Zweifelhafte Labels bei Zalando und About You
Zalando und About You geben sich umweltfreundlich und bewerben nachhaltige Mode. Was alles in diese Kategorie fällt, ist überraschend.
Veröffentlicht am 12. Februar 2020 - 12:02 Uhr
Die Modeindustrie verursacht pro Jahr rund 850 Millionen Tonnen CO2 und ist eine der umweltschädlichsten Branchen weltweit. Die Online-Modeshops Zalando und About You wollen dem entgegenwirken. Damit umweltbewusste Kunden bequem einkaufen können, kennzeichnen die Modehändler nachhaltige Kleidung. Doch wie Zalando und About You den Begriff auslegen, ist fragwürdig.
Mit nur einem Klick findet man bei Zalando und About You nachhaltige Hosen, Pullover oder Handtaschen. Ein nachhaltiges T-Shirt gibt es schon ab sieben Franken. Kann ein solches unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt werden?
In den Produktinformationen bei Zalando erfährt man, dass das Shirt nachhaltig ist, weil es das Label «Better Cotton Initiative» trägt. Mitglieder dieser Initiative setzen sich dafür ein, dass beim Baumwollanbau weniger Chemikalien zum Einsatz kommen. Wie viel weniger, bleibt offen, die Baumwollproduzenten kontrollieren sich mehrheitlich selbst.
Für Zalando ist das Siegel nachhaltig genug, die Organisation Public Eye hingegen schätzt es als wenig aussagekräftig ein. Sie setzt sich seit 20 Jahren dafür ein, dass Unternehmen weltweit die Menschenrechte einhalten, auch in der Textilindustrie.
In dieser Branche gibt es zahlreiche Nachhaltigkeitssiegel. Sie sollen faire Herstellungsbedingungen oder umweltfreundliche Materialien garantieren, dienen aber oft hauptsächlich der Imagepflege von Unternehmen. Verlässlich sind eher Labels, die unabhängige Organisationen vergeben und überprüfen, jedoch auch nicht immer.
Bei Zalando sind von über 450'000 Artikeln rund fünf Prozent mit Nachhaltigkeitslabeln versehen. Über 70 Prozent dieser gekennzeichneten Produkte tragen keine offiziellen Nachhaltigkeitssiegel, sondern solche, die Zalando selbst kreiert hat. Diese sollen «Produkte mit umweltfreundlicheren Materialien oder weniger ressourcen-intensiven Herstellungsverfahren hervorheben», wie Zalando sagt. Als Grundlage für die eigenen Siegel dienen die Richtlinien einiger brancheninterner Nachhaltigkeitsorganisationen .
Auch About You kennzeichnet Kleider mit eigenen Nachhaltigkeitslabels, etwa für Produkte aus recyceltem Material . Daneben tragen einige Kleidungsstücke auch externe Siegel. Ausführlichere Auskunft gibt About You nicht, denn das Unternehmen sei «aktuell noch dabei, intern eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie sowie die entsprechende Kommunikation auszuarbeiten.»
Public Eye hält wenig von den Nachhaltigkeitskennzeichen von Zalando und About You. «Die Art und Weise, wie die beiden Unternehmen das machen, ist problematisch, weil alles miteinander in einen Topf geworfen wird», erklärt Nachhaltigkeitsexperte David Hachfeld von Public Eye. Die Kennzeichen würden den Eindruck erwecken, dass das Kleidungsstück vollkommen nachhaltig produziert worden sei. Das heisst, aus umweltfreundlichen Materialien unter fairen Bedingungen zu angemessenen Löhnen. Erst wer nachforsche, erfahre, dass nur die Baumwolle nachhaltiger ist als bei vergleichbaren Shirts, kritisiert Hachfeld.
Zalando sagt dazu, dass in den Produktinformationen klar kommuniziert werde, worauf sich die Bezeichnung «Nachhaltigkeit» beim konkreten Kleidungsstück beziehe. «Wir kennzeichnen all jene Produkte mit unserem Nachhaltigkeitslabel, die nachhaltiger sind als vergleichbare Artikel.»
Hachfeld sieht noch einen Nachteil: «Das zweite Problem ist, dass sich die Unternehmen aus der Verantwortung stehlen, indem sie eine – ziemlich schwache – Nachhaltigkeitskategorie definieren und es den Konsumenten überlassen, nachhaltiger einzukaufen.» Unternehmen seien schliesslich verantwortlich für die Produkte, die sie in Umlauf bringen. Ausserdem lebe das Geschäftsmodell der Online-Modehändler von möglichst viel Konsum, was generell nicht nachhaltig sei.
Zalando widerspricht dem: «Gerade, weil wir eine Kategorie für nachhaltige Mode haben, übernehmen wir Verantwortung.» Deshalb setze sich Zalando auch ambitionierte Ziele in Sachen Nachhaltigkeit. Bis in drei Jahren will das Unternehmen 20 Prozent des Umsatzes mit nachhaltiger Mode machen.
Ein Label, das allein eine sozial- und umweltverträgliche Herstellung eines Kleidungsstücks garantiert, gibt es nicht. Hachfeld kritisiert, dass ein solches überhaupt nötig ist. «Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, dass Firmen so wirtschaften müssen, dass weder die Natur noch der Mensch zu Schaden kommen.» Hier müsse die Politik handeln.
Selbst Zalando beanstandet, dass es keine verbindlichen Regeln in der Branche gibt, das sei «eine allgemeine Herausforderung». Das Unternehmen engagiert sich seit rund drei Jahren in der Sustainable Apparel Coalition, einem Zusammenschluss verschiedener Textilproduzenten und nichtstaatlicher Organisationen, für einen allgemeingültigen und industrieweiten Standard.
Einen gesetzlichen Standard, der auch für die Kleiderherstellung gilt, gibt es seit 2017 in Frankreich. Unternehmen ab 5000 Mitarbeitenden müssen Massnahmen treffen, um systematische Menschenrechts- und Umweltmissachtungen in ihrer Lieferkette zu vermeiden. Das gilt auch für ihre Tochterfirmen, egal ob im In- oder Ausland. Das Gleiche fordert in der Schweiz die Konzernverantwortungsinitiative , die Public Eye unterstützt und über die das Volk voraussichtlich im Herbst abstimmt.
Bis ein solches Gesetz in Kraft tritt und nachhaltige Kleidung selbstverständlich ist, müssen sich Konsumentinnen und Konsumenten selbst darüber informieren, wer ihre Kleidung aus welchen Materialien und unter welchen Bedingungen hergestellt hat.
Dabei sollten sie immer skeptisch bleiben, sagt Nachhaltigkeitsexperte Hachfeld. «Auch das faire Baumwoll-T-Shirt hat einen Einfluss auf die Umwelt. Wichtig ist der kritische Blick und dass man versucht, so verantwortungsvoll wie möglich einzukaufen. Dabei muss man auch den ein oder anderen Zielkonflikt aushalten.» Das perfekt produzierte Kleidungsstück gibt es demnach nicht. Am nachhaltigsten konsumiert immer noch, wer gar nicht konsumiert.
Will man nachhaltig einkaufen, sollte man sich aber nicht zu viel Druck machen, sagt Hachfeld. «Wenn wir hoffen, dass etwas auf jeder Ebene nachhaltig ist, laden wir uns zu viel auf. Die Demokratie muss dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen anders sind und die Verantwortung nicht so stark auf dem Einzelnen lastet.»
Wer beim Kleiderkauf auf Nachhaltigkeit achten möchte, kann folgende Tipps beherzigen:
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Tipp 1: Konsum hinterfragen
Als Erstes hilft es, sich zu fragen, wieso man etwas kauft. Experte Hachfeld rät: «Lernen Sie sich selbst als Konsument oder Konsumentin kennen.»
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Tipp 2: Kleidung möglichst lange tragen
Kleidung aus zweiter Hand zu kaufen, spart Ressourcen, die für neue Kleidungsstücke hätten eingesetzt werden müssen. Beschädigte Kleidung zu reparieren ist nachhaltiger, als sie zu ersetzen.
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Tipp 3: Labels kennenlernen
Wenn ein Kleidungsstück neu sein soll, hilft es, sich über Labels und Marken zu informieren, die Nachhaltigkeit garantieren. Dabei muss jeder Konsument selbst entscheiden, welche er für glaubwürdig hält. Orientierung bietet der Label-Guide von Public Eye.
Achtung: Preis und Herkunft eines Artikels sind keine Garantie für eine nachhaltige Herstellung.
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Tipp 4: Online oder im Laden
Die Frage ist nicht nur, was, sondern auch, wo wir einkaufen. Je nach Situation kann der Online-Shop oder das Einkaufszentrum die richtige Wahl sein.