«Mich interessiert die Vielfalt»
Die Hobbygärtnerin Helen Häberli zieht und vermehrt seltene Tomaten. Bei der Aufzucht müsse man sich um die Pflänzchen kümmern, fast wie um kleine Kinder.
Veröffentlicht am 22. März 2022 - 17:50 Uhr
Beobachter: Frau Häberli, wie viele Tomatensorten bauen Sie jeweils an?
Helen Häberli: Es sind jeweils so um die dreissig verschiedene Sorten – aber von jeder Sorte nur eine Pflanze. Mein Ziel ist es nicht, möglichst viele Tomaten zu ernten. Mich interessiert die Vielfalt. Es gibt so viele Farben, Formen und Aromen.
Wie kommt man zu einem solchen Hobby?
Meine Tochter arbeitet bei der Stiftung ProSpecieRara, deren Ziel es ist, seltene Kulturpflanzen zu erhalten, auch Tomaten. Von samenfesten Tomaten kann man die Samen ernten und sie aussäen und man erhält Früchte mit den gleichen Merkmalen wie die Mutterpflanze. Das klappt aber nicht mit Allerweltstomaten aus dem Supermarkt, das sind Hybriden, komplizierte Kreuzungsprodukte, die man nicht selbst vermehren kann.
Welches ist Ihre liebste Tomatensorte?
Ich habe mittlerweile viele Samen und muss mich jeweils im März entscheiden, welche ich anbauen will. Sehr schwierig! Die «Gelbe von Thun» mag ich, weil sie unkompliziert, frühreif, ertragreich und aromatisch ist. Auch die Bolivianische Obsttomate mit ihren kleinen, orangen Früchten ist dankbar, weil sie wie die meisten Wildtomaten sehr robust ist. Immer dabei sind auch die Baselbieter Röteli, Ochsenherz-Tomaten in verschiedenen Farben, und die «Gruss aus Magden».
Ist es nicht ziemlich aufwendig, selber Tomaten auszusäen?
Ja, man muss sich um die Pflänzchen kümmern fast wie um kleine Kinder. Weil es den Tomatenpflänzchen drinnen oft zu warm, aber zu wenig hell ist, sollte man sie, sobald es die Temperaturen zulassen, tagsüber raustragen. Ich stelle die Setzlinge in durchsichtige Boxen aus dem Baumarkt – mit Deckel –, dann stehen sie in einem portablen Minitreibhaus. Aber man muss aufpassen: Wenn die Sonne scheint, wird es in der Box schnell zu heiss, dann muss man den Deckel etwas öffnen. Und nachts müssen sie wieder ins Haus. Das war ein ziemlicher Stress, als ich noch berufstätig war.
Könnte eine Pflanzenlampe
helfen?
Ja, ich habe mir ein paar angeschafft und das erleichtert tatsächlich einiges. Sie geben den Jungpflanzen drinnen zusätzliches Licht. Jetzt trage ich sie nur noch bei optimalem Wetter raus und zum Abhärten.
«Selbst angebaute Tomaten kann man zum genau richtigen Zeitpunkt ernten und essen.»
Helen Häberli, Hobbygärtnerin
Kommen die Tomaten später ins Beet oder in Kübel?
Die meisten setze ich in grosse Töpfe und stelle sie auf die nach Süden orientierte Terrasse, die von einem Glasdach überdeckt ist. Das passt den Tomaten gut, denn sie lieben es trocken, hell und warm. Schein die Sonne zu stark auf das Glasdach, können zu heiss bekommen. Dann beschatte ich sie etwas, weil sich sonst die Blüten nicht richtig entwickeln können und abfallen
Kommen ab Juli, wenn Erntezeit ist, jeden Tag Tomaten auf den Tisch?
Ja, aber das verleidet uns nicht. Mein Mann und ich lieben Tomaten! Ich lege auch Vorräte an: Man kann Tomaten in Öl einlegen oder dörren, Tomatensauce einfrieren oder heiss einfüllen. Seit ein paar Jahren dörre ich Tomatenscheiben zuerst ein bisschen und friere sie dann ein. So kleben sie nicht zusammen und man kann sie einzeln aus dem Tiefkühler entnehmen und auf eine Pizza legen.
Schmecken selbst angebaute Tomaten besser als jene aus dem Supermarkt?
Ich finde schon. Vor allem kann man sie zum genau richtigen Zeitpunkt ernten und essen. Aber eigentlich weiss ich schon gar nicht mehr, wie Tomaten aus dem Supermarkt schmecken, weil ich die tomatenfreie Zeit gut mit anderem Saisongemüse überbrücken kann und ich mich dann wieder umso mehr auf meine Tomatenvielfalt freue.
Sie müssen unterdessen eine richtiges Tomatensamenarchiv haben. Verschenken Sie auch Samen?
Sehr gerne sogar. Aber den meisten ist das Aussäen zu aufwendig, sie nehmen lieber Setzlinge von mir (Lacht).