Über 1000 Missbrauchsfälle im Umfeld der römisch-katholischen Kirche haben Historikerinnen der Uni Zürich aufgedeckt. Ihre kürzlich veröffentlichte Studie hat nun die Politik erreicht.

Mehrheit im Nationalrat

Der Nationalrat sprach sich am Donnerstag mit 101 zu 75 Stimmen bei 16 Enthaltungen dafür aus, dass Sexualstraftaten nicht mehr verjähren sollen, wenn das Opfer unter 16 Jahre alt ist. Heute liegt die Altersgrenze bei 12 Jahren.

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Beobachter berichtet immer wieder über Fälle

Sexuelle Übergriffe von katholischen Geistlichen in der Schweiz sind seit über 20 Jahren dokumentiert. Der Beobachter berichtete immer wieder über das grosse Leiden.

Anfang Jahr schilderte Walter Gerzner, wie er als Kind im Kloster Einsiedeln missbraucht wurde. Der Beobachter spürte gar den mutmasslichen Peiniger im Kloster auf.

Auch die Geschichte von Walter H., der zum Zeitpunkt des Missbrauchs 12 Jahre alt war, von Vreni P., die 10 Jahre alt war oder von Gertrud B., die als kleines Kind vom Dorfpfarrer missbraucht wurde, rüttelten auf.

«Viele Opfer sind minderjährig, sie leiden oft lebenslang.»

Mike Egger, SVP-Nationalrat

Doch die Kirche schützt die Täter bis heute und behindert eine Aufarbeitung. Die Taten würden von Kirchenverantwortlichen ignoriert oder bagatellisiert, und Opfer seien zum Schweigen verpflichtet worden, begründete SVP-Nationalrat Mike Egger seinen Vorstoss.

Viele der Opfer seien minderjährig und litten oft lebenslang unter den Folgen des Missbrauchs. Es brauche darum einen besseren Schutz für sie.

Heute gilt: Keine Verjährung bei Opfern unter 12

Es ist nicht der erste Anlauf der SVP, die Altersgrenze für die Unverjährbarkeit sexueller Straftaten zu erhöhen. Im Juni 2019 lehnte der Nationalrat einen ähnlichen Vorstoss noch ab.

Auch in den Beratungen zur Umsetzung der Unverjährbarkeitsinitiative hatte sich die SVP vergeblich für die Altersgrenze 16 engagiert. Die Gesetzesbestimmungen sind seit Anfang 2013 in Kraft: Seither verjährt schwerer sexueller Missbrauch an unter 12-jährigen Kindern nicht.

Bundesrat: Motion schiesst über Ziel hinaus

Darauf bezog sich auch Justizminister Beat Jans. Das Anliegen sei im Zusammenhang mit der Unverjährbarkeitsinitiative diskutiert und verworfen worden, sagte er am Donnerstag im Nationalrat.

«Es könnten auch Sexualstraftaten unter jungen Erwachsenen unverjährbar werden.»

Beat Jans, Bundesrat

Der Bundesrat spricht sich gegen die Annahme des Vorstosses aus. «Das Höchstalter 16 für Unverjährbarkeit würde über das Ziel hinausschiessen», so Jans.

Denn so könnten auch Sexualstraftaten unter jungen Erwachsenen unverjährbar werden, bei denen die ältere Person 20 und die jüngere nur wenig unter 16 Jahre alt sei.

Geschäft geht nun in den Ständerat

Bereits in früheren Jahren argumentierte der Bundesrat, ab dem Alter von 12 Jahren sei grundsätzlich davon auszugehen, dass sich Opfer über die Unrechtmässigkeit der an ihnen vorgenommenen Handlungen im Klaren seien und diese folglich auch zur Anzeige bringen könnten.

Ausserdem wurden nur jene Straftaten für unverjährbar erklärt, die Kinder verletzen oder traumatisieren – also beispielsweise Vergewaltigung, nicht aber der Konsum von Kinderpornografie.

Ob die SVP dieses Mal Erfolg hat mit der Anhebung der Altersgrenze, ist noch offen. Der Vorstoss geht nun in den Ständerat.

Informationen für Betroffene

Sind Sie von einem sexuellen Übergriff durch katholische Geistliche betroffen? Dann haben Sie womöglich Anrecht auf Entschädigung.

Der Beobachter unterstützt Sie beim Einreichen eines Gesuchs für eine finanzielle Genugtuung und bei der Vermittlung an eine Opferhilfestelle. Mehr Informationen und eine klare Anleitung finden Sie hier.