Sozialhilfe von A bis Z
In der Schweiz gibt es 26 Sozialhilfegesetze – für Laien ein fast undurchdringlicher Dschungel von Regeln und Vorschriften. Das Abc der Sozialhilfe liefert hilfreiche Erklärungen.
aktualisiert am 27. Dezember 2022 - 14:01 Uhr durch Daniela Bleiker Patt
Im Jahr 2021 haben 265’100 Personen Sozialhilfe bezogen. Die Sozialhilfequote sank leicht auf 3,1 Prozent. Damit waren die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Sozialhilfe wie auch im Vorjahr gering. Das Thema polarisiert, immer wieder steht die Sozialhilfe im Kreuzfeuer. So wurde schon behauptet, Sozialhilfebezüger würden es sich im Netz der sozialen Sicherheit bequem machen wie auf einer Hängematte. Andere monieren, Sozialhilfeempfänger müssten am Hungertuch nagen. Mit plakativen Thesen und fetten Schlagzeilen ist jedoch niemandem geholfen – nur mit sachlichen Informationen. Lesen Sie dazu unser Abc der Sozialhilfe.
A wie Auto
Sozialhilfebezüger fahren nicht mit dem Mercedes beim Amt vor. Die Sozialhilfe finanziert keine Autos – es sei denn, man ist aus gesundheitlichen Gründen auf das Auto angewiesen oder man ist erwerbstätig und kann den Arbeitsort nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. In einem solchen Fall können Benzin- und Versicherungskosten bezahlt werden.
B wie Beschwerde
Sozialhilfebezüger haben Rechte wie alle anderen Bürger, die mit Behörden zu tun haben: Deren Entscheide müssen schriftlich abgegeben werden und können innerhalb der kantonalen Fristen bei einer übergeordneten Behörde oder einer Beschwerdeinstanz angefochten werden. Allerdings gibt es hierbei keine Regel ohne Ausnahme: Im Kanton Zürich kann man sich beispielsweise nicht gegen Auflagen und Weisungen zur Wehr setzen, erst gegen allfällige Konsequenzen. Ein Anwalt ist bei einer Beschwerde nicht zwingend nötig. Ob sich eine Beschwerde lohnt, kann das Beobachter-Beratungszentrum in den meisten Fällen beurteilen.
C wie CH-Bürger
Die Sozialhilfequote lag 2021 in der Schweiz bei 3,1 Prozent. Bürger und Bürgerinnen mit einem Schweizer Pass wiesen mit 2,0 Prozent eine tiefere Sozialhilfequote aus als Ausländerinnen und Ausländer (6,1 Prozent). Von allen Altersgruppen am stärksten auf Sozialhilfe angewiesen sind minderjährige Kinder und Jugendliche mit einer Sozialhilfequote von 5,2 Prozent.
D wie Datenschutz
Mitarbeitende von Sozialämtern und -behörden haben Schweigepflicht . Mit anderen Amtsstellen (etwa Steueramt, Polizei) dürfen Daten nur ausgetauscht werden, wenn es im Kanton eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Für Auskünfte von Ärzten, Vermietern oder Schulen ist die Zustimmung des Sozialhilfebezügers nötig, sofern das Sozialhilfegesetz nichts anderes vorsieht.
E wie Existenzminimum
Wer zu wenig oder gar nichts verdient, hat Anspruch auf einen Pauschalbetrag für Essen, Kleider und andere Anschaffungen, den sogenannten Grundbedarf.
Für eine alleinstehende Person beträgt dieser seit Anfang 2023 in vielen Kantonen 1031 Franken (in einigen weniger). Wohnen mehrere Personen im gleichen Haushalt, gelten tiefere Ansätze pro Person. Dazu kommen die Wohnungskosten im ortsüblichen Rahmen und die medizinische Grundversorgung. Aus wirtschaftlichen, familiären oder gesundheitlichen Gründen können situationsbedingte Leistungen hinzukommen, etwa Hortkosten oder Auslagen im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit.
F wie Ferien
Wer langfristig Sozialhilfe bezieht, soll sich erholen können. Vor allem, wenn man erwerbstätig ist oder Kinder betreut. Die meisten Sozialdienste beteiligen sich aber nicht an den Kosten für Ferien. In diesem Fall könnten Sozialhilfeempfänger bei Fonds und Stiftungen ein Gesuch um Kostenbeteiligung einreichen.
Eine Ferienabwesenheit muss dem Sozialdienst unbedingt mitgeteilt werden, da eine Mitwirkungspflicht besteht. Wenn ein Sozialhilfeempfänger keiner Arbeit nachgeht, muss er sich dem Sozialdienst zur Verfügung halten – für eine allfällige neue Arbeitsstelle oder Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm. Darum ist es wichtig, dass die Betreuungsperson vom Ferienaufenthalt weiss.
Beachtet werden muss ausserdem, dass der Sozialdienst Auflagen erteilen kann, wie lange die Ferien andauern dürfen. Bei längeren Auslandsaufenthalten kann zudem der Grundbedarf gekürzt werden.
G wie Grundeigentum
Es kommt nicht darauf an, ob man Vermögen im Portemonnaie, als Aktien oder als Grundeigentum hat: Wer Vermögen hat, kann nicht Sozialhilfe beziehen. Ausnahme: Wer günstiger im eigenen Haus als in einer Mietwohnung wohnt, soll sein Haus nicht verkaufen müssen, wenn er eine Grundpfandverschreibung unterzeichnet.
Kann das Sozialhilfeamt einfach die Wohnkosten zusammenstreichen? Wie teuer darf eine Wohnung bei der Suche maximal sein und was müssen Hausbesitzer wissen? Beobachter-Mitglieder erhalten mehr Infos unter «Wie viel darf die Wohnung eines Sozialhilfeempfängers kosten?».
H wie Haustiere
Sozialhilfe sichert nur die Existenz von Personen. Die Kosten für Haustiere sind mit dem Grundbedarf zu bezahlen. In finanziellen Notfällen können private Stiftungen einspringen. Sprechen Sie eine allfällige Unterstützung aber unbedingt zuerst mit dem Sozialdienst ab (siehe auch «Z wie Zuwendung»).
I wie Integration
Auch von der Sozialhilfe unterstützte Personen sollen am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen können. In fast allen kantonalen Sozialhilfegesetzen steht denn auch, dass die berufliche und soziale Integration gefördert werden soll. Die Kosten für Sprachunterricht oder berufliche Wiedereingliederung sind deshalb gut investiertes Geld. Wer sich weigert, hat mit Sanktionen zu rechnen (siehe «K»). Wer sich hingegen bemüht, kann mit Integrationszulagen belohnt werden.
J wie Junge Erwachsene
Als junge Erwachsene gelten in der Sozialhilfe alle Menschen zwischen dem vollendeten 18. und dem 25. Lebensjahr (in einigen Kantonen gar bis zum 35. Lebensjahr). Bei ihnen steht die Integration ins Berufsleben im Vordergrund. Von ihnen wird verlangt, dass sie entweder bei den Eltern oder in einem günstigen WG-Zimmer wohnen. Eine eigene Wohnung wird nur in Ausnahmefällen finanziert.
K wie Kürzungen
Wer seinen Pflichten nicht nachkommt, sich nicht um eine Verbesserung seiner Situation bemüht oder mit falschen Angaben operiert, hat mit Leistungskürzungen bis zu 30 Prozent zu rechnen; in Einzelfällen können gar sämtliche Leistungen eingestellt werden. Solche Entscheide sind in einer Verfügung schriftlich zu begründen und müssen eine Einsprachemöglichkeit enthalten.
L wie Lebensgemeinschaft
Wer ohne Trauschein zusammenlebt, ist eigentlich nicht verpflichtet, den Partner oder die Partnerin zu unterstützen . Lebt ein Paar jedoch in einem stabilen Konkubinat und wird nur eine Person unterstützt, werden Einkommen und Vermögen des anderen angemessen berücksichtigt.
M wie Missbrauch
Was als Missbrauch gilt, regelt Art. 148a des Strafgesetzbuches. Missbrauch kommt aber weniger oft vor, als uns fette Schlagzeilen glauben machen wollen: Die Missbrauchsquote beträgt (von Experten geschätzt) ein bis maximal zwei Prozent. Das macht das Ganze freilich nicht besser: Missbrauch muss bekämpft werden.
Wer Sozialhilfe beantragt, hat sowohl Rechte als auch Pflichten. Beobachter-Mitglieder erhalten darüber Auskunft, ob Sozialhilfe später zurückerstattet werden muss. Musterbriefe liefern zudem Unterstützung, wenn Beschwerde gegen einen Entscheid eingelegt wird.
N wie Nothilfe
Gemäss unserer Verfassung haben alle Menschen im Land das Recht auf Hilfe, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Auch illegal in der Schweiz anwesende Ausländer bekommen deshalb Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf und medizinische Grundversorgung. Nothilfe ist nicht Sozialhilfe: Nothilfe kann in Form von Naturalleistungen erbracht werden.
O wie Organisation
Wie und ob jemand unterstützt wird, liegt nicht im Ermessen der Sozialarbeiter. Entscheide werden immer von den Behörden gefällt, die sich wiederum an die gesetzlichen Grundlagen zu halten haben.
P wie Pflichten
Die wichtigsten Pflichten eines Sozialhilfebezügers sind Auskunfts- und Mitwirkungspflicht: Ersteres heisst, dass vollständig und wahrheitsgetreu Auskunft gegeben werden muss über Einkommen, Vermögen sowie Arbeits- und Familienverhältnisse. Letzteres bedeutet, dass man alles in seiner Kraft Liegende tun muss, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.
Q wie Qualität
Sozialhilfe muss sich durch hohe Qualität auszeichnen. Das heisst nicht, dass die Unterstützungsbeträge möglichst hoch sein sollen. Die Qualität der Sozialhilfe kann daran gemessen werden, dass sie wirksam und wirtschaftlich und im Verhältnis mit den aufgewendeten Mitteln wirkungsvoll ist.
R wie Rückerstattung
Sozialhilfe ist kein Geschenk. In allen Kantonen müssen Sozialhilfeleistungen, die jemand unrechtmässig bezogen hat, zurückbezahlt werden. Aber auch rechtmässig bezogene Sozialhilfe muss zurückbezahlt werden . In einigen Kantonen kommt die Rückerstattung nur zum Tragen, wenn eine ehemals sozialhilfebeziehende Person dank Erbschaft oder Lotteriegewinn zu Vermögen gekommen ist. In vielen Kantonen müssen aber auch aus einem späterem Einkommen Sozialhilfeleistungen zurückbezahlt werden. In allen Kantonen verjährt diese Pflicht aber zwischen zehn und 20 Jahren nach dem letzten Bezug.
S wie Subsidiarität
Einer der wichtigsten Begriffe in der Sozialhilfe. Diese wird prinzipiell nur subsidiär ausgerichtet. Das bedeutet: Nur wenn man sich nicht selber helfen kann und Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist, gibt es Sozialhilfe. Sämtliche Einkünfte und Vermögen sind als eigener Beitrag ans Existenzminimum anzusehen.
T wie Teuerung
2009 fällte der Vorstand der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) in Absprache mit der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) einen Grundsatzentscheid, nach dem die Anpassung des Grundbedarfs zeitgleich erfolgen soll wie die Teuerungsanpassung der Ergänzungsleistungen (EL) zu AHV und IV, sofern sie über 0,5 Prozent beträgt. So wurde gemäss der Empfehlung der Skos per 2023 in den meisten Kantonen denn auch eine Eröhung des Grundbedarfs um 25 Franken beschlossen.
U wie Unterhaltsbeiträge
Wer Unterhaltsbeiträge (Alimente) nicht bezahlen kann oder nicht bekommt, erhält diese nicht in Form von Sozialhilfe. Alimentenschuldnern werden die Beträge weder bevorschusst noch bezahlt, sie riskieren eine Betreibung. Wem Alimente zustehen, kann in den meisten Fällen Alimentenbevorschussung beantragen und muss die erhaltenen Beträge nicht zurückerstatten.
V wie Verwandtenunterstützung
Wird jemand mit Sozialhilfe unterstützt, werden Angehörige in gerader Linie (darunter versteht man Grosseltern, Eltern, Kinder und Enkel) unterstützungspflichtig , sofern sie in «günstigen Verhältnissen» leben, wie es im Zivilgesetzbuch heisst.
Es empfiehlt sich, die geforderten Unterlagen einzureichen, sich genau über sein Recht zu informieren und mit dem Amt auszuhandeln, ob und mit welchem Betrag man unterstützen könnte.
Die Sozialbehörde kann nicht in Eigenregie die Höhe der Unterstützung festlegen. Kommt keine Einigung zu Stande, muss die Sozialbehörde die Unterstützung vor Gericht einklagen.
W wie Wohnkosten
Die Sozialhilfe bezahlt die Miete im sogenannt ortsüblichen Rahmen. Wie hoch das ist, ist von Ort zu Ort verschieden. Bewohnt eine sozialhilfebeziehende Person eine zu teure Wohnung, kann die Sozialbehörde verlangen, dass sie sich eine günstigere Wohnung sucht. Bis eine günstigere Wohnung gefunden wird, müssen die überhöhten Wohnkosten aber bezahlt werden (siehe auch «G wie Grundeigentum»).
Z wie Zuwendungen
Ausser den üblichen Gelegenheitsgeschenken sind alle Zuwendungen Dritter als Einnahmen zu betrachten. Ein Zustupf wird vom berechneten Existenzminimum in Abzug gebracht (siehe auch «S wie Subsidiarität»).
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