Wie kleine Labels der Krise trotzen
Der Lockdown bedroht kleine Schweizer Mode- und Accessoire-Labels in der Existenz. Mit einer kreativen Idee versuchen sie, die Umsatzeinbussen abzufedern.
Veröffentlicht am 15. April 2020 - 11:34 Uhr
Zürich, Mitte März. Pauline Treis vom Modelabel Jungle Folk und Matthias Hachen von der Taschenmarke Park Bags sitzen am Ateliertisch und verfolgen gespannt die Pressekonferenz des Bundesrates. Das Coronavirus hat in anderen Ländern bereits zu einschneidenden Massnahmen geführt, etliche Szenarios sind möglich. Nun hat sich der Bundesrat entschieden. Er ruft die «ausserordentliche Lage» aus. In dem Moment wissen Pauline Treis und Matthias Hachen: Die Läden schliessen, die Kunden bleiben aus , und das auf unbestimmte Zeit.
Jetzt beginnt das Brainstorming am Ateliertisch. Spontan entsteht die Idee, kleine Labels auf einer Plattform zusammenzubringen und gemeinsam unter dem Motto «Spread the Word!» auf die missliche Lage hinzuweisen. Innerhalb von wenigen Tagen sind die Gründerinnen und Gründer kontaktiert und schon am 20. März ist das Projekt «Support Small Labels» online.
Die meisten der beteiligten Labels verkaufen ihre Produkte über Boutiquen und Concept Stores. Aufgrund der Ladenschliessungen ist dieser Hauptabsatzweg weggefallen. Bei Park Bags wurde im März ein Umsatzeinbruch von rund 70 Prozent verzeichnet.
Die Krise wirkt sich auch auf die Produktion und die Lieferungen aus. Für die diesjährige Kollektion hat Park Bags Material aus Italien bestellt, das nicht geliefert werden kann. Bei Jungle Folk steckt die Hälfte der Sommerkollektion noch in Peru fest. Viele Arbeitsprozesse sind stillgelegt und viele dieser kleinen Labels warten, um nicht weitere Kosten zu verursachen. Was jedoch bei allen bleibt, sind die Fixkosten. Aus diesem Grund haben einige der Unternehmer Kurzarbeit angemeldet und teilweise einen Überbrückungskredit beantragt .
Die Modelabels, die bei «Support Small Labels» mit dabei sind, stehen für Nachhaltigkeit und fairen Handel. Viele von ihnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihrem Unternehmen auch Gutes zu tun. Sie beschaffen ihre Materialien bei nachhaltig arbeitenden Lieferanten, lassen ihre Kollektionen in kleinen Familienbetrieben nähen oder ermöglichen es Menschen in Entwicklungsländern, für faire Löhne zu arbeiten.
Matthias Hachen erachtet es in Krisenzeiten als sinnvoll, zusammenzuhalten und voneinander zu profitieren. «Das Projekt hat eine schöne Eigendynamik entwickelt und es ist ein Netzwerk entstanden, das über diese Zeit hinaus bestehen kann». Mittlerweile haben sich mehr als 50 unabhängige Schweizer Labels diesem Projekt angeschlossen. «Es war eine Erleichterung zu spüren, dass Lösungen ausgearbeitet werden, die wieder Hoffnung geben.»
Auch Oliver Balsiger, Gründer der Heimtextilienmarke Lavie, hat sich «Support Small Labels» angeschlossen. Er ist über die Sozialen Medien auf das Projekt aufmerksam geworden. «Die Online-Bestellungen haben zugenommen, seit wir dabei sind», zieht er sein positives Resümee. Ihm gefällt auch, dass die Kunden dank der Seite einen Überblick zu Unternehmen erhalten, die für ähnliche Überzeugungen und Werte stehen.
Allen aufgelisteten Labels ist gemeinsam, dass sie unabhängig sind, einen nachhaltigen Aspekt aufweisen und dass ein Designer dahintersteht. Zudem sieht er in «Support Small Labels» grosses Potenzial: «Es ist ein Netzwerk entstanden, in dem Erfahrungen ausgetauscht werden und aus dem künftige Kollaborationen entstehen können.»
«Solche Projekte machen die Welt bunter», ist sich Pauline Treis sicher und fügt an: «Wir bleiben innovativ und passen uns den neuen Bedingungen und Herausforderungen an.» Die Krise biete nämlich auch Chancen: «Viele Menschen sind jetzt aus Gründen der Solidarität zu Hause und hinterfragen ihre Lebensweise, die Welt und wie es soweit kommen konnte», beschreibt sie die aktuelle Situation. «Ich glaube, dass diese Menschen ihren Konsum kritisch reflektieren und in Zukunft vermehrt darauf achten werden, wieviel und wo sie einkaufen.»
Diesen Trend hin zur nachhaltigen Konsumgesellschaft hat auch Oliver Balsiger beobachtet: «Mein Kundenkreis hat sich erweitert. Menschen möchten jetzt vermehrt Unternehmen unterstützen, die bewusst nachhaltig wirtschaften.»
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