Kassieren, ohne zu arbeiten
Am Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich verrechnete ein Kaderarzt Honorare, auch wenn er abwesend war. Die Uni sieht darin kein Problem.
Veröffentlicht am 29. März 2020 - 20:55 Uhr
An der Uniklinik wissen es alle. Die persönlichen Sprechstunden des Zahnarzts verlaufen manchmal völlig unpersönlich. Der Kaderarzt verrechnet seinen Patientinnen selbst dann Privathonorare, wenn er nicht da ist. Dies zeigen vertrauliche Patientendokumentationen, die der Beobachter unter Wahrung des Patientengeheimnisses einsehen konnte.
Der Zahnarzt sei bei zahlreichen persönlichen Terminen nicht präsent gewesen und habe seine Assistenzärztinnen für sich arbeiten lassen, bestätigen mehrere Quellen unabhängig voneinander. Dennoch kamen die Rechnungen von der Ärztekasse statt von der Universität. Die Einnahmen gehen somit nicht an die Zürcher Steuerzahler, die das Defizit der zahnärztlichen Klinik decken müssen. Sondern sie fliessen zu einem schönen Teil an den Zahnarzt als Privathonorar. Die Gewinne privat, die Kosten dem Staat.
Der Kaderzahnarzt ist einer von 30 Privilegierten am Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich. Diese Zahnärztinnen und Zahnärzte dürfen eine Privatpraxis in den Räumen der Uni führen. Sie arbeiten gelegentlich auf eigene Rechnung, müssen aber im Schnitt 40 Prozent ihres Umsatzes als Entschädigung abgeben. Für Räume, Personal und Material der Universität.
Die Finanzkommission des Kantons Zürich hat die «Abläufe in den zahnärztlichen Privatpraxen» extern überprüfen lassen. Spezialistinnen und Spezialisten der Finanzkontrolle durchforsteten mehrere Wochen die Büros der Zahnärzte. Der «besondere Prüfbericht» liegt seit September vor, aber trotz Öffentlichkeitsprinzip hält das Kantonsparlament den Sonderbericht unter Verschluss.
Tobias Langenegger, Präsident der Finanzkommission, sagt nur, man nehme das Thema «sehr ernst». Weil sich derzeit mehrere Kommissionen des Parlaments mit dem Bericht befassen, könne er inhaltlich gegenwärtig nicht Stellung nehmen. Der Kantonsrat werde aber «Resultate» kommunizieren, voraussichtlich im Frühsommer.
Bereits jetzt ist klar, dass der Sonderbericht den Zahnarzt entlastet. Das sagen zumindest die vorgesetzten Stellen. «Systematische oder absichtliche Rechtswidrigkeiten konnten keine festgestellt werden», schreibt das Universitätsspital Zürich, das in mehreren Bereichen eng mit dem Zahnarztzentrum zusammenarbeitet. Die Universität Zürich, zu der das Zentrum für Zahnmedizin gehört, schreibt: Der Prüfbericht habe «keine gravierenden Mängel oder Fehlverhalten festgestellt». Er wolle dem nichts hinzufügen, sagte der Zahnarzt auf Anfrage.
Der Persilschein erstaunt. In einem Dutzend Fälle zeigen die Patientendokumentationen , dass sich der Zahnarzt nicht an den «Ehrenkodex zur Honorargenerierung für Kaderärzte» gehalten hat. Die Grundregel dort ist eigentlich ganz einfach: Für Kundschaft in den Privatpraxen muss das Renommee der Top-Kaderärzte sorgen. Nur wenn die Patientinnen und Patienten ausdrücklich an den Arzt persönlich überwiesen werden, ist ein Privathonorar gerechtfertigt. Das schreibt das Reglement zum Zusatzhonorargesetz vor, das die Ärztliche Direktion des Zürcher Universitätsspitals erlassen hat.
Wenn eine Hauszahnärztin eine Patientin für ein neues Zahnimplantat an keinen bestimmten Uni-Zahnarzt überweist, gibt es also kein Privathonorar. Bei Notfallpatientinnen sind Privathonorare nur in Ausnahmefällen erlaubt. Wer nach einem Töffunfall ins Unispital eingeliefert wird, darf zur Nachbehandlung der Zahnlücken nicht in eine Privatpraxis umgeleitet werden. Doch genau das ist beim Kaderarzt immer wieder geschehen, zeigen Dokumente. Die Notfallpatienten mussten auf dem Zahnarztstuhl in seiner Privatpraxis Platz nehmen. Sie erhielten einen Privattermin, ohne dass sie das gewünscht hätten.
Das Universitätsspital stört das nicht. Seine Zurückhaltung rechtfertigt es mit juristischen Gründen. Der Zahnarzt müsse sich gar nicht an das Honorarreglement halten. Der Ärztliche Ehrenkodex gelte nur für Spitalpatientinnen, nicht aber für Kunden der Zahnklinik. Denn das zahnmedizinische Zentrum gehöre nicht zum Spital, sondern zur Universität.
Weil der Zahnarzt seine Notfallpatienten unter das juristische Dach der Universität verschiebt, kann ihm niemand etwas anhaben. Ein cleverer Schachzug: Dadurch hat der Kaderarzt die Rechte eines Angestellten des Unispitals, nicht aber die Pflichten. Denn der Zahnarzt ist sowohl am Unispital wie auch an der Universität angestellt. Man wolle nun die Verträge überarbeiten, heisst es beim Unispital Zürich.
Gemäss der Universität Zürich müssen sich Zahnärzte mit Privatpraxis zwar nicht an den Ehrenkodex des Spitals halten, aber an die Richtlinien der Universität. Was diese vorschreiben, ist jedoch unklar.
Die Universität verteidigt ihren Angestellten: Dass ein Kaderarzt bei persönlichen Sprechstunden nur kurzfristig abwesend sei, könne im Klinikalltag vorkommen. In solchen Fällen sei es erlaubt, dass eine Vertretung den Termin übernehme. Diese Regelung will die Universität nun überarbeiten. Man habe eine Arbeitsgruppe gebildet, um die Empfehlungen der Finanzkontrolle umzusetzen.
Der Fall des Zürcher Uni-Zahnarzts verweist auf ein grundsätzliches Problem. Wie Kaderärzte zu ihren Privathonoraren kommen, entzieht sich oft jeglicher Kontrolle. Das beweist ein Fall aus dem Universitätsspital Basel. Dort zeigte ein Assistenzarzt 2016 seinen Vorgesetzten an. Der Professor verrechne für Privatpatienten «systematisch» Privathonorare, ohne dafür etwas zu tun, steht in der Eingabe an die Staatsanwaltschaft.
Der junge Assistenzarzt war der Einzige, der Kritik übte. Er stellte seinen Chef zur Rede. Schaltete die Personalabteilung ein. Machte eine Strafanzeige wegen Verdachts auf gewerbsmässigen Betrug durch Honorarerschleichung. «An meiner Klinik war bei Privatpatienten üblich: Wir Assistenzärzte machen die Arbeit, der Chefarzt kassiert das Geld der Zusatzversicherung.»
Der Aufstand half nicht. Die Basler Staatsanwaltschaft eröffnete nicht einmal ein Verfahren gegen den Professor. Strafrechtlich hat er ohnehin nichts zu befürchten: Selbst wenn er für Wochen verreiste, ohne Instruktionen zu hinterlassen, und trotzdem das Honorar der Privatpatienten einstriche, wäre das laut der Basler Staatsanwaltschaft nicht strafbar. In der Schweiz gebe es keine gesetzliche Grundlage, die die Kriterien des Honoraranspruchs definiere. Kein Gesetz, keine Strafe.
Das bedeutet: Reguliert ein Spital die privatärztliche Tätigkeit seiner Kaderärzte nicht sehr genau, sprudeln die Honorare unkontrolliert. Ohne dass Verstösse Folgen haben. Ohne dass mutige Mitarbeiterinnen belohnt werden. Der Basler Professor legte seinem aufmüpfigen Assistenzarzt die Kündigung nahe. Der couragierte Mann musste das Basler Unispital verlassen, ohne Facharzttitel.
11 Kommentare
Und da wundert man sich-falls den jemand wie dieser junge Mann,der seine berufliche Zukunft aufs'Spiel setzte und tatsächlich der Leidtragende ist- dass alle auf ihr Maul hocken, und mit dem Strom mit schwimmen?
In Sachen Korruption mit dem Finger auf andere Länder zeigen und sich selber den Persilschein anheften? Ich glaub auch! Es ist für mich schon lange kein Thema mehr, stolz ein Schweizer zu sein......
Das lukrative, Menschen ausbeuterische Schweizer "Gesundheits-Un-Wesen" und die Zuständigen( Gesundheits-Direktoren- und ParlamentarierInnenkümmern sich um Eigeninteressen-Verfolgung (lukrative VR-Mandate - Lobbyismus)!! Eine Schande! Schweizer Volks-Politik!!?
je länger je mehr komm ich zum Eindruck, wir haben nur Pfeiffen die doktoriert haben. Ich arbeitete als Konstruktuer sehr selbständig, aber IN Firmen, aber alles musste physikalisch korrekt funktionieren. Ärzte könne einem angeben was es ihnen gerade halbwegs passt, und wehe man zweifelt an ihrem Können. Man bedenke jetzt gerade an die Dunkelziffer.
Genau, das Gesetz gilt schon lange nur für das „Fussvolk“, Richter gehören eben auch nicht zum Fussvolk. Aber man sollte zuerst ganz oben anfangen Ordnung zu schaffen. Was bitte schön haben die Lobbyisten im Bundeshaus zu suchen? Sie sind „Menschenkäufer“, darum wird das Volk auch nicht vertreten, sondern nur noch die Banken, Versicherungen, Pharmaindustrie, Bauern, etc.
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