Schulschliessung und Kinderbetreuung – was sind meine Rechte?
Wegen dem Coronavirus sind im ganzen Land die Schulen geschlossen. Das stellt viele berufstätige Eltern vor Probleme. Beobachter-Expertinnen Anne Sciavilla und Lucia Schmutz beantworten die wichtigsten Fragen.
Veröffentlicht am 13. März 2020 - 19:11 Uhr
Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen hat der Bundesrat Mitte März drastische Massnahmen getroffen. Unter anderem entschied er, alle Schulen zu schliessen. Am 16. April gab der Bundesrat bekannt, dass obligatorische Schulen ab dem 11. Mai wieder geöffnet werden sollen, sofern es die Entwicklung der Epidemie zulässt.
Was bedeutet die Schulschliessung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich neben der Arbeit auch um die Betreuung ihrer Kinder kümmern müssen? Der Bundesrat betonte mehrmals, dass unter allen Umständen eine Vermischung der Generationen verhindert werden müsse, sprich die Grosseltern nicht mehr für die Kinderbetreuung eingesetzt werden sollen. Denn diese gehören zu den besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Der Bundesrat hat deshalb verordnet, dass die Kantone für alle Kinder, die nicht privat betreut werden können, die notwendigen Betreuungsangebote bereitstellen müssen. Nur wenn es andere geeignete Betreuungsangebote gibt, dürfen Kindertagesstätten geschlossen werden.
Die Beobachter-Expertinnen Anne Sciavilla und Lucia Schmutz beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Schulschliessung.
Wenn Eltern wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht mehr arbeiten können, wer kommt dann für den Lohnausfall auf?
Weil durch die Schulschliessung viele Eltern plötzlich vor einem riesigen Problem standen, beschloss der Bundesrat hier Unterstützung zu bieten. Berufstätige Eltern können neu ein Taggeld beziehen, wenn sie wegen der Kinderbetreuung ihren Job nicht mehr ausüben können. Die Entschädigung wird in Anlehnung an die Erwerbsersatzordnung (EO) geregelt, über die auch die Entschädigung bei Militärdienst und Mutterschaft läuft. Betroffene erhalten 80 Prozent des durchschnittlichen Bruttoerwerbseinkommens, das sie zuvor erzielten. Das heisst aber nicht, dass Personen mit sehr hohem Einkommen auch enorme Taggelder erhalten – der Höchstbetrag pro Tag ist auf 196 Franken festgesetzt.
Damit man eine Entschädigung erhält, müssen die Kinder unter 12 Jahre alt und der akute Betreuungsbedarf wegen der Corona-Krise entstanden sein. Also zum Beispiel, dass Schulen oder Kindergärten geschlossen wurden oder dass die Betreuung durch Drittpersonen nicht mehr möglich ist, weil diese zu den besonders gefährdeten Personen zählen. Grosseltern zum Beispiel oder Personen mit gesundheitlichen Vorbelastungen.
Die Entschädigung wird erst ab dem 4. Tag ausbezahlt. Der Bundesrat hat sich nicht konkret dazu geäussert, wer für die ersten drei Tage aufkommen soll. Der Beobachter ist der Ansicht, dass der Arbeitgeber das bezahlen muss. Analog wie bei der bereits vor der Krise etablierten Lohnfortzahlung für Eltern bei kurzzeitigen Ausfällen wegen Krankheit ihres Kindes .
Wichtig: Auch Selbständigerwerbende haben Anspruch auf diese Kinderbetreuungs-Entschädigung. Bei ihnen ist der Anspruch auf Taggelder allerdings auf 30 Tage begrenzt.
Kann ich das Taggeld auch beziehen, wenn ich im Homeoffice arbeite?
Bisher stellte sich der Bund auf den Standpunkt, dass Arbeitnehmende, die ihre Tätigkeit zuhause ausüben können, wegen der zusätzlichen Kinderbetreuung keinen Anspruch auf Taggelder haben. Weil das grundsätzlich keinen Unterbruch der Erwerbstätigkeit bedeutet. Sprich: Wenn die Arbeit im Homeoffice erledigt werden kann, besteht kein Anspruch auf Entschädigung. Diese kriegt nur, wer ausser Haus arbeiten muss. Das heisst, Personen im Homeoffice werden benachteiligt, obwohl sie gleichzeitig arbeiten und Kinder betreuen müssen.
Die Situation für berufstätige Eltern, die zuhause arbeiten, wird jetzt aber verbessert. Das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV sagt unterdessen nämlich: «Muss jedoch aufgrund der Betreuung der Kinder unter 12 Jahren das Arbeitspensum ganz oder teilweise reduziert werden und entsteht daraus ein Erwerbsausfall, besteht für diesen Teil Anspruch.» Die Pensumsreduktion müsse vom Arbeitgeber bestätigt werden, dann habe man auch im Homeoffice Anspruch auf Entschädigung in Form von Taggeldern. Das BSV sei derzeit daran, dies den Ausgleichskassen mitzuteilen, damit auch solchen Fallkonstellationen Rechnung getragen werden könne.
Kann ich meine Kinder mit zur Arbeit bringen, wenn ich kein Homeoffice machen kann und keine Kinderbetreuung habe?
Dies ist gesetzlich nicht geregelt. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Weisungsrechts entscheiden. Diese Ausnahmesituation erfordert kreative Lösungen. Die Beantwortung der Frage ist von verschiedenen Kriterien abhängig. Etwa: Kulanz des Arbeitgebers, Arbeitsplatz, Arbeitstätigkeit, Alter der Kinder, etc.
Bald stehen die Frühlingsferien an. Kann ich die Entschädigung auch während den Schulferien beziehen?
Jein – es kommt auf die individuelle Situation an. Wenn für die Schulferien geplante Betreuungsangebote, wie zum Beispiel Ferienlager, ausfallen, oder wenn ursprünglich engagierte Betreuungspersonen wie Grosseltern jetzt nicht eingesetzt werden können weil sie zur Risikogruppe gehören, dann haben die Eltern auch während den Ferien
Anspruch auf die Taggelder.
Keinen Anspruch haben Sie, wenn die Schule üblicherweise keine Kinderbetreuung während den Ferien anbietet und Sie schon eine andere Lösung haben. Sprich: Wenn Ihre schulpflichtigen Kinder während den Ferien versorgt sind und die entsprechende Betreuung nicht wegen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus ausfällt, bekommen Sie für die Ferien keine Taggelder.
Wie bekomme ich diese Entschädigung?
Sie müssen die Taggelder aktiv beantragen, sie werden nicht automatisch ausbezahlt.
Die Entschädigung können Sie mit dem Formular 318.758 «Anmeldung für die Corona-Erwerbsersatzentschädigung» beantragen. Füllen Sie es aus und schicken Sie es als PDF-Datei mit den entsprechenden Beilagen an Ihre AHV-Ausgleichskasse. Wenn Sie nicht wissen, welche das in Ihrem Fall ist, fragen Sie Ihren Arbeitgeber.
Das Gesuchsformular – auch für rückwirkende Ansprüche – muss spätestens bis zum 16. September gestellt werden.
2 Kommentare
Welche Möglichkeiten hat eine alleinerziehende Mutter mit einem schulpflichtigen Kind unter 10 Jahren? Sie arbeitet im Stundenlohn und wird vom Sozialdienst, zusätzlich zu den Unterhaltszahlungen des Ex-Mannes unterstützt. Findet sich keine adäquate Betreuung, wer kommt für das Defizit auf? Das Kind kann nicht zur Arbeit mitgenommen werden.
Bei uns in Baselland bieten alle Primarschulen eine Betreuung an, sodass Eltern arbeiten gehen können.
Von den rund 400 Schülerinnen und Schülern nutzen etwa 4 die Betreuung.