalten auf ihrer Stromrechnung auch anzeigt, wieviel Energie sie im Vergleich zu ihren Nachbarn konsumieren, führt das bei hohem Verbrauch zu einer recht schnellen Korrektur nach unten.
Wenn sozialer Druck wichtig ist: Wie entsteht er? Warum wurde zum Beispiel der Nichtraucherschutz in kurzer Zeit ein so wichtiges Thema?
Die soziale Wahrnehmung der Raucher hat sich in der Tat innerhalb sehr kurzer Zeit von «cool» zu «bemitleidenswerte Geschöpfe ohne Selbstkontrolle» gedreht, ohne dass man genau weiss, warum dieser Imagewandel so radikal ablief. Es trugen wahrscheinlich mehrere Faktoren dazu bei, dass die Zeit reif war: Gestiegenes Gesundheitsbewusstsein, jüngere Generationen, die nicht unbedingt die Gewohnheiten der älteren übernehmen, der Wille auf Seiten der Politik, Ge- und Verbote auszusprechen, und anderes kommen zusammen. Man spricht da vom sogenannten tipping point, dem Kipppunkt. So eine Entwicklung wäre auch im Umweltbereich wünschenswert, zum Beispiel bei Billigfliegern
.
«Stelle ich mir einen Tesla in den Hof, steigt mein Status bei den Nachbarn.»
Tobias Brosch
Wer sich umweltbewusst verhält, sieht meist keinen direkten Nutzen. Wie motiviert man sich trotzdem?
Da gibt es verschiedene Strategien. Für einige ist Umweltschutz sowieso ein Wert an sich, da ist der Nutzen direkt gegeben. Der Gedanke an zukünftige Generationen ist natürlich auch relevant – wenn ich zum Beispiel Kinder habe, ist mein umweltbewusstes Verhalten auch sehr zu deren Vorteil. Und dann kann es ja auch sehr direkten Nutzen haben. Spare ich Strom, habe ich mehr Geld zur Verfügung für andere Zwecke. Stelle ich mir einen Tesla
in den Hof, steigt mein Status bei den Nachbarn.
Wie wichtig sind messbare Ziele für den Einzelnen?
Sehr wichtig, da messbare Ziele und Feedback darüber, ob die Ziele auch erreicht werden, die einzigen Instrumente sind, um langfristige Verhaltensänderungen tatsächlich effizient durchzuführen.
Ist gesetzlicher Zwang wirkungsvoller oder sogenanntes Nudging, bei dem Menschen ohne Vorschriften und ohne wirtschaftliche Anreize zu einer Verhaltensänderung gebracht werden sollen – wie etwa mit den Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen?
Das kommt auf den Verhaltensbereich an. Generell ist wahrscheinlich Nudging zu bevorzugen, weil es die individuelle Entscheidungsfreiheit nicht einschränkt. Gleichzeitig kann Nudging, wenn es gut gemacht ist, zu sehr grossen Verhaltensänderungen führen. Es zielt auf automatische Denkprozesse und funktioniert am besten bei kleineren Entscheidungen, die keine sehr hohen Kosten oder tiefgreifenden Konsequenzen für den Entscheider haben. Wie zum Beispiel bei grünen Energietarifen, wo die monatlichen Kosten noch relativ gering sind. Andererseits sind in einigen Bereichen zunächst eher steuerliche und gesetzliche Massnahmen angebracht, denn bei grösseren Entscheidungen, wie zum Beispiel dem Kauf eines Hauses, wird es mit Nudging schwieriger.
«Das Ziel nachhaltigen Verhaltens ist es ja nicht, völlig ohne Strom und Fleisch in einem Baumhaus zu leben.»
Tobias Brosch
Welche Formen des Nudging funktionieren?
Die Kommunikation sozialer Normen, also der Vergleich mit anderen, ist sehr wirksam. Auch die sogenannte Default-Option, also die Voreinstellung einer Auswahl, die man aber bei Bedarf noch ändern kann, führt zu grossen Verhaltensänderungen. Menschen direktes Feedback über die Konsequenzen ihres Verhaltens zu geben, ist auch sehr gut, wie zum Beispiel ein Smart Meter
, wo ich direkt sehe, wieviel weniger Geld ich bezahlen muss, wenn ich ein paar unnötige Lampen ausschalte.
Wie stark muss ein Preis steigen, damit er eine Verhaltensänderung bewirkt?
Von der Nudging-Perspektive her müssen Preise eigentlich gar nicht sehr steigen, um Verhaltensänderungen zu bewirken. Die Plastiktüten an der Supermarktkasse kosten jetzt ja nur ein paar Rappen, man könnte sich die also bestimmt noch leisten. Trotzdem ist der Plastiktütenkonsum drastisch zurückgegangen, seit man dafür bezahlen muss. In anderen Verhaltensbereichen, ich nenne wieder die Billigflieger
, sind die jetzigen Preisstrukturen aber unrealistisch, da sie nicht den gesellschaftlichen Schaden berücksichtigen, den jeder Flug anrichtet. Hier sind grössere Preisänderungen nötig.
Man weiss, was man zugunsten der Umwelt unterlassen sollte, tut es aber trotzdem. Wie geht man als Individuum mit diesem ständigen Widerspruch um? Gibt es einen anderen Weg als verdrängen mit einem latent schlechten Gewissen
?
Der andere Weg wäre wohl, das Verhalten tatsächlich anzupassen. Das Ziel nachhaltigen Verhaltens ist es ja nicht, völlig ohne Strom und Fleisch in einem Baumhaus zu leben, sondern eher, sich zu fragen, wie man sich umweltverträglicher verhalten könnte, ohne dabei Einschränkungen in der Lebensqualität zu erfahren.
Wann hat man genug getan? Wie stark muss man sein Verhalten ändern, damit man sich mal zurücklehnen kann?
Das kommt darauf an, was zurücklehnen bedeutet. Ein ganz gefährliches – und falsches – Argument ist zum Beispiel: «Ich fahre das ganze Jahr über mit dem Fahrrad zur Arbeit, da kann ich mir in den Ferien mal einen Flug in die Karibik erlauben». Es ist schon alleine von der Grössenordnung der jeweiligen Umweltwirkung her nicht in Ordnung, sie so gegeneinander zu verrechnen.
«Menschen, die sich umweltfreundlich verhalten, sind glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben.»
Tobias Brosch
Wie nachsichtig soll man mit sich sein? Und wie merkt man, dass man jetzt zu nachsichtig ist?
Wenn man Rechnungen wie die eben erwähnte durchführt. Aber natürlich sollte man auch nicht von sich erwarten, jederzeit perfekt umweltfreundlich zu handeln. Es liegt in unserer Verantwortung für den Planeten und für die nächsten Generationen, dass wir uns auf einen Weg begeben, der unseren Konsum und unsere Auswirkungen auf den Planeten reduziert. Das wird Schritt für Schritt erfolgen müssen, und manchmal werden wir auch stolpern. Das ist normal.
Erhöht ein starkes Umweltbewusstsein das Risiko, unglücklich zu sein – weil man ja immer noch mehr machen könnte? Oder wird man glücklicher, weil man etwas Gutes tut?
Auch wenn umweltfreundliches Verhalten manchmal mit Einschränkungen verbunden ist, weiss man, dass Menschen, die sich umweltfreundlich verhalten, glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn man das «glückliche Leben» eher durch Aspekte wie Sinnhaftigkeit als durch Konsumfreude definiert.