Der grösste Luxus, den ich mir im Alltag gönne, ist das Wort «Nein». Kein Wort ist so effizient. Mit nur einer Silbe lassen sich Einladungen absagen, Verpflichtungen verschieben, Herzen brechen. Es rettet mich aus verzwickten Situationen und verbessert meinen Schlaf. Ich bin süchtig danach. Was lustig ist, bedenkt man, dass ich ohne das Wort aufgewachsen bin. Ich kannte es natürlich – wurde auch selber oft Opfer davon –, hatte es aber nie im aktiven Wortschatz.

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Denn wie bei so vielem war ich auch beim «Nein» ein Spätzünder. Zu mächtig wirkte es. Ein Statussymbol, das sich andere Leute leisten; wütende Leute, bittere Leute. Und das wollte ich nicht sein. Ich wollte es allen recht machen, von allen geliebt werden. Ich wusste nicht, dass man Angebote auch ausschlagen konnte – was, falls nie wieder eins kommt? Der Einsatz des Wortes «Nein» schien mir töricht, seine Konsequenzen zu teuer.

Dabei kostet es gar nicht viel. Im Gegenteil. Ein «Nein» lohnt sich auch wirtschaftlich. Es verschafft Gehör. Bei Gehaltsverhandlungen kam nach jedem «Nein» ein höheres Angebot zurück. Ich habe noch keines bereut.

Früher habe ich mein «Nein» noch dekoriert. Mit relativierendem Gefasel und vielen «Aber» und «Oder» wollte ich negative Reaktionen abfedern. Heute geniesse ich mein «Nein» pur – direkt ins Gesicht des Gegenübers.

Aber Obacht: Ein «Nein» kommt nicht immer gut an. Gerade ältere Herren in Machtpositionen können schlecht damit umgehen. Für sie ist jedes «Nein» ein Angriff. Und dass die grösste Partei des Landes das Wort für sich gepachtet hat, ist auch tragisch. Dem müssen wir entgegenwirken. Das «Nein» gehört uns allen. Es ist grösser als die Politik. Aber bis wir es als Gesellschaft verantwortungsvoll einsetzen können, ist es noch ein langer Weg.

Weshalb die Migros-Klubschule noch keinen Kurs «Nein für Anfänger:innen» anbietet, ist mir schleierhaft. Zum Glück ist die nächste Generation weiter. In der Kita wird unserer Tochter bereits erfolgreich der Gebrauch des Wortes beigebracht. «Nein, das will ich nicht!», sagt sie nun immer, wenn ihr etwas nicht passt. Leider wendet sie den Satz nur bei uns an – wenn es Zeit zum Zähneputzen ist. Aber immerhin!

Falls auch Sie mal ein «Nein» ausprobieren wollen: Hier sind ein paar Gratisexemplare als Versucherli zum Ausschneiden. Greifen Sie zu und probieren Sie es aus. Wie Käsewürfeli im Supermarkt: NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN (nicht alle auf einmal benutzen, bitte).

Meine Bewertung für das Wort «Nein»: ★★★★★

Zur Person
Patrick «Karpi» Karpiczenko