Guten Tag, ich möchte mein ADHS-Abo kündigen. Per sofort. Ich habe keine Verwendung mehr dafür. 37 Jahre lang habe ich versucht, die Aufmerksamkeitsdefizitstörung in den Alltag einzubinden; zuerst mit Zwang und Tricks, dann mit Medikamenten. Erfolglos. Deshalb will ich jetzt raus.

Klar war es aufregend, jeder Tag war ein Abenteuer. Manchmal habe ich sogar damit kokettiert. Ich gefiel mir in der Rolle des Klassenclowns. Wenn man mich «kleiner Professor» nannte, hab ich mitgespielt. Gut möglich, dass ich nur wegen meiner Störung beim Fernsehen gelandet bin, nie eine Festanstellung hatte und Filme drehen konnte, auf die ich stolz bin.

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Aber das ist mir alles egal, denn die negativen Seiten überwiegen. Gerade die zweijährige Tochter, die bei uns eingezogen ist, hat kein Verständnis für einen impulsiven, unberechenbaren Vater, der nie wirklich präsent ist. Kein kreatives Werk der Welt ist es wert, dass meine Tochter zu kurz kommt. Ich will jetzt nur noch ein normales, unaufgeregtes Leben führen.

Ein Leben nach dem ADHS-Abo stelle ich mir fantastisch vor. Ich träume davon, einmal einen Gedanken fertig zu denken, ohne von fünf neuen heimgesucht zu werden. Ich möchte einmal im Leben meine Steuererklärung einen Monat zu früh ausfüllen. Ich möchte einmal Langeweile erleben, ohne dabei Höllenqualen zu leiden. Ich möchte einmal Herr meiner Launen sein und nicht umgekehrt. Auch die Werbung für ADHS ist irreführend. In Film und Fernsehen wird die Störung als wildes Abenteuer angepriesen. Fiktive Figuren mit ADHS wie Bart Simpson sind Spassbolde, die mit allem davonkommen. Die negativen Seiten werden ausgeblendet.

Ich kann mein ADHS definitiv nicht weiterempfehlen. Es ist anstrengend, frustrierend und absolut unkontrollierbar. Eine Anleitung fehlt, und der Kundenservice ist lausig. Konkrete Hilfe ist derzeit rar – in der Stadt -Zürich etwa wartet man gut und gern ein Jahr auf einen Therapieplatz.

Übrigens kann ich mich nicht erinnern, jemals ein ADHS-Abo bestellt zu haben! Falls ich es von meinem Vater oder meiner Mutter geerbt habe, passierte das gänzlich ohne mein Einverständnis. Ist dieses «geschenkte» Abonnement überhaupt rechtens? Ich bezweifle es.

Sollte es nicht möglich sein, das Abonnement zu kündigen, wäre ich auch bereit, mein ADHS gegen etwas anderes einzutauschen. Gegen einen verstauchten Knöchel oder eine Laktoseintoleranz. Einfach gegen etwas, was berechenbar in einen Alltag mit Kleinkind und Lohnarbeit eingebunden werden kann. Ich habe genug von einer Störung, die in meinem Alltag rumwütet wie ein Wildschwein in der Charcuterie-Abteilung.

Meine Bewertung für mein ADHS: ★★☆☆☆

Zur Person
Patrick «Karpi» Karpiczenko