So wie McDonald’s, das vor Kurzem in der Pariser Businessmetropole sein erstes vegetarisches Restaurant eröffnete. Statt Big Macs gibt es ein Salatbüffet mit 28 Zutaten, und Kaffee und Kuchen. Die Gäste reagieren positiv, sagt McDonald’s-Sprecherin Isabelle Kuster. Kritiker bemängeln, dass die Fast-Food-Kette mit ihren vegetarischen Aktionen bloss von ihren ungesunden Burgern ablenken will.

Wie auch immer: Vegetarismus liegt zweifelsohne im Trend. In Deutschland essen mindestens eine Million Erwachsene kein Fleisch, knapp jeder Zehnte von ihnen verzichtet sogar auf Milch und Eier. Der Streit darüber, ob diese Kostform wirklich gesünder ist, ebbt nicht ab. Wissenschaftliche Studien liefern nun neue Daten zur Diskussion.

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Der chinesische Ernährungswissenschaftler Duo Li hat in einer Übersichtsarbeit nur für den Vegetarismus, der tierische No-Meat-Produkte wie Milch und Eier zulässt, einen Schutzeffekt für Herz und Kreislauf finden können. Nicht aber für die rein veganische Ernährung, die auf tierische Nahrungsmittel komplett verzichtet.

Für die Anhänger dieser Kostform ermittelte Li sogar ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weil ihr Blut zu viel Homocystein und dafür zu wenig gefässschützendes HDL-Cholesterin aufweist. Ausserdem neigen ihre Adern stärker zu Blutgerinnseln. «Ich kann keinem Menschen empfehlen, sich veganisch zu ernähren», sagt Li. Es sei denn, dass er sich per Nahrungsergänzung mit Biostoffen versorgen würde, von denen ein Veganer zu wenig zu sich nimmt. Dazu gehören Eisen, Zink, Vitamin B12 und Omega-3-Fettsäuren, die in Fisch vorkommen.

Veganer sind verschärfte Vegetarier. Neben Fleisch verzichten sie auf sämtliche tierische Produkte wie z.B. Eier, Milch und Honig.

Quelle: Thinkstock Kollektion

Eine Studie, die zu denken gibt, aber Veganer auch nicht zur Panik veranlassen sollte. Denn der Ernährungswissenschaftler David Jenkins von der University of Toronto betont, dass man von bestimmten Auffälligkeiten im Blutbild nicht zwangsläufig auf ein erhöhtes Krankheitsrisiko schliessen kann.

Veganer bräuchten beispielsweise gar nicht so viel HDL-Cholesterin wie andere Menschen, denn der Sinn dieses Stoffs besteht darin, das schädliche LDL-Cholesterin von den Gefässwänden zu «kratzen». «Doch in den Blutgefässen von Veganern, die keine tierischen Fette zu sich nehmen, kursiert gar nicht so viel LDL, das beseitigt werden müsste.»

Dass ein Nährstoffmangel bei Veganern nicht automatisch zu Krankheiten führen muss, konnte Ernährungswissenschaftler Ibrahim Elmadfa von der Universität Wien belegen. Sein Team untersuchte die Gesundheit von 233 Männern und Frauen. Von ihnen waren 54 strenge Veganer und verzehrten zu wenig Vitamin B12, Kalzium und Vitamin D, doch sie zeigten keine verstärkte Neigung für Mangelerkrankungen wie etwa Osteoporose.

Die Erklärung: Wie alle Vegetarier federn auch Veganer potenzielle Mangelprobleme dadurch ab, dass sie einen Lebensstil führen, der den Bedarf an gesundheitsfördernden Substanzen herunterschraubt: Sie bewegen sich mehr und trinken weniger Alkohol als andere Menschen, «und Raucher findet man unter ihnen ohnehin nur äusserst selten». Ihr Bedarf an antioxidativen Vitaminen und Mineralien sei eher gering. Kalziumräuber wie Cola-Getränke und Schmelzkäse sind ebenfalls untypische Speisen für Vegetarier, und da sie sich viel im Freien aufhalten, mobilisieren sie ihre körpereigene Vitamin-D-Produktion.

Was natürlich letzten Endes bedeutet: Vegetarier essen nicht nur anders, sie leben auch anders als Fleischesser. Ihr überdurchschnittlicher Gesundheitszustand – sie leiden vor allem seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht und Stoffwechselstörungen – könnte also durchaus mit ihrem gesamten Lebensstil zu tun haben.

Viele Vegetarier bezeichnen ihre Kost als «naturgemässe» Lebensweise des Menschen. Doch ist das wirklich so? Der Ernährungsforscher Tobias Lechler sagt, dass sich unsere steinzeitlichen Vorfahren von reifen Früchten ernährten. Vom Obst war es nur ein kleiner Schritt zum Fleisch, da man für beide Lebensmittelgruppen – im Unterschied etwa zum hartfaserigen Gemüse – nur einen kurzen Verdauungstrakt braucht.

Der Frühmensch konnte dadurch in Trockenzeiten mit geringem Früchteangebot auf Fleisch ausweichen – und das erschloss ihm eine Eiweissquelle für das Wachstum seines Hirns. «Die Integration von tierischen Nahrungsquellen in den humanen Speiseplan war sehr wahrscheinlich ein Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der kognitiven Leistungsfähigkeit.»

Heute können wir allerdings alles, was wir wollen, im Supermarkt kaufen. Vom Erbe der Steinzeitmenschen können wir also getrost ablassen. Und dass die vegetarische Lebensweise gesund ist, wird kaum noch bestritten.

Man muss es allerdings nicht so genau nehmen mit der Fleischlosigkeit. So begleitete etwa ein Forscherteam des Deutschen Krebsforschungszentrums 21 Jahre lang das Leben von 1904 Veganern, Ovo-Lakto-Vegetariern und «moderaten» Vegetariern, die gelegentlich (also nicht täglich) Fisch oder Fleisch verzehrten. Die Forscher verglichen ihre Gesundheitsdaten mit denen der Durchschnittsbevölkerung.

Zum Ende der Studie waren 28 Prozent der Probanden verstorben, was deutlich unter der Sterblichkeit in der Allgemeinbevölkerung lag. Die Sterbequoten zeigten jedoch keine Abhängigkeit von der Strenge des Vegetarismus: Moderate Vegetarier schnitten ähnlich gut ab wie die Veganer. «Ein Befund, der sich durchaus mit der Fleischabstinenz erklären lässt», betont Studienleiterin Jenny Chang-Claude, «er steht im Einklang mit der These, dass tierische Fette und cholesterinreiche Kost Erkrankungen des Herzkranzgefässe begünstigen.»

Allen drei Vegetariergruppen war laut Chang-Claude gemeinsam, «dass sie sich aufgrund ihres insgesamt sehr gesundheitsbewussten Lebensstils deutlich von der Allgemeinbevölkerung unterschieden». Was konkret heisst: Nicht nur strenge, sondern auch gemässigte Vegetarier haben ein ausgeprägtes Bewusstsein für das, was gesund und schädlich für sie ist, und sie wissen dieses Wissen auch umzusetzen. Und das ist wohl letztendlich ausschlaggebend für ihren überdurchschnittlichen Gesundheitszustand.

Den Vegetariern selbst ist ohnehin nicht so wichtig, ob ihr Speiseplan besonders gesund ist. Die Psychologinnen Kristin Mitte und Nicole Kämpfe von der Universität Jena befragten 115 Vegetarier, warum sie eigentlich auf Fleisch verzichten würden.

Das Ergebnis: 17 Prozent tun dies aus moralischen Gründen, sechs Prozent aus emotionalen Gründen – und nur etwa fünf Prozent sind gesundheitlich motiviert. 72 Prozent der Befragten nannten mehrere dieser Gründe, und sie machten dabei keineswegs einen missionarischen oder starrköpfigen Eindruck. «Vegetarier sind keine anderen Menschen als Omnivoren», resümieren die Forscherinnen.